Fußball ist verrückt und irgendwie auch anstrengend. Ende Mai lagen sich VfL-Fans, Trainer und Spieler in den Armen. Weniger als drei Monate später wird nach zwei Pflichtspielen schon so sehr geschimpft, als sei das Unterfangen, erneut den Klassenerhalt zu schaffen, zum Scheitern verurteilt. Als hätte der Trainer nie einen Plan gehabt und die Spieler kollektiv das Kicken verlernt. In der Sache ist das viel zu hart, das wissen hoffentlich alle. Berechtigt ist Kritik nach einem desolaten und leidenschaftslosen Saisonstart natürlich trotzdem.
Umstrittene Umstellung
Doch warum wirkt die Mannschaft so gehemmt? Liegt es an der neuen Grundordnung? Die Frage treibt Fußball-Bochum um, wenn man in die sozialen Netzwerke schaut oder persönlich mit VfL-Anhängern spricht. Der Tenor: Die Dreierkette liegt der Mannschaft nicht. Aber ist das wirklich so? Eine Grundordnung generell zu verteufeln, auf die die halbe Liga setzt, führt in der Analyse zu kurz. In Stuttgart fiel das erste und dritte Gegentor nach einem Einwurf, das zweite nach einer Ecke. Der VfL verteidigte zu passiv. Mit dem System hatte das wenig zu tun.
Fakt ist dennoch: Immer dann, wenn Thomas Letsch bereits zu Spielbeginn die Dreierkette auspackt (und damit nicht nur die Defensivstruktur ändert), hat der VfL sang- und klanglos verloren. Jetzt in Stuttgart, im Februar in Bremen, bei seinem Amtsantritt in Leipzig. Hinzu kommt das Pokal-Aus in Bielefeld. Diese Auffälligkeit lässt sich nicht leugnen, die Frage ist nur: Besteht eine Kausalität? Im Grunde gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder hält sich die Mannschaft nicht an den Plan des Trainers, oder der Plan ist nicht geeignet für sie.
Letsch will zu viel auf einmal
Die erschreckende Passivität ist womöglich die Folge einer Verunsicherung und fehlender Automatismen. Letsch missachtet seine eigenen Grundprinzipien: Die stärksten Spieler auf den stärksten Positionen einzusetzen und das zur Mannschaft passende System auszuwählen. Er macht einen ähnlichen Fehler wie zu Beginn seiner Amtszeit. Er will zu viel auf einmal verändern und nimmt dabei zu wenig Rücksicht auf die Stärken und Schwächen der Spieler, die mit der komplexen taktischen Marschroute und dem fluiden System überfordert scheinen.
Deshalb erinnerte der Auftritt in Stuttgart insbesondere an den in Leipzig vor knapp zehn Monaten. Etliche Spieler wirkten desorientiert und wurden ihrer Stärken beraubt, vor allem Leistungsträger der vergangenen Saison. Aber auch die Neuzugänge überzeugten nicht. Dass Letsch nach einem Jahr mit 72 Gegentoren neue Ansätze sucht, ist verständlich wie notwendig. Vielleicht war die Einfachheit und Vorhersehbarkeit aber auch Bochums große Stärke. Nicht nur die Gegner konnten sich darauf einstellen, auch die eigenen Spieler.
Gespräche mit der Mannschaft
Letsch muss der Sache ergebnisoffen auf den Grund gehen. Der Ansatz, den er nach dem Schlusspfiff in Stuttgart präsentiert hat, ist der richtige: Er wolle gemeinsam mit der Mannschaft nach Lösungen suchen. Bislang hat der 54-Jährige nach Rückschlägen immer bewiesen, dass er die richtigen Antworten findet und nicht stur ist. Wenn die Auftakt-Blamage in Stuttgart ein ähnliches Erweckungserlebnis war wie seinerzeit die Niederlage in Leipzig, würde sich auch das aufgebrachte Umfeld wieder beruhigen. Noch ist es früh genug.
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