Als am vergangenen Sonntag beim Bochumer Heimsieg gegen den FC Bayern erneut Tennisbälle auf das Spielfeld flogen, blickte Torhüter Manuel Riemann mit wenig Verständnis in Richtung Osttribüne. Zum ersten Mal musste auch ein Spiel des VfL Bochum länger unterbrochen werden, in Summe knapp zwanzig Minuten. Zwischenzeitlich stand die Partie sogar kurz vor dem Abbruch. Schiedsrichter Daniel Schlager unternahm einen letzten Versuch, die Partie fortzusetzen. Kapitän Anthony Losilla half schließlich mit einer Ansage an die Ultras dabei mit, ein vorzeitiges Ende zu verhindern. Wie genervt vor allem die Akteure auf dem Platz von den Protesten gegen die Investorenpläne der DFL waren, zeigte Keven Schlotterbeck nach dem Spiel: „So geht es nicht weiter“, sagte der Abwehrrecke.
Friedlicher und kreativer Protest
Wird es auch nicht. Die DFL verkündete am Mittwoch, dass sie ihre Investorenpläne zurück in die Schublade legen wird. Der vehemente Protest, vor allem ausgehend von den Ultras, aber auch unterstützt von anderen Fangruppen, hat Wirkung gezeigt. „Eine erfolgreiche Fortführung des Prozesses scheint in Anbetracht der aktuellen Entwicklungen nicht mehr möglich“, schreibt das DFL-Präsidium unter der Leitung von Hans-Joachim Watzke und begründet diese Entscheidung: „Der deutsche Profifußball steht inmitten einer Zerreißprobe, […] die mit zunehmender Vehemenz den Spielbetrieb, konkrete Spielverläufe und damit die Integrität des Wettbewerbs gefährden.“ Die Proteste dürften damit bereits enden. Ihr Erfolg unterstreicht eindrucksvoll, wie mächtig die Fans im Zweifel sein können.
Ilja Kaenzig, Geschäftsführer des VfL Bochum, war jedenfalls überrascht von der plötzlichen Kehrtwende des Ligaverbandes. „Fußball ist Volkssport. Und das Volk hat friedlich und kreativ Kritik geäußert. Die DFL-Idee hat kulturell nicht gepasst. Das muss man akzeptieren“, sagte Kaenzig am Mittwochabend bei einer schon länger geplanten Podiumsdiskussion an der Ruhr Universität Bochum, organisiert vom Deutschen Fußballmuseum. Vor knapp 100 Zuhörern und im Gespräch mit Tief im Westen – Das VfL-Magazin ordnete Kaenzig die Entscheidung aus VfL-Sicht ein: „Wir waren überzeugt von den Plänen. Aber der Deal ist auch an der Kommunikation gescheitert.“ Es sei zum Beispiel nicht gelungen zu vermitteln, dass alle Klubs von einer internationalen Konkurrenzfähigkeit der Liga profitieren.
Fragwürdiges Abstimmungsergebnis
Rückblick: Im Dezember 2023 haben sich die 36 DFL-Klubs darauf verständigt, dass der Ligaverband Verhandlungen mit Investoren führen darf. Eine ausgewählte Kapitalbeteiligungsgesellschaft sollte einen kleinen Teil der lukrativen Medienrechte für die nächsten 20 Jahre erwerben, um der Liga damit auf einen Schlag frisches Geld bereitzustellen. Von rund einer Milliarde Euro war die Rede. Die DFL wollte das Geld nutzen, um neue Märkte zu erschließen und somit Wachstum zu generieren. Geplant war (oder ist) unter anderem eine eigene Streamingplattform, auch Auslandsreisen der Klubs zu Vermarktungszwecken sollten unterstützt werden. Der VfL Bochum und 23 andere Klubs haben sich für dieses Modell ausgesprochen. Die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit war damit ganz knapp erreicht.
Allerdings gibt es den Verdacht, dass Martin Kind als Vertreter von Hannover 96 entgegen der Weisung seines Vereins in geheimer Wahl für statt gegen die Investorenpläne gestimmt haben soll. Angesichts der knappen Mehrheit war es womöglich die entscheidende Stimme. Die Fanszenen im Land und einige Klubs forderten deshalb „eine offene Neuabstimmung mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit unter Einhaltung der 50+1-Regel“. Dazu kommt es jetzt nicht mehr, das Thema einer Investorenbeteiligung ist vom Tisch. Doch wie geht es für die DFL und ihre 36 Mitglieder weiter? „Der Fußball nimmt dadurch keinen Schaden, weil das Spiel von der Entscheidung unberührt bleibt“, sagte Kaenzig am Mittwochabend. „Trotzdem müssen wir natürlich schauen, wie wir die Liga in die Zukunft führen können.“
Binnenfinanzierung als Alternative
Die Liga müsse in ihr Geschäftsmodell investieren. Das Produkt sei stellenweise rückständig im Vergleich zu anderen Ligen. „Ohne Wachstumskapital wird es keine Steigerung der TV-Gelder geben, eher im Gegenteil“, prognostiziert der Geschäftsführer des VfL. Kaenzig befürchtet mittelfristig sogar sinkende TV-Einnahmen, weil etwa eine zeitgemäße Streamingplattform oder ein konsequentes Vorgehen gegen Lizenzverstöße bei illegalen Übertragungen fehle. „Besonders den mittleren und kleineren Klubs würde das weh tun, weil dort der Anteil der TV-Gelder am Gesamtetat größer ist als bei den Großen.“ Deshalb habe sich der VfL für einen Investorendeal ausgesprochen. Das Geld müsse nun anderweitig aufgetrieben werden, betonte Kaenzig. Möglicherweise sei eine Binnenfinanzierung das Mittel der Wahl.
Das würde bedeuten, dass alle Klubs in einem festgelegten Zeitraum auf rund zehn Prozent ihrer TV-Einnahmen verzichten müssten. „Wenn es dazu käme, dann wäre auch das eher ein Nachteil für uns und nicht für die Top-Klubs“, erklärte Kaenzig, der in seinen Ausführungen Unterstützung von Christina Reinhardt erhielt. Die Kanzlerin der Ruhr Uni ist seit Ende 2022 Mitglied des Bochumer Präsidiums. Aus ihrer Sicht sei es nicht gelungen, die Hintergründe der DFL-Pläne zu erläutern und im Dialog mit den Fans die Sorge vor „Schreckensszenarien“ zu nehmen. „Deshalb finde ich es richtig, die Investorenpläne zu stoppen“, sagte sie am Mittwochabend. Auch die Spieler dürften die Entscheidung der DFL begrüßen. So wird sich auch Manuel Riemann wieder ausschließlich auf Fußbälle konzentrieren können.
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(Foto: Tim Kramer)