1:2 gegen Dortmund

Glück, Leidenschaft und Übermut: VfL raus mit Applaus

Im Vorfeld des Pokalspiels gegen Dortmund hatten sich einige VfL-Fans über die Schiedsrichter-Ansetzung echauffiert. Der DFB hatte Tobias Stieler nach Bochum geschickt, assistiert von Christian Gittelmann, der vor knapp einem Jahr im Ruhrstadion von einem Bierbecher getroffen wurde. Einige Anhänger waren im Vorfeld skeptisch und befürchteten einen Nachteil – den es am Mittwochabend aber nicht gab. Zwar war Stieler in der Beurteilung von Zweikämpfen keineswegs sicher und entschied im Zweifel eher für Dortmund als für Bochum. Im vielleicht wichtigsten Moment der Partie tat er dem VfL aber eher einen Gefallen. Trotz minutenlanger Beratung mit dem Video-Assistenten zeigte der Unparteiische nach rund einer Stunde auf den Elfmeterpunkt – eine hochumstrittene und eher falsche Entscheidung. Aus mehreren Gründen.

Verdienter Ausgleichstreffer

Zum einen war dem Handspiel von Dortmunds Bynoe-Gittens eigentlich ein Foul der Bochumer vorausgegangen, zum anderen konnten selbst die TV-Bilder nicht zweifelsfrei auflösen, ob das Vergehen überhaupt innerhalb des Strafraums stattfand – mal ganz abgesehen von der Frage, ob die Armhaltung des Dortmunders überhaupt einen Pfiff gerechtfertigt hätte. „Wenn er den Elfmeter gibt, macht er keinen Fehler, und wenn er ihn nicht gibt, macht er auch keinen Fehler“, äußerte sich VfL-Trainer Thomas Letsch nach dem Spiel gewohnt diplomatisch. Wie auch immer: Kevin Stöger schnappte sich den Ball und verwandelte sicher. Der VfL, der mutig und druckvoll aus der Pause gekommen war, verdiente sich den Ausgleich, nachdem Christopher Antwi-Adjei zuvor zwei Großchancen vergab. Dann aber schien der Außenseiter zu viel auf einmal zu wollen, wurde etwas übermütig und konnte das Momentum nicht für sich nutzen.

„Es ist wilder geworden, die Ballbesitzphasen der Dortmunder wurden wieder länger“, analysierte Letsch nach der Partie. „Beim 1:2 waren wir leider nicht gut gestaffelt, gehen nicht mit. Da hat man aber auch die Qualität des Gegners gesehen.“ Lange Zeit hat der leidenschaftlich kämpfende VfL den BVB in Schach gehalten und im Derby nur selten zur Entfaltung kommen lassen. In den entscheidenden Momenten war der Favorit aber zur Stelle. „Es war ein toller Pokalfight, ich bin stolz auf meine Mannschaft“, betonte Letsch hinterher immer wieder. Die unveränderte Siegerelf aus dem Spiel gegen Hoffenheim sollte es wieder richten, und so weit entfernt von der Überraschung war sie gar nicht. „Trotzdem geht es im Pokal nur darum, ob man weiterkommt oder nicht. Und wir sind heute ausgeschieden“, stellte Letsch nüchtern fest, ohne das Geleistete kleinreden zu wollen. Denn dieser Auftritt soll Mut machen für die Bundesliga.

Jetzt auswärts gegen die Bayern

Vor allem zu Hause muss sich der VfL vor keinem Gegner mehr verstecken, auch nicht vor großen Namen. Auswärts sieht das vor dem Duell gegen die Bayern etwas anders aus. „Müde Bochumer gegen ausgeruhte Bayern – die beste Konstellation ist das sicher nicht“, weiß auch Trainer Letsch. Eine Rotation auf einigen Positionen ist wahrscheinlich, vor allem im Mittelfeld und auf den Flügelpositionen gibt es fast gleichwertige Alternativen. Im Tor hingegen wird sich aus guten Gründen nichts ändern. Zwar hatte Manuel Riemann das 0:1 durch Emre Can aus knapp 50 Metern mit seinem Ausflug aus dem Strafraum mitverschuldet, einen Vorwurf macht ihm Letsch deswegen aber nicht: „Natürlich kann er den Ball über das Stadiondach prügeln. Aber sein Spiel ist sehr offensiv ausgerichtet. Und das wollen wir auch.“ 

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(Firo Sportphoto)

Kommentar

Wieder Becher geflogen: Fiege in den Rachen, nicht auf den Rasen

Knapp ein Jahr ist es her, als tausende Bochumer fassungslos im Ruhrstadion saßen oder standen und akzeptieren mussten, dass das Bundesligaspiel gegen Borussia Mönchengladbach vom Schiedsrichtergespann abgebrochen wurde. Der Grund ist hinlänglich bekannt: Assistent Christian Gittelmann wurde von einem vollem Bierbecher getroffen. Ob der Abbruch seinerzeit wirklich notwendig war, darüber lässt sich immer noch trefflich streiten. Nachvollziehbar und regelkonform war er natürlich.

VfL steht unter Bewährung

Viele Fans haben in den Wochen danach dazugelernt. Becherwürfe, die im Ruhrstadion leider eine gewisse Tradition haben, gab es zuletzt seltener oder gar nicht mehr. Doch am Mittwochabend beim Pokalspiel gegen Dortmund wurde deutlich, dass es noch immer Anhänger gibt, die aus Schaden nicht klug geworden sind. Bilder belegen: Ausgerechnet bei der Rückkehr von Gittelmann ins Ruhrstadion flogen wieder Becher. Getroffen wurde der Unparteiische zum Glück nicht – aber darum geht es auch nicht. Jeder Wurf, auch beim Torjubel, ist einer zu viel, zumal der VfL immer noch unter Bewährung steht. Kein Gegenstand landet zufällig im Innenraum.

Kameratechnik nutzen

Elf Monate nach dem Spielabbruch tut offensichtlich eine Erinnerung gut: Jeder Becher hat das Potenzial, den Verein in große Schwierigkeiten zu bringen, vom persönlichen Schaden einmal abgesehen. Deshalb sollten die Verantwortlichen auch nicht zögern und die neu installierte Kameratechnik nutzen, um diejenigen ausfindig zu machen, die sich immer noch nicht im Griff haben. Das kann man jetzt als übertriebene Härte werten. Aber wollt ihr am Ende der Saison wegen eines abgebrochenen Spiels absteigen? Nein. Also: Fiege gehört in den Rachen, nicht auf den Rasen.

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(Foto: Firo Sportphoto)

5:2 gegen Hoffenheim

Festung Ruhrstadion: Heimserie begeistert Fans und Historiker

Zum Glück werden Fußballer fürs Kicken und nicht fürs Reden bezahlt. So nüchtern wie die Bochumer den hochverdienten 5:2-Heimerfolg gegen die TSG Hoffenheim und ihre Leistung im Nachgang bewertet haben, hätte man fast meinen können, dem VfL wäre in den 90 Minuten zuvor mit großer Mühe ein schmeichelhaftes 0:0 gelungen. Wirklich Überraschendes oder Emotionales gibt es aus der Interviewzone nicht zu berichten. Ist aber auch gar nicht schlimm. Denn das Spiel, mit dem sich der VfL fünf Punkte vom direkten Abstiegsplatz distanzierte, hat schließlich schon genug geboten – und Fans wie Historikern große Freude bereitet.

Makellose Bilanz für Trainer Letsch

Dass der VfL das nicht alltägliche 2:5 aus der Vorwoche exakt gespiegelt hat, ist dabei nur eine Randnotiz wert. Viel bemerkenswerter ist, dass selbst Historiker gedanklich schon etwas weiter in die Vergangenheit reisen müssen, um sich an ein Bundesliga-Heimspiel mit fünf Bochumer Treffern zu erinnern. Das war dem VfL letztmals im Herbst 2007 gegen Wolfsburg gelungen. Da waren die Spieler aus der heutigen Mannschaft wenigstens schon geboren, während sie bei der bislang letzten langen Erfolgsserie im eigenen Stadion noch gar nicht in Planung waren. In der Saison 1974/75 waren es sogar sechs Heimsiege am Stück, aktuell sind es fünf. Trainer Thomas Letsch ist im Ruhrstadion also immer noch ohne Punktverlust.

„Es ist das einzige Stadion, in dem ich als Heimtrainer eine 100-Prozent-Siegquote habe“, sagt der Fußballlehrer und freut sich immer wieder auf die Stimmung an der Castroper Straße. „Wir haben in Deutschland viele tolle Arenen. Aber das hier ist eine Nische, das ist etwas Besonderes. Wenn die erste gute Aktion kommt, ob Zweikampf oder Angriff, dann steht das ganze Stadion. Das ist faszinierend.“ Und war gegen Hoffenheim nicht anders. Der VfL übernahm gegen die erschreckend wehrlosen und nun ebenfalls abstiegsbedrohten Kraichgauer früh das Kommando, kontrollierte in der Folge das Spiel und belohnte sich bereits in der ersten Halbzeit gleich dreifach.

Broschinski trifft bei seinem Debüt

Der insgesamt glänzend aufgelegte und sehr umtriebige Christopher Antwi-Adjei bereitete alle Treffer vor; Philipp Hofmann, Philipp Förster und Takuma Asano vollendeten. Traditionell sorgt aber auch eine deutliche Pausenführung noch nicht für Entspannung auf den Bochumer Rängen, und die Skeptiker sahen sich beim schnellen Anschlusstreffer zum 1:3 kurz nach Wiederanpfiff bereits bestätigt. Doch der VfL drehte nach einer kurzen Phase der Nachlässigkeit wieder auf. Auf die Vorentscheidung durch Erhan Masovic folgte zwar noch ein zweites Gegentor, doch Neuzugang Moritz Broschinski sorgte für das i-Tüpfchen. Bei seinem ersten Einsatz im VfL-Trikot erzielte er das 1.000 Tor in einem Bochumer Bundesliga-Heimspiel.

Der junge Angreifer benötigte lediglich zwei Wochen, um Silvere Ganvoula aus dem Kader zu verdrängen, und macht zwei Klassen höher als in der Hinrunde direkt auf sich aufmerksam. Broschinski dürfte sich auf das am Mittwoch anstehende Pokal-Achtelfinale gegen Borussia Dortmund ganz besonders freuen. Schließlich hat er dort bis vor kurzem noch in der zweiten Mannschaft gespielt. Doch die Vorfreude dürfte in Bochum spätestens in den nächsten Tagen alle Spieler erreichen, die Fans sind sowieso heiß. „Wir spielen ja zu Hause“, grinste Christopher Antwi-Adjei bei der Frage, was er sich gegen den formstarken Nachbarn und Rivalen denn ausrechnen würde.

Mittwoch im Pokal gegen Dortmund

Klar ist: Das Derby im Pokal genießt intern einen mindestens so hohen Stellenwert wie eine normale Bundesligapartie. Zumal der VfL das folgende Auswärtsspiel in München auch bei einer kompletten Personalrotation unter der Woche nicht hoch gewinnen dürfte. Die weiteren Punkte für den Klassenerhalt, das weiß nicht nur Letsch, muss der VfL woanders holen, wahrscheinlich überwiegend in den noch acht ausstehenden Heimspielen. Die Richtung stimmt bereits, der historisch schlechteste Saisonstart ist längst vergessen und kompensiert. „Was gibt es also Schöneres“, lautet die rhetorische Frage des Trainers, „als nach diesem Sieg gegen Hoffenheim nun gegen Dortmund zu spielen? Wir haben nichts zu verlieren.“

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(Foto: Firo Sportphoto)

Bochum gegen Dortmund

Pokal wichtiger als Bayern? VfL geht „ohne Rücksicht“ ins Derby

Zweimal hat es der VfL Bochum schon ins Pokalfinale geschafft. 1968 war aus der heutigen Mannschaft allerdings noch nicht einmal der Cheftrainer geboren, und 1988 mussten die Fans auf dem Weg nach Berlin noch die innerdeutsche Grenze passieren. Sorgt der VfL 35 Jahre danach endlich wieder für eine besondere Pokalgeschichte? Der Weg ins Finale ist noch weit, und in Anbetracht des Gegners ziemlich steinig. „Wir sind klarer Außenseiter“, sagt Thomas Letsch vor dem Derby gegen den BVB. „Aber genau das macht den Pokalwettbewerb so reizvoll. Wir haben zuhause ein Flutlichtspiel gegen einen direkten Nachbarn. Das ist ein besonderes Ereignis, also wollen wir auch ein besonderes Ergebnis erzielen.“

Klar ist: Das Achtelfinale genießt intern einen mindestens so hohen Stellenwert wie eine Bundesligapartie; mit Blick auf den Spielplan hat der Pokal sogar Vorrang. „Ohne Rücksicht“ auf das am Samstag anstehende Duell beim FC Bayern will Letsch den Revierrivalen ärgern. Dabei soll dem VfL vor allem die zuletzt demonstrierte Heimstärke helfen. Fünf Partien in Folge hat der Bundesligist im eigenen Stadion gewonnen. „Wir brauchen eine gute Mischung aus defensiver Stabilität sowie Mut und Risiko im Vorwärtsgang“, sagt Letsch vor dem ersten Pokalduell der beiden Klubs seit 40 Jahren. Ein Weiterkommen wäre für Bochum der vorläufige sportliche und emotionale Höhepunkt der Saison. Zudem würden rund zwei Millionen Euro extra winken.

Schlotterbecks im Fokus

Auch im Vorfeld liefert das Aufeinandertreffen schon erzählenswerte Geschichten. Da ist zum Beispiel das Wiedersehen von Takuma Asano und Nico Schlotterbeck, die sich bereits bei der Fußball-WM im November begegnet sind – mit dem besseren Ausgang für den Bochumer, der dem BVB-Verteidiger beim spielentscheidenden Treffer zum 2:1 für seine Japaner davongeeilt war. Außerdem kommt es zum Duell der beiden Schlotterbeck-Brüder – mit Keven für den VfL und Nico für den BVB. „Durch meinen Bruder habe ich ein paar Spiele mehr von Bochum angeschaut. Das wird ein heißer Kampf. Zuhause sind sie sehr stabil und zeigen eine unglaubliche Mentalität“, ist Nico Schlotterbeck durchaus beeindruckt vom VfL.

Für mindestens 90 Minuten werden die beiden Innenverteidiger jedoch nur an den Sport und nicht an ihr Verwandtschaftsverhältnis denken. „Wir haben uns nie etwas geschenkt. So wie wir es auch heute nicht machen, egal ob es beim Fußball ist oder neben den Platz. Einer gewinnt und der andere ist halt sauer“, sagt Keven mit dem Schmunzeln. Doch wie nah kommen sie sich am Mittwoch auf dem Spielfeld? Nico ist beim BVB gesetzt. Keven hingegen muss um seinen Platz im Team zittern. Nach drei Startelfeinsätzen saß er am vergangenen Wochenende zum ersten Mal nur auf der Bank. Dass Thomas Letsch in der Abwehr erneut rotieren wird, ist nicht ausgeschlossen, aber eher unwahrscheinlich.

Fanmarsch zum Stadion

Zu guter Letzt bietet ja auch die Historie der beiden Städte Anlass für eine brisante Atmosphäre, die sich ganz bestimmt auch auf das seit Wochen ausverkaufte Stadion übertragen dürfte. Nicht ohne Grund treffen sich zahlreiche VfL-Anhänger vor dem Spiel am Bochumer Kuhhirten-Denkmal. Dazu hat die aktive Fanszene aufgerufen. Von dort aus laufen sie zum Stadion und kommen auch an der Statue von Graf Engelbert vorbei. Als dieser mit der freien Stadt Dortmund in Fehde lag, gelang es den Bauern aus Harpen mit Hilfe der Bochumer Junggesellen, das von den Dortmundern gestohlene Vieh zurückzuholen. Das war 1388 – also exakt 600 Jahre vor dem bislang letzten Pokalfinale mit Bochumer Beteiligung.

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Sieben Wintertransfers

Transferanalyse: Viele gute Deals – doch Zweifel bleiben

Bei vielen Bundesligisten bestimmte zu Wochenbeginn die Hektik den Arbeitsalltag. Letzte Wintertransfers sollten und mussten noch finalisiert werden. Zahlreiche Vereine haben sich zum Abschluss der Transferperiode noch einmal verstärkt oder Spieler abgegeben. Beim VfL Bochum blieb es verhältnismäßig ruhig. Wobei die Verantwortlichen ebenfalls noch einen Transfer abgewickelt haben. Wie bereits berichtet, ist der VfL Problemprofi Lys Mousset doch noch losgeworden. Der Angreifer geht ab sofort für den französischen Zweitligisten Nimes Olympique auf Torejagd. Der Haken: Mousset wurde nur bis zum Saisonende verliehen und steht womöglich im Sommer wieder beim VfL auf der Matte. Mehr war zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht möglich. Das Thema ist vorerst vom Tisch.

Sieben Transfers in diesem Winter

Insgesamt kann der VfL mit seinen sieben Deals in 31 Tagen zufrieden sein. Jannes Horn, Tim Oermann, Tarsis Bonga und Lys Mousset hätten in der Rückrunde kaum oder gar nicht gespielt – ihre Abgänge waren sinnvoll für alle Parteien. Umgekehrt hat Manager Patrick Fabian die Kaderlücken in der Innenverteidigung sowie im Mittelfeld mit Keven Schlotterbeck und Pierre Kunde bereits Anfang Januar geschlossen. Sie sind bundesligaerfahren, körperlich fit, mental bereit und fußballerisch in der Lage, bei der Mission Klassenerhalt zu helfen. Dass Fabian diese Neuverpflichtungen früh eingefädelt hat, darf bei der Bewertung seiner ersten Transferperiode nicht zu kurz kommen. Nur weil es am Ende des Monats eher ruhig war, heißt das nicht, dass die Verantwortlichen untätig waren.

Im Gegenteil: Schlotterbeck und Kunde standen bereits zur Verfügung, als andere Klubs mit ihren Transferaktivitäten erst angefangen haben. Nachgelegt hat der VfL schließlich auch noch und mit Moritz Broschinski einen jungen, entwicklungsfähigen Angreifer verpflichtet. Weitere Wünsche hatte Trainer Thomas Letsch keine, er ist zufrieden. Der 54-Jährige verweist im Gespräch mit Tief im Westen – Das VfL-Magazin auch auf die Gruppendynamik. Wintertransfers seien generell nicht einfach, weil die Eingewöhnungszeit kurz ist. Allzu sehr dürfe man die Mannschaft also nicht durcheinanderwirbeln, reiner Transferaktionismus sei nur selten hilfreich. Was Letsch nicht sagt, aber ebenso weiß: Der Markt bietet im Winter oft nur wenige Möglichkeiten, sich wirklich adäquat zu verstärken.

Wirklich überall gut aufgestellt?

​Verzichtet hat der VfL Bochum somit auch auf die Verpflichtung eines neuen Rechtsverteidigers. Cristian Gamboa hatte sich kurz vor dem Bundesliga-Start das Außenband angerissen und soll deutlich später zurückkehren als zunächst vermutet. Frühestens im März wird er wieder auf dem Rasen stehen. Aus Sicht von Letsch sei der Kader aber stark genug, um den Ausfall des Stammspielers zu kompensieren. Diese Position lässt sich durchaus hinterfragen. Denn Saidy Janko, der auf der rechten Abwehrseite vorerst gesetzt ist, hat unverändert Mühe, sich in der Bundesliga zurückzufinden. Seine Zurückhaltung in der Zweikampfführung und sein fehlendes Gespür für den Verlauf von Spielsituationen waren in den ersten drei Partien des neuen Jahres kaum zu übersehen.

Weil Janko auch im Vorwärtsdrang bislang kaum überzeugen konnte, wäre Konstantinos Stafylidis – eigentlich ja Linksverteidiger – mit seiner konsequenten Herangehensweise vielleicht sogar die bessere Option. Dass er für den VfL generell und auch rechts hinten ein Gewinn sein kann, hat Stafylidis in der vergangenen Saison bereits bewiesen. Diesen Nachweis muss Silvere Ganvoula in der Bundesliga hingegen erst noch erbringen. Sollte Mittelstürmer Philipp Hofmann, der bislang beste Torschütze und Anker im Bochumer Angriffsspiel, einmal (länger) ausfallen, wäre der Nationalspieler aus dem Kongo vermutlich sein erster Ersatz. Doch ist Ganvoula wirklich gut genug für das Oberhaus? Bedenken und Zweifel dürften im Umfeld des Klubs sicher viele haben. Und dafür gibt es Gründe.

Keine Garantien im Angriff

Zuletzt in Mainz war Ganvoula nicht einmal im Kader, davor in Leverkusen nach seiner Einwechslung ziemlich wirkungslos. Sein letztes Tor in einem Pflichtspiel hat er im Mai 2021 erzielt. Vor allem seine technischen Mängel fallen in der Bundesliga auf; Tempo und Physis allein reichen nicht. Gleichwohl wachsen gute Mittelstürmer nicht auf Bäumen, erst recht nicht im Winter. Deshalb könnte die Lösung mit Moritz Broschinski eine mit Weitsicht sein. Mit ihm wollen Letsch und Fabian eine potenzielle Alternative für Philipp Hofmann selber formen. Das ist im Abstiegskampf nicht ohne Risiko, doch dass ein namhafter und sicher auch teurer Spieler die Lücke im Angriff garantiert geschlossen hätte, ist ebenso ein Trugschluss. Das hat die Geschichte um Lys Mousset einmal mehr bewiesen.

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(Foto: Firo Sportphoto)

Wechsel

Wechsel perfekt: VfL transferiert Mousset nach Frankreich

Zum Abschluss der Transferperiode meldet der VfL Bochum noch einen weiteren Abgang. Angreifer Lys Mousset geht in der Rückrunde für den französischen Zweitligisten Nimes Olympique auf Torejagd. Der 26-Jährige wechselt auf Leihbasis in sein Heimatland. Sein Vertrag beim VfL läuft noch bis Sommer 2024, gilt allerdings nur für die Bundesliga.

Mousset wurde vom VfL Bochum vor gut drei Wochen nach zahlreichen Verfehlungen suspendiert und vom Mannschaftstraining ausgeschlossen. Mousset war unter anderem zu spät zum Training gekommen und in einer körperlich nicht zufriedenstellenden Verfassung. Der erst im August 2022 verpflichtete Offensivspieler mit Premier-League-Erfahrung hat bislang kein einziges Pflichtspiel für den Revierklub absolviert. Die Verantwortlichen um Trainer Thomas Letsch und Geschäftsführer Patrick Fabian legten ihm deshalb einen Wechsel nahe.

Neben Mousset hat der VfL in diesem Winter auch Linksverteidiger Jannes Horn (1. FC Nürnberg) und Tim Oermann (Wolfsberger AC) auf Leihbasis abgegeben. Zudem hat Tarsis Bonga (Eintracht Braunschweig) den Verein verlassen. Demgegenüber stehen mit Keven Schlotterbeck, Pierre Kunde und Moritz Broschinski drei Neuzugänge.

2:5-Niederlage in Mainz

„Letzte Warnung“: Bochums überraschender Rückfall 

Unmittelbar nach Anpfiff schnappte sich VfL-Trainer Thomas Letsch eine Wollmütze gegen die Kälte. Hätte er da schon geahnt, wie sich das Spiel in den folgenden 90 Minuten entwickeln würde, hätte er sie am besten etwas tiefer über die Augen ziehen sollen, um das 2:5-Debakel in Mainz nicht mitansehen zu müssen. Denn das, was seine Mannschaft zum Rückrundenstart vor knapp 2.000 mitgereisten VfL-Fans zeigte, war ein Rückfall in längst überwunden geglaubte Zeiten. Sie war über weite Strecken der Partien klar unterlegen und leistete sich erschreckend viele Fehler.

Vorne wie hinten lange desolat

Die unterirdische Leistung in der ersten Hälfte zeichnete sich bereits 50 Sekunden nach Anpfiff ab. Aufmerksame Mainzer überrannten mühelos schläfrige Bochumer. „Wir haben zuletzt viel Leidenschaft und Intensität gezeigt. Heute war nichts davon zu sehen“, bemängelte Kapitän Anthony Losilla. Praktisch jeder Bochumer war an mindestens einem der drei Gegentreffer in der ersten Halbzeit beteiligt. Sie verteilten großzügig Geschenke. Spätestens mit dem vierten Einschlag nach gut einer Stunde schien der VfL auf ein Debakel zuzusteuern und wurde von den Mainzer Fans sogar verhöhnt, als der umtriebige Pierre Kunde und der eingewechselte Erhan Masovic den Anschluss herstellten. Doch die nächsten beiden Großchancen gingen knapp neben das Tor; eine wahrscheinlich historische Aufholjagd blieb aus.

Sie hätte den Spielverlauf trotz einer halbwegs ordentlichen zweiten Halbzeit auch zu sehr auf den Kopf gestellt. „Wir haben nie wirklich ins Spiel gefunden, waren oft zu weit weg und nicht schnell genug“, kritisierte Bochums Cheftrainer. Thomas Letsch hatte seine Startformation vor dem Spiel auf vier Positionen verändert, und zur Halbzeit vier weitere Male gewechselt. Die Rochade vor der Partie brachte der Mannschaft zwar keine zusätzliche Sicherheit, sie als Hauptursache für die Pleite auszumachen, würde allerdings zu kurz greifen. Zumal auch etablierte Stammspieler einen rabenschwarzen Tag erwischten; nicht nur in der Defensive, auch weiter vorn. Bis zur ersten Torchance vergingen fast 40 Minuten. Wirklich gefährlich wurden die Angriffsbemühungen des VfL erst in der Schlussphase.

Der missratene Rückrundenstart kann als „letzte Warnung“ verstanden werden, wie es Philipp Hofmann nach Abpfiff formulierte. Niederlagen gehören im Abstiegskampf dazu, doch einen derartigen Total-Aussetzer, zumal gegen ein Mittelklasse-Team, sollte sich der VfL in den kommenden Wochen möglichst nicht noch einmal erlauben. Zudem wird es nicht ausreichen, sich auf die bislang erfreuliche Heimbilanz zu verlassen – auch in der Fremde müssen Punkte her. Die Spieler wollen es nicht mehr hören, aber ihre Auswärtsbilanz bleibt mit neun Niederlagen nach zehn Partien besorgniserregend. Deshalb ist auch das Torverhältnis so schlecht. Es braucht kein Mathematikstudium, um zu verstehen, „dass wir darüber nicht in der Liga bleiben. Also müssen wir es über die Punkte regeln“, weiß Letsch.

Gegen Hoffenheim und Bayern

Die nächste Chance, das Konto zu füllen, besteht am kommenden Samstag gegen die seit acht Partien sieglose TSG Hoffenheim – zum Glück im eigenen Stadion. Und auswärts? Da geht es in zwei Wochen ausgerechnet zum übermächtigen FC Bayern. Die Bochumer Schlachtenbummler werden natürlich wieder dabei sein. Ihr Motto („Auch nach jeder Pleite gehen wir auf Reise“) war in Mainz sogar Teil einer Choreographie. Diese Treue ist angesichts der sportlichen Darbietungen nicht selbstverständlich. Und verdient endlich wieder eine Gegenleistung.

(Foto: Imago / Beautiful Sports)