Diskussion

Riemann nicht mehr unantastbar – bleibt aber im Tor des VfL

Solange Manuel Riemann für den VfL Bochum spielt, wird er polarisieren. Das ist keine neue Erkenntnis, doch der Vize-Kapitän steht in dieser Woche mal wieder besonders im Fokus. Denn in Fankreisen wird intensiv über einen möglichen Torwartwechsel diskutiert, nachdem Riemann mit einem Patzer die Derbyniederlage gegen Schalke eingeleitet hat. Unklar ist allerdings, wie Trainer Thomas Letsch darüber denkt. Der Trainer lässt sich vor dem Auswärtsspiel in Köln am Freitag (noch) nicht in die Karten schauen. Der Fußballlehrer kündigte zwar generell an, alles auf den Prüfstand stellen zu wollen – was den Schlussmann logischerweise miteinschließen sollte. Konkreter wurde er bislang aber noch nicht.

Auch wenn Riemann schon länger nicht nur Freunde hat: Dass überhaupt in dieser Saison über einen Torwartwechsel diskutiert wird, kommt durchaus überraschend. Noch im Sommer wurde er von den Fans zum Spieler der abgelaufenen Saison gewählt und für seine Leistungen gefeiert. Der heute 34-Jährige hatte einen maßgeblichen Anteil am Klassenerhalt. In dieser Spielzeit hingegen schwächelt der ehrgeizige Torwart. Zwar begeistert Riemann immer noch mit wichtigen Paraden und seinen fußballerischen Qualitäten, doch häufiger als vorher greift er daneben oder überschätzt seine Fähigkeiten mit dem Ball am Fuß. Und wenn Torhüter patzen, hat das meist direkte Folgen.

Übermut und fehlendes Vertrauen

Der Weg zum Sündenbock ist also nicht weit, das wird auch Riemann wissen. Bei ihm entsteht jedoch der Eindruck, dass er – wenn er gepatzt hat – schnell die Ruhe verliert. Das fiel auch gegen Schalke auf. Nachdem Riemann an einer Flanke vorbeigesegelt war, wollte er seinen Fehler unbedingt selbst wiedergutmachen und ignorierte dabei seinen besser postierten Mitspieler. Die Folge: Ein vermeidbares Eigentor. Womöglich ist Übermut generell die Ursache für Riemanns Formtief. Denn immer wieder fällt auf, dass er seinen Zuständigkeitsbereich fast beliebig erweitert. Als mitspielender Torwart genießt er viele Freiheiten, mitunter übertreibt er es aber – etwa im Pokal gegen Dortmund.

Wer sollte das Tor des VfL Bochum hüten?

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Nicht nur da wurde deutlich: Großes Zutrauen in die Fähigkeiten seiner Mitspieler scheint Riemann nicht zu haben. Er übernimmt zwar Verantwortung, mischt er sich aber in praktisch jede Angelegenheit ein – notfalls verbal. Das ist beim VfL einerseits erwünscht, denn die Mannschaft sei insgesamt zu leise, sagt Thomas Letsch. Doch andererseits Riemann überschreitet regelmäßig Grenzen. Bestes Beispiel: Beim Auswärtsspiel in München diskutierte Riemann während des Spiels so intensiv mit Ivan Ordets, dass der Abwehrspieler irgendwann signalisierte: Schluss jetzt. Hinzu kommt, dass sich Riemann selbst nach eigenen Fehlern nicht zurückhält und mit seinen Teamkollegen schimpft.

Ersatzmann Esser ohne Spielpraxis

Ein Torwartwechsel könnte also insgesamt für mehr Ruhe sorgen. Zumal der VfL über eine bundesligataugliche Alternative verfügt. Michael Esser, die etatmäßige Nummer zwei, ist sehr erfahren und genießt in der Mannschaft ein hohes Ansehen. Er ist deutlich gelassener als Riemann, aber keineswegs still. Esser hat Riemann schon in der vergangenen Saison viermal souverän vertreten – allerdings nie über einen längeren Zeitraum und stets in dem Wissen, wieder auf die Bank zurückzukehren. Nun fehlt dem 35-Jährigen vor allem Spielpraxis. Seit Mai 2022 kam er nicht mehr zum Einsatz. Wegen einer Verletzung hat Esser in diesem Jahr auch noch kein Testspiel bestritten.  

Generell würde ein Personalwechsel zwischen den Pfosten einiges verändern, auch im Spielaufbau. Esser ist fußballerisch bei weitem nicht so gut ausgebildet wie Riemann. Darin kann aber auch eine Chance liegen. Riemanns Abschläge sind ligaweit bekannt, die Gegner haben sich immer besser darauf eingestellt; der VfL müsste neue Ideen entwickeln. Die größte Herausforderung wäre allerdings eine andere: Letsch müsste der seit Jahren fast unantastbaren Nummer eins beibringen, nur noch Zuschauer zu sein und nicht mehr direkt eingreifen zu können. Eine Entscheidung dieser Art kann sich schnell zum Politikum entwickeln – und ist den Gesetzen der Branchen folgend kaum revidierbar.

UPDATE nach der Pressekonferenz am Donnerstag:

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(Foto: Firo Sportphoto)