Personalien

Keine Experimente: Kaenzig sucht Trainer und Sportchef

Viel Schlaf wird Ilja Kaenzig in diesen Tagen und Wochen nicht bekommen. Der alleinige Geschäftsführer des VfL Bochum wurde vom Präsidium mit der Suche nach einem neuen Trainer und einem neuen Sportdirektor beauftragt. Mit einer schnellen Antwort in den nächsten Tagen ist eher nicht zu rechnen. Womöglich wird es auch noch wenige Wochen dauern, bis beide Personalien geklärt sind, zumal nicht bekannt ist, ob im Hintergrund für den Fall der Fälle entsprechende Vorarbeit geleistet wurde. Wobei die interne Vorgabe lautet: Tempo, Tempo, Tempo!

Im Idealfall wird Kaenzig zunächst einen Sportchef vorstellen und erst im Anschluss, gemeinsam mit dem neuen Mann, einen Trainer. Doch die Suche laufe derzeit parallel, erklärte Kaenzig in einer Medienrunde am Donnerstag. Es kann also sein, dass erst der Trainer vorgestellt wird und dann der neue Sportchef. Ohnehin ist noch vieles unklar, nicht nur die Reihenfolge. Kaenzig und das Präsidium haben die Stellen- und Anforderungsprofile bislang nur grob umrissen, zumindest gegenüber der Öffentlichkeit. Intern habe man sich in beiden Fällen auf fünf Kernpunkte verständigt.

Bundesliga-Erfahrung könnte ein Kriterium sein, nachdem Thomas Letsch und Peter Zeidler im Grunde Quereinsteiger waren. Urs Fischer und Andre Breitenreiter werden von den Fans und Medien am häufigsten genannt und wurden in der Vergangenheit bereits kontaktiert. Angesichts der sportliche Lage und der wirtschaftlichen Situation muss der VfL aber mit Absagen rechnen. Namen wie Markus Gisdol oder Torsten Lieberknecht wären ebenfalls naheliegend und auch logisch, konkrete Anzeichen für Gespräche gibt aber noch keine. Auch ein Blick ins angrenzende Ausland wäre denkbar.

Gründe für den Doppel-Rauswurf

Klar ist: Speziell auf dem Trainerstuhl soll es „kein Experiment“ mehr geben, bekräftigte Kaenzig. Gesucht werde ein Trainer, der „taktisch flexibel“ ist und, etwas salopp formuliert, „aus den Zutaten etwas Leckeres kocht“. Thomas Letsch und Peter Zeidler hätten zu sehr ihre eigenen Vorstellungen durchdrücken wollen. „Das einfachste Gericht hat zuletzt Thomas Reis gekocht“, vervollständigte Kaenzig seinen Gedanken. „Von diesem Weg sind wir zuletzt abgekommen.“ Kaenzig nahm sich dabei selbst in die Mitverantwortung. Als Geschäftsführer liegt das letzte Wort bei ihm.

In der Causa Zeidler habe auch er sich „irgendwann eingestehen müssen, dass es nicht mehr funktioniert.“ Kaenzig kannte Zeidler bereits aus einer gemeinsamen Zeit in Sochaux. Der Vorschlag ging aber noch von Ex-Geschäftsführer Patrick Fabian aus. Sportdirektor Marc Lettau unterstützte diese Idee, wie auch eine Mehrheit innerhalb des Präsidiums. Das Zögern bei der Beurlaubung erklärte Kaenzig damit, dass es um „viel Vereinsvermögen“ gegangen sei. Zeidler wird bis zum Vertragsende Mitte 2026 noch schätzungsweise 1,5 Millionen Euro ohne Gegenleistung erhalten.

Marc Lettau wiederum wird in der Zeit seiner Beurlaubung weitaus weniger Geld kassieren. Nach Informationen von Tief im Westen – Das VfL-Magazin soll es sich um eine niedrige sechsstellige Summe handeln. Lettaus Freistellung erfolgte zusammen mit der von Peter Zeidler. „Es wäre inkonsequent, nur dem Trainer die Schuld zu geben“, erklärte Kaenzig den Doppel-Rauswurf. Der Kader sei gemeinschaftlich geplant worden. „Ein guter Spieler ist nicht unbedingt ein guter Transfer“, sagte Kaenzig. Soll heißen: Neuzugänge und der bestehende Kader müssten auch gut zusammen passen.

Bescheidenheit als Auswahlkriterium

Neben der Kaderplanung, auf die der neue Sportchef mangels Geld in der laufenden Saison fast oder gar keinen Einfluss mehr nehmen kann, spielen bei der Personalsuche auch noch andere Kriterien eine Rolle. Vor allem das Präsidium wünscht sich eine bessere Personalführung und auch eine andere Kommunikation, sowohl intern als auch in der Außendarstellung. Von Vorteil wäre zudem eine Vergangenheit als Fußballprofi; Lettau hatte diese nicht. Kaenzig nannte zudem ein weiteres Kriterium: Bescheidenheit. Der neue Mann müsse die begrenzten Möglichkeiten akzeptieren.

Einen eigenen Mitarbeiterstab wird folglich niemand mitbringen dürfen. Die finanziellen Möglichkeiten sind eingeschränkt und lassen sich sogar auf die Gehälter der VfL-Manager übertragen. Marc Lettau, für den der Job beim VfL ein Karrieresprung war, soll im Bundesliga-Vergleich mit einem äußerst geringen Salär abgespeist worden sein. Auch Patrick Fabian und Sebastian Schindzielorz haben als Berufseinsteiger eher wenig verdient, obwohl sie sogar Geschäftsführer waren. Selbst viele Reservespieler haben zuletzt ein höheres Gehalt bezogen als der Sportdirektor.

Das lässt durchaus an der richtigen Prioritätensetzung zweifeln; schließlich ist der Mann für die Kaderplanung einer der wichtigsten Akteure im Klub. Eine erfahrene Führungspersönlichkeit mit einem guten Netzwerk, mit einem souveränen Auftreten und einem guten Draht zur Mannschaft, womöglich noch mit einer Bochumer Vergangenheit, wäre zu den Konditionen der Vergangenheit jedenfalls nicht zu bekommen. Bekannte Namen wie der Ex-HSV-Manager Jonas Boldt oder Alexander Rosen, der langjährige Sportchef der TSG Hoffenheim, liegen also weit außerhalb der Reichweite.

Viele Kandidaten, keine heiße Spur

Gleiches gilt vermutlich auch für Sportdirektoren von aufstrebenden Zweitligisten wie dem SC Paderborn, der in der vergangenen Jahren gleich mehrere Senkrenkstarter der Szene hervorgebracht hat. Der VfL wird folglich eher in die zweite Reihe anderer Klubs schauen müssen. Der Name Claus Costa, ein Ex-Bochumer im Management des HSV, fiel bereits, heiß ist die Spur aktuell aber nicht; ebenso wie die zu Marcel Klos vom Genua CFC, der medial häufiger genant wurde. Potenzielle Kandidaten dieser Kategorie gibt es jedoch zuhauf, ebenso wie vereinslose Sportdirektoren.

Die bekanntesten dürften Benjamin Schmedes aus Arnheim und Osnabrück und der erst vor wenigen Tagen in Fürth beurlaubte Rachid Azzouzi sein. Zudem sind beim VfL dutzende Initiativbewerbungen von spannenden und weniger interessanten Kandidaten eingegangen. Berücksichtigt man die Tatsache, dass die Verantwortlichen am Donnerstag angedeutet haben, dass aus dem Sportdirektor auch wieder ein Geschäftsführer Sport werden könnte, sind sogar erfahrene Manager der Kategorie Dieter Hecking oder Peter Knäbel keineswegs ausgeschlossen.

Ziel ist es in jedem Fall, einen Sportchef zu finden, der deutlich länger an Bord bleibt, nachdem Sebastian Schindzielorz im Sommer 2022 mangels Vertrauen selbst das Handtuch warf und kurze Zeit zum VfL Wolfsburg wechselte, Patrick Fabian im Mai 2024 zugleich gehen wollte und musste, und nun auch Marc Lettau geschasst wurde. Nicht nur aus finanziellen, auch aus sportlichen Gründen darf sich der Tabellenletzte aus Bochum bei der Personalauswahl keinen Fehler mehr erlauben. Dafür wird Ilja Kaenzig sicher gerne ein paar schlaflose Nächte in Kauf nehmen.


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(Foto: Marc Niemeyer)