Stadt und Verein

Wird das Ruhrstadion umgebaut? Das sind die Fakten

Wer an Tickets für die Heimspiele des VfL Bochum kommen möchte, braucht zum Verkaufsstart schnelle Finger und starke Nerven. Das Kontingent an Tageskarten ist überschaubar, die Nachfrage deutlich größer als das Angebot. Dauerkarten sind längst vergriffen. Seitdem der VfL in die Bundesliga zurückgekehrt ist, meldet der Klub fast immer ein ausverkauftes Stadion. 26.000 Zuschauer passen hinein – nur Union Berlin, Darmstadt und Heidenheim haben in der Bundesliga noch weniger Platz. Doch die Alte Försterei soll ausgebaut werden. Das Ruhrstadion etwa auch? Hinter den Kulissen wird schon länger über die Stadionfrage gesprochen, in Fankreisen spätestens seit dieser Woche.

Erst hat die WAZ in einer Video-Talkreihe über die Notwendigkeit einer modernen Spielstätte diskutiert, dann legte die BILD nach. „Pläne enthüllt: Bochum schraubt an spektakulärer Stadion-Revolution“, titelte das Boulevardblatt am Dienstag. Der Haken: Die vorgestellten Pläne sind weder aktuell noch in dieser Form umsetzbar. „Der […] entstandene Eindruck, es gäbe bereits manifeste und finale Pläne plus Maßnahmen zum Umbau des Vonovia Ruhrstadion, ist falsch“, teilte die Stadt als Eigentümerin am Mittwoch mit. In Hintergrundgesprächen, die Tief im Westen – Das VfL-Magazin bereits in den zurückliegenden Wochen und Monaten geführt hat, haben Insider diese Darstellung bestätigt.

Bestandsschutz fürs Ruhrstadion

Richtig und für die Öffentlichkeit neu ist lediglich, dass eine Machbarkeitsstudie aus dem Jahr 2021 existiert, die sich mit mindestens zwei Stadionmodellen beschäftigt hat. Allerdings wird nach jetzigem Stand keine Variante davon umgesetzt. Denn am aktuellen Stadionstandort gilt der Bestandsschutz. Maßnahmen zum Erhalt der Immobilie sind erlaubt, größere Umbaumaßnahmen nach Auskunft von städtischen Vertretern hingegen nicht. Sollte es keine Hintertür geben, über die zur Stunde noch niemand spricht, wird es also weder zum Ausbau zweier Tribünen kommen noch zur Verschiebung des Stadions in Richtung Nordosten – beide Modelle hatte die BILD in ihrem Artikel skizziert.

Das Dilemma: Einerseits benötigt der VfL mehr Platz für seine Fans und Sponsoren, andererseits möchte er den einzigartigen und überaus beliebten Standort an der Castroper Straße nicht aufgeben. Dort werden bereits seit 1911 Fußballspiele ausgetragen, seit 1979 im heutigen Ruhrstadion. Ein Neubau auf der grünen Wiese ist nicht gewünscht – aber vielleicht die einzige Alternative? Zumal es abseits von baurechtlichen Fragen am aktuellen Standort noch ganz andere Hürden gibt: Wie soll das Stadion überhaupt erweitert werden? Hinter der Westtribüne stehen Wohnhäuser, hinter der Nordttribüne befindet sich das Stadioncenter und hinter der Südtribüne verläuft die Castroper Straße.  

Verein und Stadt zurückhaltend

Vereinsvertreter wollten sich auf Anfrage nicht zu dem Thema äußern. Die Stadt sei Eigentümerin des Stadions und deshalb für alle Fragen zuständig. „Verein und Stadt stehen seit langem in intensivem Austausch und wissen um die Notwendigkeit der Weiterentwicklung des Stadions“, heißt es dazu aus dem Rathaus. Die Stadt ist bestrebt, das Thema in der Öffentlichkeit möglichst kleinzuhalten, vermutlich auch aus Kostengründen. Denn noch ist unklar, wie sich ein Aus-, Um- oder Neubau überhaupt finanzieren ließe, insbesondere in einer Zeit, in der die Baukosten so hoch sind wie noch nie. Eine mittlere zweistellige Millionensumme wäre mindestens fällig, ein Neubau deutlich teurer.

Geld, das die Stadt eigentlich nicht hat. Die Haushaltssituation ist wenig komfortabel, der Investitionsstau in vielen Bereichen – von den Straßen bis zu den Schulen – im Stadtbild immer noch deutlich sichtbar. Zur Einordnung: Im Zeitraum von 2023 bis 2027 stellt die Stadt eine Gesamtinvestitionssumme von 99 Millionen Euro für alle Bochumer Sportstätten bereit. Dass der VfL einen Großteil der Kosten für ein zeitgemäßes Stadion übernimmt, ist so gut wie ausgeschlossen. Obligatorisch wäre allerdings eine deutliche Erhöhung der Miete. Diese Kosten aber sollten durch deutliche Mehreinnahmen in einer modernen Spielstätte problemlos kompensiert werden können.

VfL sieht Wettbewerbsnachteil

Auf bis zu zehn Millionen Euro pro Jahr könnten sich die zusätzlichen Einnahmen belaufen, sagen Branchenkenner, natürlich abhängig von der Ligazugehörigkeit und der Stadiongröße. Zurzeit fehlen dem Bundesligisten neben weiteren Steh- und Sitzplätzen insbesondere VIP-Räume. Aktuell kann der VfL rund 1.300 VIP-Karten anbieten; wünschenswert wären etwa doppelt so viele, vor allem durch zusätzliche Logen. Vor dieser Saison musste der VfL zahlungskräftige Interessenten bereits enttäuschen und somit auf wichtige Einnahmen verzichten. Liga-Konkurrenten wie Mainz, Freiburg oder Augsburg haben moderne Arenen und damit kein Problem. Selbst viele Zweitligisten haben mehr Platz.

Die Befürchtung ist, dass der VfL mit seinem jetzigen Stadion auf Dauer nicht mehr konkurrenzfähig bliebe. Schon jetzt kommt der Klub an Grenzen und gefährdet damit seine Entwicklung, auch sportlich. Über die ideale Kapazität wird noch zu diskutieren sein, ebenso wie über weitere Knackpunkte, darunter die Grundsatzfrage: Ist ein Umbau möglich oder nicht? Je nach Antwort ergeben sich neue Aspekte. Immerhin kommt nun Bewegung in die Sache. Das dürfte dem VfL grundsätzlich in die Karten spielen. Der öffentliche Druck wächst, was politische Prozesse gemeinhin beschleunigt. Die WAZ berichtet, dass es Ende November zu einem „Spitzentreffen“ von Vertretern der Stadt und des VfL kommen soll.


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(Foto: Marc Niemeyer)