Vorschau

Vor dem Heimspiel gegen Köln: Letsch gereizt, Losilla fraglich

Zahlenspiele vor dem Heimspiel des VfL Bochum an diesem Samstag gegen den 1. FC Köln (18.30 Uhr / Sky) sind problemlos möglich. Sollte das Team von Trainer Thomas Letsch als Sieger aus der Partie hervorgehen, winkt dem VfL am 11.11., also pünktlich zu Beginn der Kölner Karnevalsession, mit elf Punkten der elfte Tabellenplatz – und das am elften Spieltag.

Losilla erkrankt

Das als Topspiel deklarierte Duell ist für beide Teams von großer Bedeutung, allerdings im Kampf gegen den Abstieg. Die Bochumer haben am vergangenen Wochenende in Darmstadt ihren ersten Saisonsieg eingefahren, auf ein Erfolgserlebnis im eigenen Stadion warten sie indes noch. Die Kölner wiederum sind derzeit das Schlusslicht der Liga; sieben von zehn Partien hat der FC verloren.

Der VfL geht also leicht favorisiert in das nächste Kellerduell, muss dabei aber personell möglicherweise umplanen. Kapitän Anthony Losilla, Bochums Dauerbrenner, hat das Abschlusstraining am Freitag krankheitsbedingt verpasst, sein Einsatz ist fraglich. Danilo Soares hat sich außerdem das Knie verdreht. Der Verteidiger wird wahrscheinlich fehlen, ebenso wie die Langzeitverletzten Ivan Ordets (schwere Muskelverletzung) und Matus Bero (Innenbandanriss). Erfreulich hingegen: Christopher Antwi-Adjei, der zuletzt wegen muskulärer Probleme aussetzen musste, ist wieder fit und könnte zur Startformation gehören. „Wir haben leider ein paar Ausfälle“, sagt Thomas Letsch. „Trotzdem haben wir immer noch viele Möglichkeiten.“

Letsch angriffslustig

Bochums Trainer wirkte in der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen Köln ein wenig gereizt, weil es trotz des Sieges in Darmstadt Kritik an der spielerischen Leistung seiner Mannschaft gab. Letsch betonte: „Mir ist es völlig egal, wie wir gewinnen. Ich habe das Gefühl, dass ich mich für die drei Punkte in Darmstadt rechtfertigen muss.“ Er führte seine Gedanken näher aus: „Ich muss aufpassen, dass ich nicht in den Angriffsmodus gehe – wenn ich es nicht schon bin. Wir haben nach zehn Spieltagen noch nicht die Punktzahl, die wir haben sollten. Aber wir haben ein paar Teams hinter uns. Manchmal frage ich mich: Haben wir eigentlich die letzten sieben Spiele verloren oder sind wir schon in der 2. Liga? Das geht mir – ehrlich gesagt – etwas auf den Zeiger.“


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(Foto: Marc Niemeyer)

Stadt und Verein

Ruhrstadion: Eine Option fällt weg – Entscheidung wird dauern

Etwas mehr als 50 Jahre ist es her, dass der VfL Bochum den ersten Anlauf unternahm, sich in der Fußball-Bundesliga zu etablieren. 1971 stieg der Revierklub auf, damals noch im alten Stadion an der Castroper Straße. Doch Präsident Ottokar Wüst erkannte, dass der Verein mit den Nachbarn Schritt halten muss, damit der VfL konkurrenzfähig bleibt. „Bauen Sie mir ein Stadion, und ich baue Ihnen eine Mannschaft“, hatte Wüst seinerzeit zu Oberbürgermeister Heinz Eikelbeck gesagt, begleitet von dem längst legendären Satz: „Der VfL Bochum kommt von der Castroper Straße, und hier soll er auch bleiben.“ Dieser Wunsch ging in Erfüllung. Die Kommune fand eine Lösung, in mehreren Bauphasen entstand Mitte und Ende der 1970er-Jahre das heutige Ruhrstadion.

Stadt ist bereit zu investieren

Doch der Zahn der Zeit nagt mittlerweile auch am Bochumer Schmuckkästchen. An mehreren Stellen herrscht Renovierungsbedarf. Zudem ist das Stadion zu klein, die Kartennachfrage übersteigt das Angebot bei weitem. Der Klub und die Stadt, der das Stadion seit jeher gehört, sind sich deshalb einig: Damit sich der VfL entwickeln kann und keinen Fan-Nachwuchs verliert, muss in Steine investiert werden, ähnlich wie damals. Offiziell äußern sich beide Seiten zwar noch nicht zu möglichen Baukonzepten, doch laut WAZ soll die Kommune bereit sein, bis zu 90 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen – entweder für einen Umbau an der Castroper Straße oder für einen Neubau an anderer Stelle, der allerdings teurer werden würde und den der VfL mitfinanzieren müsste.

Doch da beginnen die Probleme: Ein Neubau auf der grünen Wiese wäre für den Klub nach heutigem Stand wirtschaftlich nicht zu stemmen und den Fans ohnehin kaum zu vermitteln. Das Ruhrstadion ist bei den Anhängern überaus beliebt, identitätsstiftend mit seiner Architektur und der einzigartigen Lage mitten in der Stadt. Eine austauschbare Arena am Stadtrand will so gut wie keiner. Zudem steht die laut WAZ angeblich ins Auge gefasste Fläche an der Grenze zu Witten gar nicht zur Verfügung. Auf dieser Fläche, die bislang nur vom Tierheim genutzt wird, ist grundsätzlich keine weitere Bebauung vorgesehen. „Insofern ist eine Diskussion über die Fläche als denkbare Baufläche für ein etwaiges Stadion obsolet“, teilte die Stadt am Dienstag mit.

Wenig Platz an Ort und Stelle

Ein Ausbau des Ruhrstadions wiederum wäre womöglich nicht ausreichend, denn die Möglichkeiten an Ort und Stelle sind stark begrenzt. Schlimmstenfalls kann nur die Osttribüne erweitert werden, was unwirtschaftlich sein könnte. Die Nachfrage für Stehplätze geht zurück, die meisten Zuschauer wünschen sich Sitzplätze und der Verein wirtschaftlich lukrative VIP-Logen. Zudem müsste geklärt werden, wo der VfL während der Umbauphase seine Heimspiele austrägt. Fest steht einzig: Beim Status Quo wird es nicht bleiben. Das möchte weder die Vereins- noch die Stadtspitze. Noch in diesem Monat wollen kommunale Vertreter dem Klub ihre Überlegungen genauer vorstellen, denn der Verein kennt die Pläne auch noch nicht im Detail. Eine schnelle Entscheidung ist deshalb nicht zu erwarten.

Die politischen Parteien bringen sich aber schon in Stellung und sind von einem Neubau an unbekannter Stelle nicht überzeugt. Für die SPD, die immerhin den Oberbürgermeister stellt und mit den Grünen eine Mehrheit im Rathaus bildet, hat sich der Fraktionsvorsitzende Burkhart Jentsch bereits eindeutig positioniert: „Das Herz des VfL schlägt an der Castroper Straße. Ein Neubau an anderer Stelle kommt für mich nicht in Frage“, schreibt er auf der Website der SPD. Die Grünen als Koalitionspartner denken ähnlich, die FDP äußert ebenfalls Skepsis. Die CDU würde sich insbesondere über eine neue Mehrzweckhalle auf dem Kirmesplatz freuen, die bei einem möglichen Abriss der Rundsporthalle entstehen könnte, um mehr Raum auf dem Stadiongelände zu schaffen.

Kein Schnellschuss geplant

Die Positionen der Parteien sind am Ende entscheidend. Denn das letzte Wort wird der Rat der Stadt haben. Der VfL wird aber seine Empfehlung abgeben dürfen, womöglich unter Einbeziehung der Mitgliederversammlung – allerdings nicht schon in zwei Wochen. Die WAZ hatte berichtet, dass sich der VfL bereits bis zum diesjährigen Termin am 28. November für eine der Optionen entscheiden soll. Das aber wird in keinem Fall so passieren, zumal bis dahin noch gar nicht alle Fakten auf dem Tisch liegen werden. Denkbar ist schließlich auch, dass von den skizzierten Varianten am Ende des Planungsprozesses gar nicht mehr alle übrigbleiben – weil es bauliche, finanzielle oder rechtliche Hürden gibt, die nicht zu überwinden sind. Oder weil für einen Neubau schlicht die passende Fläche fehlt.


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(Foto: Imago / Nordphoto)

Personalie

Kwarteng drängt ins Team: „Ich möchte auf die Anzeigetafel“

Beinahe hätte der Joker gestochen. Moritz-Broni Kwarteng war bereits auf dem Weg zum Darmstädter Tor, gerade vorbei am letzten Verteidiger, als Gegenspieler Fabian Holland sein Bein ausstreckte und den Bochumer Angreifer zu Fall brachte. Holland sah die Rote Karte, und Kwarteng war enttäuscht. „Von dem Platzverweis kann ich mir nichts kaufen“, sagte er nach der Partie. „Ich möchte als Torschütze auf die Anzeigetafel.“ Auf seinen ersten Treffer für den VfL Bochum wartet Kwarteng schließlich schon lang genug.

Probleme am Schambein haben ihn wochenlang außer Gefecht gesetzt, erst im Oktober beim Auswärtsspiel in Leipzig feierte der Sommer-Neuzugang sein Debüt in der Fußball-Bundesliga. Kwarteng verpasste große Teile der Saisonvorbereitung und musste sich anschließend mühsam herankämpfen. Gegen Darmstadt am vergangenen Freitag wurde Kwarteng nach gut einer Stunde für den schwachen Moritz Broschinski eingewechselt. Für den Joker war es sein bislang längster Pflichtspieleinsatz im Trikot des neuen Arbeitgebers. „Jede Minute ist wertvoll für mich, den Rhythmus zu finden und die Jungs auf dem Platz besser kennenzulernen“, erklärte Kwarteng nach dem ersten Saisonsieg.

Im Mittelfeld flexibel einsetzbar

Doch der 25-Jährige will mehr, er drängt in die Startelf. „Ich bin ab sofort bereit, der Mannschaft einen Impuls zu geben. Mein Ziel ist es, ein neues Element einzubringen, das uns einen Vorteil verschafft.“ Kwarteng ist im offensiven Mittelfeld flexibel einsetzbar, innen wie außen, wobei er kein klassischer Flügelspieler ist. Er ist dribbelstark und trotz seiner relativ geringen Körpergröße ziemlich robust. Das Wichtigste aber: Der gebürtige Stuttgarter, für den sich im Sommer auch andere Bundesligisten interessiert haben, gilt als torgefährlich.

Für seinen vorherigen Klub, den Zweitligisten 1. FC Magdeburg, erzielte Kwarteng in der vergangenen Saison zehn Treffer. Diese Qualität soll er nun auch eine Spielklasse höher einbringen, um die Bochumer Offensive zu beleben. „Momo ist ein Spieler, der in der abgelaufenen Saison eine enorme Entwicklung genommen und vom Profil her ideal zum Castroper Straßenfußball passt“, sagte Marc Lettau im Sommer anlässlich der Verpflichtung von Kwarteng. Obwohl der Sportdirektor und natürlich auch das Trainerteam von Kwartengs Schambeinproblematik wussten, forcierten sie den Transfer. „Er ist ein überragender Spieler, an dem wir noch richtig Spaß haben werden“, sagte Chefcoach Thomas Letsch erst kürzlich, „ich freue mich, dass er wieder richtig da ist.“

Teuerster Transfer seit 15 Jahren

Die Hoffnungen in Bochum sind groß. Die Ablöse für den Offensivallrounder lag bei rund einer Million Euro. Kwarteng hat einen Vierjahresvertrag bis 2027 unterzeichnet, das Gesamtvolumen mit Gehalt und Beraterboni liegt im mittleren siebenstelligen Bereich. Damit ist er der teuerste Neuzugang des VfL seit knapp 15 Jahren – was er nun mit guten Leistungen und möglichst vielen Toren zurückzahlen soll.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Meinung

VfL-Kolumne: Flügelspieler haben einen schweren Stand

Die VfL-Kolumne ist ein neues Format auf Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Immer zu Wochenbeginn gibt es einen kurzen Kommentar zu einem ausgewählten Thema – zum sportlichen Geschehen an der Castroper Straße, oder gerne auch zum Drumherum. Die Regel: Maximal 1.848 Buchstaben. Das Ziel: Diskussionen anzustoßen. Das Thema heute: Die Besetzung der Flügelpositionen.

Ein Cartoon von Oli Hilbring hat mich neulich sehr zum Schmunzeln gebracht. Eines seiner Werke zeigt eine Person an einer Spielzeugeisenbahn. Ein Mann dahinter kommentiert: „Unser neuer Schienenspieler“. Auch beim VfL ist dieser Trend im Sommer angekommen. Das bedeutet, dass der klassische Außenverteidiger und der Flügelstürmer wegfallen und durch einen Spieler ersetzt werden, der die gesamte Außenbahn beackert. Mit Felix Passlack und Maximilian Wittek wurden zwei dieser Schienenspieler verpflichtet. Doch die wurden – um im Bild zu bleiben – schon wieder von der Strecke genommen. Wittek hat nur phasenweise überzeugt, Passlack noch fast gar nicht. Beide haben bislang zu wenig geboten, anderenfalls säßen sie jetzt nicht auf der Ersatzbank oder gar auf der Tribüne.

Also müssen es wieder Cristian Gamboa und Danilo Soares richten. Doch die sind für diese anspruchsvolle Position nur bedingt geeignet. Die beiden Routiniers sind defensiv solide, zweifellos. Doch je offensiver sie spielen sollen, desto unsicherer und schwächer werden sie. Die Folge: Angriffe über die Flügel sind selten geworden. Gegen Mainz war vor allem die rechte Seite oft verwaist, links vorne sollte immerhin Takuma Asano wirbeln, wobei er kaum ins übrige Spiel eingebunden war. Dabei hätte der VfL das passende Personal, um die Außenbahnen neu zu beleben. Was ist zum Beispiel mit Christopher Antwi-Adjei? In der vergangenen Saison war er einer der wichtigsten Spieler beim VfL. Nun ist er der größte Verlierer der Systemumstellung.

Am vergangenen Freitag stand Antwi-Adjei immerhin zur Einwechslung bereit, doch Thomas Letsch entschied sich für einen weiteren Zentrumsspieler. Entlastung durch Geschwindigkeit? Fehlanzeige. Dabei es war es das Tempo in der Bochumer Offensive, vor dem sich viele Gegner oft gefürchtet haben. Nun haben die Flügelspieler einen schweren Stand. Gerrit Holtmann ist deshalb im Sommer in die Türkei gegangen, Jordi Osei-Tutu wird nicht mehr berücksichtigt. Hier wird Potenzial verschenkt statt es zu wecken. Trainer Letsch sagt gerne: Das System sei zweitrangig. Klar ist aber: Mit der aktuellen Formation wurden die Außenpositionen eindeutig geschwächt.


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(Foto: Marc Niemeyer)

Meinung

VfL-Kolumne: Lettau liefert den richtigen Denkanstoß

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Bei Marc Lettau sitzt im Grunde jedes Wort. Wenn der Sportdirektor des VfL Bochum nach den Spielen zum Interview erscheint, dann weiß er genau, was er sagen möchte. Und deshalb war es sicher kein Zufall, dass er nach der Partie in Darmstadt zwar einerseits gelöst und entspannt wirkte, weil seine Mannschaft gerade den ersten Saisonsieg eingefahren hat, er andererseits aber auch kritische Worte fand. Lettaus Botschaft war eindeutig: Wir müssen uns steigern, sonst werden Siege dieser Art die Ausnahme bleiben. 

Thomas Letsch war von dieser Aussage – zumindest so kurz nach dem Spiel – nicht wirklich begeistert. Darauf in der Pressekonferenz angesprochen, reagierte der Trainer genervt. Verständlich, denn im Vordergrund stehen die Punkte. Und es ist anzunehmen, dass der Mannschaft mit etwas weniger Druck auf den Schultern so manches leichter gelingen kann. Aber ganz so einfach ist es eben auch nicht, dass die Schwächen der vergangenen Wochen einzig und allein mit einer Blockade im Kopf zu erklären sind. Der Fußball des VfL Bochum in dieser Saison ist, Stand heute, nicht besser als in der vergangenen Spielzeit. Obwohl Trainer Letsch Einfluss auf die Transfers hatte, und obwohl er die ganze Saisonvorbereitung nach seinen Vorstellungen gestalten konnte, hat sich die Mannschaft allenfalls defensiv leicht verbessert. In der Offensive tritt der VfL dagegen auf der Stelle.

Zehn Spieltage sind absolviert, ein erstes Zwischenfazit ist also erlaubt. Der VfL Bochum steht auf einem Nicht-Abstiegsplatz, hat nur vier von zehn Partien verloren, aber auch nur ein Spiel gewonnen. In Summe ist das in Ordnung. Trotzdem muss die Frage erlaubt sein: Für welche Art von Fußball will der VfL in dieser Saison stehen? Für Intensität gegen den Ball, das ist klar. Aber was ist die Idee im eigenen Ballbesitz? Klare Abläufe oder eine Idee sind von der Tribüne noch nicht zu erkennen. Vieles wirkt vom Zufall bestimmt. Spielzüge, die den Eindruck vermitteln, dass sie einstudiert wären, sind nur selten zu bewundern. Insofern hat Marc Lettau den richtigen Denkanstoß geliefert: Ergebnis und Leistung sind sauber voneinander zu trennen. Auch im Erfolgsfall.


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(Foto: Imago / Sven Simon)

2:2 gegen Mainz

„Ich könnte heulen“: Über dieser VfL-Saison liegt noch kein Segen

Die Arme waren schon fast in die Höhe gereckt, um über den ersten Saisonsieg zu jubeln, als der Mainzer Tom Krauß mitten ins Bochumer Fußball-Herz traf. Die Hände beim VfL gingen trotzdem nach oben – um sich fassungslos an den Kopf zu packen. Bis zur fünften Minute der Nachspielzeit lag der VfL in Führung, die drei Punkte im Kellerduell waren zum Greifen nah. Doch dann, nach der allerletzten Aktion, waren zwei davon plötzlich wieder verschwunden. „Ich könnte heulen“, sagte Keven Schlotterbeck nach dem 2:2, und war mit diesem Gefühl sicher nicht allein. Stimmungskiller statt Brustlöser – im Stadion wurde es binnen weniger Augenblick mucksmäuschenstill. 

Weiter ohne Sieg

Der Schock sitzt tief, und die Lage beim VfL Bochum bleibt durchaus prekär. Der erhoffte Befreiungsschlag gegen den Tabellennachbarn ist am Freitagabend ausgeblieben. Neun Spiele sind in der Bundesliga-Saison nun absolviert, fünf Punkte hat der Revierklub auf dem Konto – aber noch keinen Sieg eingefahren. „Mit Unentschieden kommst du nicht vorwärts“, weiß nicht nur Trainer Thomas Letsch. Und die Anschlussfrage ist naheliegend: Gegen wen will der VfL gewinnen, wenn nicht gegen harmlose und ebenfalls noch sieglose Mainzer? „Wenn wir so weiterspielen, dann werden wir noch genügend Punkte holen“, ist sich Kevin Stöger sicher.

Der Mittelfeldspieler erzielte vom Elfmeterpunkt das 1:0, nachdem der Video-Assistent eingegriffen hatte und ein Foul an Schlotterbeck im Strafraum erkannte. Bochums Innenverteidiger blieb im Mittelpunkt des Geschehens: Erst lenkte er den Ball unglücklich zum 1:1 ins eigene Tor, in der Schlussphase erzielte Schlotterbeck dann aber das vielumjubelte 2:1. Zum Sieg gereicht hat es nicht. „Wir haben über weite Strecken ein gutes Spiel gemacht“, meinte der Torschütze später in den Katakomben. „Aber ich habe das Gefühl, der Fußballgott sah zu uns herunter und dachte sich: Die machen wir heute noch kaputt.“ Aktuell scheint (noch) kein Segen über der VfL-Saison zu liegen.

Kaum Torgefahr

Aber ist es nur fehlendes Spielglück? „Sicher nicht“, betonte auch Schlotterbeck. Bislang hat der VfL weder die Gegentorflut noch das Offensivproblem in den Griff bekommen. Das Torverhältnis von 8:23 nach neun Spielen ist der beste Beweis dafür. Während es in der Defensive immerhin erfreuliche Tendenzen gibt – beginnend mit dem Spiel in Leipzig – ist eine Weiterentwicklung in der Vorwärtsbewegung kaum bis gar nicht zu erkennen. Aus dem Spiel heraus gelangen dem VfL gegen Mainz nur wenige Torchancen, fast keine davon war das Ergebnis eines ansehnlichen Spielzugs. Die „feine Klinge“ sei in dieser Situation, in der der VfL steckt, ohnehin nicht zu erwarten, erklärte Letsch.

Der Trainer sah gegen Mainz mit fortschreitender Spieldauer eine schlechter werdende Leistung. „Wir haben das Spiel in den ersten 35 Minuten mit und gegen den Ball kontrolliert“, analysierte Letsch. „Wir haben bis zum Ende praktisch nichts zugelassen, aber die Kontrolle mit dem Ball haben wir in der zweiten Halbzeit verloren.“ Zwei abgefälschte Schüsse der Gäste fanden schließlich den Ball ins Bochumer Tor, jeweils nach schlecht verteidigten Standardsituationen. Zusätzlich bitter: Der VfL hat nicht nur zwei Punkte verloren, sondern auch Ivan Ordets. Der Abwehrchef hatte schon früh in der Partie mit muskulären Problemen zu kämpfen und musste den Platz verlassen.

Ordets verletzt

„Es wäre ein Wunder, wenn er im nächsten Spiel schon wieder auf dem Platz stünde“, sagte Letsch nach der Partie, ohne schon eine genauere Diagnose nennen zu können. Ärgerlich: Eine Auswechslung von Ordets war schon angedacht, bevor er sich im einem Zweikampf um den Ball folgenschwer verletzte und nicht mehr weiterlaufen konnte. Auch Keven Schlotterbeck klagte gegen Ende des Spiels über Schmerzen im Oberschenkel, und mit Erhan Masovic verletzte sich ein dritter Innenverteidiger am Ellbogen. Viel Zeit, die vielen Wunden zu lecken, auch mental, bleibt indes nicht. Am kommenden Freitag in Darmstadt steht das nächste Kellerduell bevor.

Fraglich ist, ob Letsch dort erneut den Spielern vertraut, die er eigens für das Spiel gegen Mainz in die Startelf beordert hat. Erstmals in dieser Saison begann Philipp Förster, erstmals überhaupt in der Bundesliga startete Moritz Broschinski. Glänzten konnten sie nicht. Die Suche nach dem passenden Mittelstürmer und seinen Nebenleuten geht somit weiter. Philipp Hofmann sammelte nach seiner Einwechslung durchaus Pluspunkte; Goncalo Paciencia, der in Freiburg traf und trotzdem zunächst nur auf der Bank Platz nahm, war kein Aktivposten. Moritz Kwarteng, diesmal immerhin im Kader, und Christopher Antwi-Adjej blieb ein Einsatz verwehrt. Sie sahen nur zu, bis zum bitteren Ende.


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(Foto: Imago / RHR-Foto)

Meinung

VfL-Kolumne: Bochumer Stadionfrage erfordert Weitsicht

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Was wohl die Mitarbeiter im Bochumer Tierheim gedacht haben, als sie am Freitag aus der WAZ erfuhren, dass ihr Heiligtum möglicherweise einem neuen Fußballstadion weichen muss? Zwischen Kläranlage, Autobahn und der Stadtgrenze zu Witten könnte angeblich eine neue Spielstätte entstehen.

Zieht der VfL wirklich raus auf die grüne Wiese? Kein Fan denkt gerne darüber nach. Doch die Frage kommt nun zwangsläufig auf den Tisch. Weil der VfL mit dem Ruhrstadion schon jetzt der Konkurrenz hinterherhinkt. Die Spielstätte ist zu klein und an mehreren Stellen renovierungsbedürftig. Zugleich ist sie aber auch ein Aushängeschild des Klubs, identitätsstiftend mit ihrer Architektur und der einzigartigen Lage. Das Herz des VfL schlägt an der Castroper Straße.

Der Verein befindet sich im Dilemma, denn eine perfekte Lösung wird es nicht geben, sofern die charmanteste Option – ein Neubau auf dem jetzigen Gelände – nicht doch noch irgendwie möglich ist. Ein Neubau im Südosten der Stadt wäre (zu) teuer und den Fans kaum zu vermitteln. Ein Ausbau des Ruhrstadions wiederum wäre womöglich nicht ausreichend, denn die Möglichkeiten an Ort und Stelle sind stark begrenzt. Fest steht einzig: Beim Status Quo wird es nicht bleiben. Das möchte weder die Vereins- noch die Stadtspitze.

Uns steht eine komplizierte Debatte bevor, bei der es an den Verantwortlichen von Stadt und Verein liegen wird, diese zu versachlichen – anderenfalls ist eine ähnliche Spaltung wie bei der Ausgliederung zu befürchten. Dass es jetzt schon VfL-Fans gibt, die anhand eines einzigen Medienberichts eine klare Tendenz entwickelt haben, ist emotional nachvollziehbar, bringt den Klub aber nicht weiter. Zu komplex ist die Situation, zu facettenreich die ungeklärten Fragen, die vom Baurecht über die Statik bis hin zur Wirtschaftlichkeit reichen – böse Überraschungen nicht ausgeschlossen.

Klar ist nur: Die Wahl, die zu treffen ist, ist eine historische, eine für Jahrzehnte und nicht nur für wenige Jahre. Die Stadt wird nur einmal so viel Geld investieren. Eine Entscheidung also, die Weitsicht erfordert. Und die – so oder so – nicht nur Vorzüge haben wird.

Ein ausführlicher Bericht zum aktuellen Sachstand in der Stadionfrage folgt in Kürze!


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(Foto: Marc Niemeyer)