Vor dem Saisonstart

Villis im Interview: Über Reis, Schindzielorz und Investitionen

Gesprächsthemen gibt es beim VfL Bochum derzeit reichlich: Die Vertragsverhandlungen mit Trainer Thomas Reis, den Abgang von Geschäftsführer Sebastian Schindzielorz, die Nachfolger-Suche oder Rekordeinnahmen auf dem Transfermarkt. Als Vorsitzender des Präsidiums ist Hans-Peter Villis in alle Angelegenheiten involviert. Zeit für ein ausführliches Interview…

Herr Villis, fallen wir direkt mit der Tür ins Haus: Wie stehen die Chancen, dass Thomas Reis über die neue Saison hinaus Cheftrainer des VfL Bochum bleibt?

Ich bin optimistisch, dass es klappt, aber Vollzug melden können wir noch nicht. Dass wir ihn langfristig an den Klub binden möchten, ist ein offenes Geheimnis. Die Gespräche mit ihm und seinem Berater laufen, die Verantwortung dafür liegt bei unserer Geschäftsführung. Wir als Präsidium haben dafür einen Rahmen gesetzt.

Ist es das Ziel, bis zum Saisonstart am 6. August Klarheit zu haben?

Im Idealfall schon. Aber wenn es länger dauert, ist das auch kein Problem, denn Thomas Reis hat ja noch einen gültigen Vertrag für die laufende Saison.

Glauben Sie, dass es jetzt eher noch vom Geld oder von anderen Faktoren abhängt, ob er verlängert oder nicht?

Spekulationen und Vermutungen wären unangebracht. Wir wissen, dass sich Thomas Reis bei uns sehr wohl fühlt. Das hat er immer betont.

Er hat aber auch schon öffentlich kundgetan, dass er sportliche Ambitionen hat. Was können Sie ihm perspektivisch bieten?

Der ganze VfL ist ambitioniert, sportlich wie auch in anderen Bereichen. Wir haben schon vor der jetzt anstehenden Saison das Budget für den Lizenzspielerkader signifikant erhöht. Und die Wachstumsstrategie soll weitergehen. Wir streben einen Jahresumsatz von mindestens 100 Millionen Euro an. Wir wollen uns von Jahr zu Jahr verbessern. Diese Pläne kennt Thomas Reis natürlich auch.

Einige Fans wundern sich darüber, warum die Gespräche offenbar erst jetzt richtig Fahrt aufgenommen haben. Hat Thomas Reis in der zurückliegenden Saison nicht schon frühzeitig Argumente geliefert, um eine Verlängerung anzustreben?

Erste Gespräche zwischen ihm und der Geschäftsführung gab es bereits in der zurückliegenden Saison. Die Verantwortung hierfür liegt in erster Linie bei Sebastian Schindzielorz, stets in enger Abstimmung mit Ilja Kaenzig. Ich habe mit Thomas Reis nach der Saison länger gesprochen. Negative Signale, dass er uns verlassen möchte, habe ich von ihm bislang keine erhalten.

Thomas Reis hat neulich der Bild-Zeitung gesagt, er würde gerne wissen, mit welchem Geschäftsführer Sport er in Zukunft zusammenarbeiten wird. Können Sie ihm das schon sagen?

Wir haben ihm ganz klar signalisiert, dass niemand kommen wird, der ganz andere Vorstellungen davon hat, wie wir Fußball spielen wollen. Darauf achten wir.

Wie groß war die Überraschung, als Ihnen Sebastian Schindzielorz mitgeteilt hat, dass er den Verein verlässt.

Ganz offen gesagt: Wirklich groß. Ich habe nicht damit gerechnet.

Ist sein Abgang der schmerzhafteste Verlust der vergangenen Jahre?

Er ist ein wesentlicher Mosaikstein, der herausbrechen wird, aber Erfolg ist und bleibt Teamarbeit bei uns. Insofern: Es ist ein herber Verlust, ja. Doch es geht weiter. Wir sind zum Beispiel sehr froh darüber, dass sein Geschäftsführer-Kollege Ilja Kaenzig bei uns bleibt.

Nach wie vor nebulös bleibt, warum Sebastian Schindzielorz den Verein überhaupt verlässt. Er sagte jüngst in der WAZ, es läge weder am Gehalt noch daran, dass ein anderer Bundesligist bei ihm vorstellig geworden sei – sondern „an den Prozessen“ beim VfL. Was meint er damit?

Das müssen Sie ihn am besten selber fragen. Wir haben ihm vor viereinhalb Jahren die Chance gegeben, den wichtigen Job anvertraut und waren an einer weiteren Zusammenarbeit interessiert.

Gab es zwischenmenschliche Probleme zwischen ihm und dem Präsidium?

Nein, zwischen ihm und mir sowieso nicht. Hier und da gehören Diskussionen dazu, die aber stets an der Sache orientiert geführt wurden. Die Wertschätzung ihm gegenüber war immer da.

Was hat er Ihnen denn gesagt, warum er gehen möchte?

Dass er nach reiflicher Überlegung zu dem Schluss gekommen sei, etwas anderes machen zu wollen. Er hat allerdings betont, dass er noch kein Angebot eines anderen Klubs vorliegen habe. Ich habe ihm gesagt, dass die Tür für ihn weiter offensteht, aber das ist jetzt schon eine Weile her und wir prüfen längst Alternativen, intern wie extern. Ich hoffe, dass wir relativ zeitnah zu einer Entscheidung kommen.

Sebastian Schindzielorz hat ja gekündigt, weil sich sein Vertrag sonst automatisch verlängert hätte. Haben Sie ihm überhaupt ein neues Vertragsangebot vorgelegt? Nach Informationen von Tief im Westen – Das VfL-Magazin war das nicht der Fall.

Wie schon gesagt: Wir waren an einer weiteren Zusammenarbeit interessiert. Zu Inhalten interner Vorgänge werden wir uns nicht öffentlich äußern.

Etwas skurril war ja auch, dass die Kollegen der SportBild die Kündigung zuerst öffentlich gemacht haben, nicht der Verein. Woran lag das?

Sebastian Schindzielorz hat mich natürlich erst mündlich und dann schriftlich informiert. Bis dahin konnten wir noch gar nichts kommunizieren.

Ist es nicht problematisch, dass jetzt jemand neue Spieler von einer Zukunft beim VfL Bochum überzeugen soll, der seine eigene Zukunft nicht mehr beim Klub sieht?

Überhaupt nicht. Er ist ein Vollprofi und Teil eines Teams. Alles ist längst besprochen, vom Budget bis zum Bedarf für die einzelnen Positionen. An den Verpflichtungen, die er schon getätigt hat, sieht man doch, dass er einen guten Job macht – und ihn bis zum Vertragsende auch weiter machen wird.

Wie wahrscheinlich ist es, dass der Nachfolger Patrick Fabian heißen wird?

An Hochrechnungen werden wir uns nicht beteiligen. Aber ich habe ja schon erwähnt, dass wir uns auch eine interne Lösung vorstellen können.

Wenn Patrick Fabian ihr Wunschkandidat wäre, hätten Sie die Angelegenheit doch schon längst finalisieren können.

Personalien erfordern in der Regel im Vorfeld sehr viele Gespräche, die geführt werden müssen. Das gilt für externe wie interne Personalentscheidungen. Wir lassen uns die notwendige Zeit, einen Schnellschuss wird es nicht geben.

Wie läuft denn die Suche nach externen Kandidaten? Sind Sie selber unterwegs oder wurde ein Headhunter beauftragt?

Wir haben Netzwerke, die wir nutzen.

Heißt: Sie gehen persönlich auf die Suche und sprechen Kandidaten direkt an?

Dazu werde ich mich öffentlich nicht äußern.  

Denken Sie auch über eine Doppel-Besetzung nach, sprich: Könnte es neben einem Geschäftsführer Sport zusätzlich einen Sportdirektor geben? Auf ein solches Modell setzen ja schon einige andere Klubs.

Darüber müssten wir vor allem mit dem neuen Geschäftsführer Sport sprechen, wie er sich die Struktur genau vorstellt.

Es gab in diesem Sommer weitere Abgangsmeldungen, vor allem auf die Mannschaft bezogen. Wie schwer wiegt der Verlust mehrerer Leistungsträger?

Dass wir in den Innenverteidigung zwei Eigengewächse mit großem Potenzial verloren haben, ist sicher bedauerlich, gehört aber zum Profi-Business. Dafür wurden wir finanziell ja auch angemessen entschädigt. Wir haben immer noch gute Spieler an Bord, oder haben neue dazugeholt.

Für Armel Bella Kotchap hat der VfL Bochum die mit Abstand größte Ablösesumme der Vereinsgeschichte erzielt. Gab es Überlegungen, das Angebot aus Southampton trotzdem nicht anzunehmen?

Es war ein sehr gutes Angebot. Das Gesamtpaket passte einfach. Wir haben vorher mit allen Führungskräften gesprochen, natürlich auch mit dem Trainer. Hinzu kam, dass auch der Spieler und sein beratendes Umfeld das Angebot annehmen wollten.

Was haben Sie mit dem Geld nun vor?

Wir sind durch Darlehensverträge verpflichtet, bei außerordentlichen Einnahmen auch außerordentlich zu tilgen. Dabei geht es um das Stadioncenter oder um die KfW-Kredite, die wir im Zuge der Corona-Pandemie aufgenommen haben. Kurzum: Die Einnahmen stehen nicht eins zu eins für neue Spieler zur Verfügung.

Wahrscheinlich wollen Sie auch Rücklagen bilden.

Wir sind vorsichtige Kaufleute. Heißt: Wir brauchen Reserven. Niemand weiß, wie genau sich die Corona-Pandemie fortentwickeln wird, um nur einen möglichen Fall zu nennen.

Aber wollen Sie gar nichts von den zusätzlichen Einnahmen investieren?

Doch, natürlich. Es gibt zum Beispiel weitere infrastrukturelle Maßnahmen im Nachwuchsbereich, die wir angehen wollen.

Wird auch Geld in Beine und nicht nur in Steine gesteckt?

Mit der Ankündigung, den Etat anzuheben, haben wir darauf bereits die Antwort geliefert. Auch das sind Investitionen, selbst wenn wir keine hohe Ablöse zahlen. Wir gehen mit jedem Transfer finanzielle Verpflichtungen ein. Genau da müssen wir aber auch einen möglichen Abstiegsfall immer berücksichtigen.

Der Lizenzspieleretat wurde von etwa 24 auf rund 30 Millionen Euro erhöht, allerdings schon vor den Transfereinnahmen. Wird es denn eine weitere Steigerung geben?

Stand jetzt: Nein. Aber wir haben noch Spielraum und Flexibilität für weitere Verpflichtungen.

Ist die Mannschaft in ihrer jetzigen Zusammensetzung denn gut auf die neue Saison vorbereitet?

Ja, denn sie hat sich im Laufe der Vorbereitung kontinuierlich entwickelt. Das hat man zum Beispiel im Trainingslager gesehen, ich war selbst vor Ort. Natürlich ist es schade, dass wir unter anderem verletzungsbedingt nicht alle Spieler aufs gleiche Niveau bringen konnten. Dennoch blicke ich optimistisch auf die Saison.

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(Foto: Imago / RHR-Foto)