Umgang mit Ehemaligen

Applaus oder Pfiffe: Nicht jeder Ex-Bochumer wird gefeiert

Gibt es einen Fußballgott? Die Fans von Union Berlin würden antworten: Nein, es gibt nicht nur einen, sondern ganz viele. Ob Keven Schlotterbeck, Dominique Heintz oder Marc Lettau – sie alle wurden am vergangenen Sonntag beim Gastspiel des VfL überaus freundlich in der Alten Försterei begrüßt. Schlotterbeck trug in der Saison 2019/20 das Trikot der Eisernen. Heintz wechselte im Winter 2022 nach Köpenick, acht Monate später wurde er nach Bochum verliehen. Lettau war vier Jahre Assistent von Manager Oliver Ruhnert. Als der Stadionsprecher vor dem Spiel ihre Namen verlas, gab es einen warmen, unüberhörbaren Applaus. Das war bei der Behandlungspause von Schlotterbeck und Einwechslung von Heintz nicht anders.

Im Berliner Stadtbezirk Köpenick ist das eine Selbstverständlichkeit und hat sich längst zum weichen Standortfaktor entwickelt. Wer dort das Trikot trägt, wird zum „Fußballgott“ ernannt. Und diesen Status verliert er auch nicht mehr. Selbst dann nicht, wenn die Verbindung zwischen Spieler und Fans auf eine harte Probe gestellt wird. Sebastian Polter zum Beispiel hatte sich besonders in die Herzen der Berliner Anhänger gespielt. Als er zu Beginn der Corona-Pandemie einen Gehaltsverzicht nicht mittragen wollte, gab es Knatsch zwischen ihm und den Bossen – wenige Monate später folgte die Trennung. Trotzdem wurde Polter zwei Jahre später, als er mit dem VfL in die Alte Försterei zurückgekehrt war, feierlich begrüßt. Vom Verein wie von den Fans.

Applaus für Leitsch, Pfiffe gegen Pantovic

In Bochum ist dagegen selten klar, was Ehemalige bei ihrer Rückkehr ins Ruhrstadion erwartet. In dieser Saison wurde der Kontrast besonders deutlich: Als Maxim Leitsch im August mit Mainz 05 zu Gast war, wurde das Bochumer Eigengewächs mit Applaus bedacht. Zwei Monate später hingegen, als Milos Pantovic im Trikot von Union Berlin an die Castroper Straße zurückkam, gab es Pfiffe. Das verwundert, denn: Sowohl Leitsch als auch Pantovic waren fester Bestandteil der Aufstiegsmannschaft und maßgeblich am Klassenerhalt in der Bundesliga beteiligt. Beide haben stets mit offenen Karten gespielt und einen möglichen Wechsel frühzeitig angedeutet – und doch fiel der Empfang ganz unterschiedlich aus. Rational erklärbar ist das nicht.

Lediglich bei Sebastian Polter im Hinspiel gegen Schalke und bei Ex-Trainer Thomas Reis im Rückspiel war schon im Vorfeld mit Unruhe zu rechnen. Und die Verärgerung zumindest in der Sache nachvollziehbar. Beide hatten sich im Frühling des vergangenen Jahres noch mit einprägsamen Worten zum VfL bekannt. Dass sie nur kurze Zeit später ausgerechnet mit Schalke 04 verhandelt haben, verstanden in Bochum nur wenige. Weitere Aussagen, als sie bereits beim Reviernachbarn unter Vertrag standen, brachten viele VfL-Fans endgültig auf die Palme. Die Folge: Zum Teil wüste Beschimpfungen. Reis musste sogar von Sicherheitskräften geschützt werden, der Abschnitt zwischen Mittellinie und Ostkurve wurde für ihn zur Tabu-Zone.

Schindzielorz-Rückkehr nach Bochum

Das wird bei der Rückkehr von Sebastian Schindzielorz zum Glück nicht notwendig sein. Trotzdem ist ungewiss, wie der Sportdirektor des VfL Wolfsburg an diesem Samstag empfangen wird. Als Jugendspieler und Fußballprofi hat Schindzielorz insgesamt 15 Jahre beim VfL verbracht. Später kehrte er als Chefscout zurück und stieg 2018 zum Sport-Geschäftsführer auf, bevor er den Verein im August 2022 auf eigenen Wunsch verließ. Nur wenige Wochen nach seinem letzten Arbeitstag in Bochum unterzeichnete der 44-Jährige einen neuen Vertrag in Wolfsburg. Der Unterschied: Im Gegensatz zu Reis hat sich Schindzielorz in der Öffentlichkeit stets zurückgehalten, nicht mehr gesagt als nötig und sich dem Klub gegenüber loyal verhalten.

Das Positive überwiegt also, sportlich ohnehin. Schindzielorz baute mit bescheidenen Mitteln den Kader, der den VfL nach elf Jahren zurück in die Bundesliga führte, den Klassenerhalt schaffte und auch in dieser Saison gut im Rennen liegt. All das, sollte man annehmen, haben die Fans in Bochum nicht vergessen und bedanken sich. Sicher ist das allerdings nicht. Einige Anhänger sind unzufrieden mit seinen letzten Transfers, andere sehen hinter dem Wechsel nach Wolfsburg ein abgekartetes Spiel. Sie behaupten, dass Schindzielorz schon zum Zeitpunkt seiner Kündigung gewusst habe, dass er in die Autostadt geht, obwohl es dafür bis heute keine Belege gibt. Wie auch immer: Applaus, Pfiffe oder Gleichgültigkeit – alles scheint möglich.

Ehemaligenmanagement beim VfL

Dabei hat zumindest der Verein längst erkannt, wie wichtig es ist, die Beziehung zu seinen früheren Angestellten zu pflegen. Von Ilja Kaenzig und Schindzielorz noch selbst angeschoben, hat der VfL eine Strategie entwickelt, wie er Ex-Bochumer nach ihrer Karriere wieder in das Vereinsleben integrieren kann – das sogenannte Ehemaligenmanagement ist entstanden. Der Fanbeauftragte Dirk Michalowski und Mitarbeiter Stefan Folke haben dafür mehr als 600 Kontakte zu Spielern und früheren Mitarbeitern gesammelt. Immer wieder gibt es Treffen der Ehemaligen. Das Ziel: Sie sollen Botschafter des Klubs sein und immer gerne nach Bochum zurückkommen. Es muss ja nicht jeder gleich zum Fußballgott ernannt werden.


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(Foto: Imago / Defodi)