Viele Abgänge

Oermann nach Leverkusen? VfL vor großem Kader-Umbau

Schon bei seinem Amtsantritt Anfang April blickte Dirk Dufner auf den Kalender. Der neue Sport-Geschäftsführer des VfL Bochum realisierte sofort, dass keine längere Einarbeitungszeit möglich sein wird. Zwischen Mitte und Ende Mai wird der 57-Jährige wissen, für welche Liga er den neuen Kader zusammenstellen darf. Anschließend muss es ganz schnell gehen: Das ligaunabhängig terminierte Trainingslager am Wilden Kaiser in Österreich beginnt am 12. Juli – bis dahin sollte ein Großteil der Mannschaft beisammen sein. Die Zweitliga-Saison startet bereits Anfang August, die Bundesliga drei Wochen später. Schon jetzt zeichnet ab: Eine zweistellige Zahl an Abgängen ist sehr wahrscheinlich.

Denn unabhängig davon, in welcher Spielklasse der VfL künftig antreten wird, steht ein größerer Kader-Umbau bevor. Im Falle des Klassenerhalts werden die Bochumer ihre Wettbewerbsfähigkeit deutlich erhöhen müssen, um nicht ein Jahr später erneut in eine brenzlige Lage zu geraten. Im Falle des Abstiegs würden die wenigen Leistungsträger auf einen Abgang drängen und auch die vier Leihkräfte wären nicht zu halten – wobei Letzteres selbst bei einem Ligaerhalt schwierig werden würde. Die Kaufoption für Angreifer Myron Boadu liegt im hohen einstelligen Betrag, diese wird der VfL aus finanziellen Gründen nicht ziehen können. Boadu hat trotz längerer Verletzungspausen die meisten Saisontore erzielt, Trainer Dieter Hecking ist aber immer wieder mit seiner Berufsauffassung unzufrieden. Eine weitere Zusammenarbeit ist kaum vorstellbar. Das gilt auch für Winter-Neuzugang Tom Krauß, der sportlich und charakterlich zwar überzeugt, sich in Zukunft aber bei einem stärkeren Klub sieht und deshalb auch den Berater gewechselt hat.

Oermann vor Abgang

Bei Jakov Medic und Georgios Masouras ist die Zukunft indes noch nicht geklärt. Angesichts schwankender Leistungen wird sich der VfL bei ihnen aber sicher nicht bis an die Decke strecken; bei einem Abstieg wären sie ohnehin zu teuer. Der Kreis an Spielern, die in diesem Fall wohl in Bochum bleiben würde, ist nach jetzigem Stand eher überschaubar. Die beiden Timo Horn und Patrick Drewes würden dazuzählen, ebenso wie Maximilian Wittek, Philipp Hofmann und Moritz Broschinski, die eher keine Angebote aus der Bundesliga erhalten dürften. Auch Koji Miyoshi könnte bleiben und seine Leistungsfähigkeit eine Klasse tiefer womöglich besser entfalten. Gleiches gilt für Samuel Bamba und Mats Pannewig.

Kaum zu halten wären indes Bernardo, der auch bei einem Klassenerhalt wechseln möchte, Ibrahima Sissoko, Matus Bero sowie Tim Oermann, um den bereits mehrere Bundesligisten buhlen, darunter Bayer Leverkusen. Mit dem amtierenden Meister soll sich der Verteidiger sogar schon fast einig ein und noch für ein Jahr innerhalb der Bundesliga verliehen werden. Immerhin: Für ihn würde der VfL eine Ablöse kassieren, wenngleich die Verhandlungsposition bei Oermann keine allzu gute ist. Sein Vertrag läuft 2026 aus. Für die Bochumer wäre es die letzte Chance, Geld mit Oermann zu verdienen. Erhan Masovic und Dani de Wit, die mit ihrer sportlichen Rolle ohnehin unzufrieden sind, würden ebenfalls einen Vereinswechsel anstreben; de Wit auch im Falle der Rettung. Offen ist, wie Ivan Ordets seine Zukunft plant. Grundsätzlich sieht aber auch er sich als Erstligaspieler, anders als etwa Gerrit Holtmann, der einer Verlängerung seines im Sommer auslaufenden Vertrags auch bei einem Abstieg offen gegenüberstünde.

Mehr Platz für Talente

Mit Holtmann könnte der VfL einen Fanliebling und womöglich den letzten Aufstiegshelden von 2021 halten. Kapitän Anthony Losilla wird seine Karriere als Fußballer beenden, dem Verein allerdings in anderer Rolle erhalten bleiben. Auch Cristian Gamboa soll in Zukunft eher auf der Funktionsebene denn als Spieler eingebunden werden. Auf seiner Position ist der VfL zumindest für den Abstiegsfall bereits ordentlich besetzt. Der Vertrag von Felix Passlack hat sich aufgrund regelmäßiger Einsätze automatisch bis 2026 verlängert, zudem steht mit Kacper Koscierski ein vielversprechendes Eigengewächs bereit. Auf mehr Talente aus dem eigenen Stall will der VfL unabhängig von der Liga setzen.

Wobei ihre Einsatzchancen in der 2. Liga logischerweise deutlich größer wären. Aus der U21 rückt Torwart Hugo Rölleke zu den Profis auf. Auch Niklas Jahn, Mohammed Tolba und Lennart Koerdt wurden dort vorübergehend geparkt, besitzen allerdings schon Lizenzspielerverträge. Weitere Hoffnungsträger, vor allem aus der diesjährigen U19, sollen im Sommer ebenfalls zu den Profis aufrücken. In dieser Woche unterzeichnete Cajetan Lenz einen Vierjahresvertrag. Der defensive Mittelfeldspieler soll aber zunächst in der U21 reifen, vor allem wenn diese in die Regionalliga aufsteigen sollte, was sehr wahrscheinlich ist. Unklar ist indes, wie es mit den vier im Winter verliehenen Spielern weitergeht. In einem Bundesliga-Kader hätten Noah Loosli, Agon Elezi, Moritz Kwarteng und Lukas Daschner sicher keine Perspektive. Bei einem Abstieg könnten sie womöglich eine neue Chance erhalten. Auch Keeper Niclas Thiede könnte von seinem Leihverein vorzeitig zurückkehren. Sein Vertrag mit dem abstiegsbedrohten SSV Ulm gilt nur die 2. Liga.


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(Foto: Marc Niemeyer)