Sein Wechsel war absehbar. Vor einigen Jahren galt Görkem Saglam noch als größtes Talent des Vereins. Schon seit der F-Jugend wurde er beim VfL Bochum ausgebildet. Die Verbundenheit war groß, der Ehrgeiz, den Durchbruch bei den Profis zu schaffen, ebenso. Doch gereicht hat es nicht. Saglam und der VfL gehen ab sofort getrennte Wege. Der Mittelfeldspieler, der immerhin auf 30 Zweitligaeinsätze kommt, hat am Montag beim niederländischen Erstligisten Willem II Tilburg unterschrieben.
Kaum Spielpraxis
Für den Moment schmerzt sein Abgang wohl kaum. Nicht erst seit der Verpflichtung von Robert Zulj gibt es im Zentrum ein personelles Überangebot. „Görkem hat in dieser Saison noch keine Einsatzzeit erhalten und ist daher mit seinem Wechselwunsch auf uns zugekommen“, erklärt Manager Sebastian Schindzielorz den Transfer, denn: „Sein Vertrag wäre im Sommer ausgelaufen und so haben wir eine für alle Seiten zufriedenstellende Lösung gefunden.“ Dabei ist der 21-Jährige nicht das erste Bochumer Eigengewächs, das mangels Perspektive die Biege macht. Sind die Talente etwa nicht gut genug? Oder erkennt der VfL ihre Qualitäten nicht?
Die Wahrheit liegt wohl irgendwo in der Mitte. Denn selbst hochgelobte Nachwuchsspieler – wie zum Beispiel Tom Baack oder Gökhan Gül – haben trotz eines Vereinswechsels bislang nicht den Durchbruch geschafft. Sie gehören bei Ligakonkurrenten des VfL nur zum Ersatzpersonal. Auffällig ist allerdings, dass sie ihrem Ausbildungsklub im Seniorenbereich recht früh den Rücken gekehrt haben. Ein möglicher Grund: Eine fehlende U23. Der Unterbau wurde im Jahr 2015 aus Kostengründen abgeschafft – seinerzeit eine nachvollziehbare Entscheidung. Doch wer bei den Profis des VfL nicht zum Einsatz kommt, hat keine Chance mehr, Spielpraxis zu erhalten.
Für die These, dass einigen Nachwuchsspielern schlicht das Potenzial fehlt, gibt es derzeit weitere Beispiele. Jan Wellers und Maxwell Gyamfi, die vor der Saison einen Profivertrag erhalten haben, dürfen im Winter schon wieder gehen. Beide haben zuletzt ein Probetraining absolviert – Wellers in der Regionalliga, Gyamfi in Bulgarien. Zu einem Vertragsabschluss kam es nicht. Immerhin ist Baris Ekincier bereits im Juli auf Leihbasis gewechselt. Er kickt für Austria Klagenfurt in der zweiten Liga Österreichs. Die magere Zwischenbilanz: Acht Kurzeinsätze. Dass der Offensivspieler dem VfL eines Tages helfen kann, darf zumindest bezweifelt werden.
Bochumer Hoffnungsträger
Nimmt man die letzten fünf Jahre – also seit der Abschaffung der U23 – ist die Ausbildungsbilanz des oft hochgelobten Bochumer Talentwerks nicht mehr herausragend. Mit Armel Bella Kotchap und Maxim Leitsch sind in dieser Zeit lediglich zwei Spieler der eigenen Jugend entwachsen, die bei den Profis überhaupt eine Rolle spielen. Perspektivisch könnten auch Moritz Römling, Paul Grave oder Lars Holtkamp hinzukommen – sicher ist das aber nicht. Was sich der VfL jedenfalls nicht mehr erlauben kann, sind Fehlentscheidungen wie diese: Atakan Karazor, bis 2015 A-Junior in Bochum und jetzt Stammspieler beim VfB Stuttgart, wurde nicht einmal ein Profivertrag angeboten.
Auch die Trennung von Evangelos Pavlidis dürfte mittlerweile schmerzen. In Tilburg hat sich der Angreifer in nur wenigen Monaten zum griechischen Nationalspieler entwickelt, ist drittbester Torschütze der niederländischen Eredivisie und hat seinen Marktwert längst vervielfacht. Den VfL durfte er für mickrige 250.000 Euro verlassen, weil diese Kaufoption so im Vertrag stand. Saglam durfte nun ablösefrei gehen, doch bei einem weiteren Verkauf klingelt die Kasse. Ob er allerdings den gleichen Weg gehen wird wie Pavlidis, bleibt offen. Immerhin spielen sie jetzt wieder beim selben Verein.
(Foto: Imago / Laci Perenyi)