Saison 2023/24

So läuft die Kaderplanung: Abschied, Etat, Neuzugänge

Am Sonntagmorgen haben sich die Spieler des VfL Bochum ein letztes Mal vor dem Sommerurlaub getroffen. Nach einer langen Party und wenig Schlaf hat Trainer Thomas Letsch auf die eigentlich angesetzte Einheit verzichtet. Die interne Verabschiedung zahlreicher Spieler, die der Klub ganz bewusst auf den Morgen nach dem letzten Spiel gelegt hatte, fand aber statt. Hans-Peter Villis, Ilja Kaenzig und Marc Lettau bedankten sich bei insgesamt zehn Spielern – alle jene, die nur noch bis Ende Juni 2023 an den VfL gebunden sind: Paul Grave, Marko Johansson, Saidy Janko, Konstantinos Stafylidis, Vasilios Lampropoulos, Ivan Ordets, Keven Schlotterbeck, Dominique Heintz, Pierre Kunde und Silvere Ganvoula.

Anzunehmen ist allerdings, dass der eine oder andere zum Trainingsauftakt am 5. Juli wieder in Bochum aufschlagen wird. Ivan Ordets soll bleiben, das ist bekannt. Auch Keven Schlotterbeck könnte zum neuen Kader gehören. Der Vertrag mit Paul Grave wurde bereits verlängert und der Torhüter zum Wuppertaler SV verliehen. Dort soll er Spielpraxis sammeln. Einen neuen Keeper hat der VfL mit Niclas Thiede ja bereits gefunden. Thiede hat schon vor dem Saisonende in Bochum unterschrieben, genauso wie Felix Passlack und Noah Loosli. Auch die Eigengewächse Mats Pannewig und Mohammed Tolba, der jüngst einen Kreuzbandriss erlitten hat und länger fehlen wird, rücken zur neuen Saison in den Profikader auf.

Schon drei Neuzugänge

Die Ansprüche sind intern klar definiert: Die Mannschaft soll nicht nur besser, sondern auch jünger werden. In der gerade abgelaufenen Saison hat der VfL regelmäßig die älteste Startelf aller Konkurrenten ins Rennen geschickt, beinahe sogar einen historischen Altersrekord seit Gründung der Liga geknackt. Von den drei externen Neuzugängen ist Thiede mit 24 Jahren der jüngste, Passlack ist gerade 25 geworden, Loosli mit 26 nur ein Jahr älter. Mindestens ein weiterer Neuzugang wird ebenfalls in diese Altersklasse passen. Nach Informationen von Tief im Westen – Das VfL-Magazin rückt die Verpflichtung von Lukas Daschner näher. Die Bochumer haben ihr Interesse bereits vor geraumer Zeit bei ihm hinterlegt.

Der Offensivallrounder, der aus Duisburg stammt, lange beim MSV war und zuletzt beim FC St. Pauli gespielt hat, gilt als heimatverbunden. Und: Er möchte gerne in der Bundesliga spielen. Mit dem Bochumer Klassenerhalt wäre diese Voraussetzung erfüllt. Daschner würde – genauso wie Thiede, Passlack und Loosli – ablösefrei zum VfL wechseln. Im Gegensatz zur Vergangenheit ist ein auslaufender Vertrag aber keine Voraussetzung mehr bei der Suche nach Verstärkung. Der Lizenzspieleretat wird signifikant erhöht, steigt auf deutlich über 40 Millionen Euro. Der VfL wird hier und da in ein höheres Regal greifen, auch überschaubare Ablösesummen im sehr niedrigen Millionenbereich könnten gezahlt werden.

Lettau plant den Kader

Trainer Thomas Letsch wünscht sich mehr Variationsmöglichkeiten, insbesondere im Hinblick auf eine mögliche Systemumstellung. Letsch bevorzugt eine Dreierkette in der Abwehr, für die logischerweise passende Schienenspieler benötigt werden. Gerade auf der linken Seite besteht Handlungsbedarf. Auch im defensiven Mittelfeld will der VfL nachlegen, genauso wie in der Offensive und vermutlich auch in der Innenverteidigung. Kurzum: Gesucht wird in allen Mannschaftsteilen. Insbesondere dann, wenn weitere Spieler den Verein verlassen werden. Gerrit Holtmann hat bereits seinen Wechselwunsch geäußert, auch Jordi Osei-Tutu ist mit seiner Rolle unzufrieden. Wobei sich bei ihm derzeit kein Wechsel abzeichnet.

Für Letsch und Interims-Sportchef Marc Lettau ist es bekanntlich die erste gemeinsame Transferperiode. Lettau war im Winter von Union Berlin gekommen und wurde als Technischer Direktor verpflichtet. Sport-Geschäftsführer Patrick Fabian, der krankheitsbedingt weiter ausfällt, hat ihm seinerzeit bereits große Teile der Kaderplanung übertragen – und auch ansonsten gute Grundlagen geschaffen. Die Scouting-Abteilung wurde ebenfalls gestärkt, von Rot-Weiss Essen kam Stanko Patkovic als Koordinator dazu. Auch Finanz-Geschäftsführer Ilja Kaenzig und das Präsidium sind in alle Transferpläne eingebunden. Ihr gemeinsames Ziel ist es, die Qualität der Mannschaft zu erhöhen, ohne die viel gelobte Mentalität zu verlieren.


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https://vfl-magazin.de/kaderumbau-mit-pott-mentalitaet/

Kaderplanung

Erstes Interview: Ordets spricht über Bochum und seine Zukunft

Interviewanfragen hat Ivan Ordets in der zurückliegenden Saison stets abgelehnt. Nun aber hat sich der Innenverteidiger zum ersten Mal seit seinem Wechsel nach Bochum und auch zum ersten Mal seit dem Kriegsbeginn in der Ukraine öffentlich zu Wort gemeldet. Mit dem Journalisten Roman Kademin hat er in dieser Woche ausführlich über seine sportliche und private Situation in Bochum gesprochen – und natürlich auch über seine Zukunft.

Der VfL hat ihm ein Angebot vorgelegt

Im Normalfall möchte Tief im Westen – Das VfL-Magazin mehr bieten als die Zusammenfassung und Übersetzung eines Interviews, das andere geführt haben. Doch die Aussagen von Ordets sind aus den genannten Gründen nicht nur einmalig, sondern auch von aktueller Relevanz. Schließlich hoffen nicht nur die Verantwortlichen des VfL auf eine Unterschrift des Ukrainers, sondern auch die meisten Fans. Eine klare Tendenz scheint es aber noch nicht zu geben.

„Mein Vertrag läuft aus, der Verein hat mir ein neues Angebot gemacht. Ich mache jetzt eine Fußballpause und werde es mir in Ruhe überlegen“, sagt Ordets, der zumindest eine baldige Entscheidung in Aussicht stellt. „Die Bundesliga ist gut, es gibt aber auch andere Optionen. Ich hoffe, mit meiner Familie die richtige Entscheidung zu treffen.“ Der 30-Jährige weiß um die Vor- und Nachteile des VfL: „Der Verein ist nicht reich, aber der Zusammenhalt ist besonders.“

Große Freude über den Klassenerhalt

Ordets lobt besonders den Teamgeist und die Stimmung im Bochumer Ruhrstadion, speziell beim letzten Heimspiel gegen Leverkusen. „Die Atmosphäre war super und hat uns geholfen. Wenn es um Emotionen beim Fußball geht, wird das Spiel wahrscheinlich ein Leben lang an erster Stelle stehen.“ Große Worte, die sich aber mit Fotomaterial belegen lassen. Ordets hatte Tränen in den Augen, als er nach dem Abpfiff seine Frau auf dem Spielfeld umarmte.

Dabei war ihm die Situation zunächst nicht ganz geheuer. „Beim Platzsturm wusste ich nicht, was passiert. Aber am Ende haben die Fans nur an meinem Trikot und der Hose gezogen. Alle waren glücklich. Dabei haben wir eigentlich nichts gewonnen, sondern uns nur gerettet.“ Ordets betont, dass die Zielsetzung in der kommenden Saison eine ganz ähnliche sei. Ob ihm das reicht? Vielleicht ist am Ende auch die private Situation ausschlaggebend für einen Verbleib.

Ordets lebt mit Familie in Düsseldorf

Ordets lebt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Düsseldorf. „Die Stadt ist etwas moderner als Bochum. Andrij Voronin (Ex-Bundesligaprofi aus der Ukraine, Anm. d. Red.) hat mir geraten, dorthin zu ziehen. Düsseldorf hat auch einen englischsprachigen Kindergarten.“ Generell habe er sich in Deutschland gut eingelebt. „Es ist ruhig, wir haben ein paar schöne Parks für uns entdeckt. Die Deutschen sind sehr anständig, manchmal etwas streng. Aber wir fühlen uns wohl.“


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Weitere Informationen zur komplizierten Vertragssituation von Ivan Ordets gibt es in diesem Artikel:

(Foto: Marc Niemeyer)

Kommentar

Das dritte Wunder: Klassenerhalt ist ein Meilenstein

Der Pott weint – die einen, weil sie die Meisterschaft verpasst haben oder abgestiegen sind. Die anderen, nämlich in Bochum, aus Freude, weil sie das dritte Wunder vollbracht haben. 2021 ist der VfL nach elf Jahren Zweitklassigkeit in die Bundesliga zurückgekehrt. 2022 hat er den Klassenerhalt geschafft. Und 2023 unter erschwerten Umständen ein weiteres Mal. Alle wissen: Bundesliga-Fußball in Bochum ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Deshalb freuen sich Spieler und Fans über Platz 14 auch mehr als andere über ihre Meisterschaft. Routiniers wie Manuel Riemann, Simon Zoller und Anthony Losilla hatten nach dem 3:0-Sieg gegen Leverkusen sogar Freudentränen in den Augen.

Bochum feiert also – und das aus gutem Grund. Wer die Bitternis von Niederlagen gut genug kennt, weiß die Süße des Erfolgs besonders zu schätzen. Das gilt nach dieser ereignisreichen Saison voller Achterbahnfahrten ganz besonders. Zur Erinnerung: Alles war noch möglich am letzten Spieltag, auch der Abstieg und die Relegation. Dramatik pur. Doch der Fußballgott schenkte den Bochumern den perfekten Tag. Das Wetter: traumhaft. Der Fanmarsch zum Stadion: beeindruckend. Die sportliche Leistung: vorzüglich. Die Stimmung auf den Rängen: erst angespannt, dann ausgelassen. Schnell lief alles, wirklich alles nach Plan – nicht nur im eigenen Stadion, auch auf den anderen Plätzen.

Heimstärke mit lautstarken Fans

Nach etlichen Abgängen im Sommer, sechs Niederlagen zu Saisonbeginn und einem Trainerwechsel im Herbst ist die erbrachte Leistung umso beeindruckender und erklärt den Überschwung an Emotionen. Sicher, dieser VfL hat viele Schwächen offenbart, so viele Gegentreffer wie noch nie kassiert, gegen Tabellennachbarn verloren oder zumindest nicht gewonnen. Aber immer wieder hat sich diese Mannschaft aufgerafft, fehlende Qualität mit beeindruckender Mentalität ausgeglichen. Mehrfach hatten Fans schon wieder ihren Routenplaner für die 2. Liga bereitgelegt – nach dem Desaster in Leipzig genauso wie nach der Heimpleite gegen Schalke oder der Niederlage in Gladbach.

Die Reaktion folgte jeweils prompt. Vor allem dank der wertvollen Heimstärke unter Thomas Letsch gelang der Klassenerhalt auch im zweiten Bundesliga-Jahr, das gemeinhin als das schwierigste gilt. Ohne die lautstarken und treuen Fans auf den Rängen wäre dieser Meilenstein wahrscheinlich nicht geglückt. Nur wenigen Aufsteigern ist es zuletzt gelungen, sich länger als zwei Jahre in der Bundesliga zu halten. Der VfL hat es geschafft, die Bundesliga-Reise geht weiter. Übermütig sollte jedoch keiner werden. Auch im nächsten Jahr geht es nur um den Klassenerhalt. Nach Möglichkeit gerne etwas entspannter. Wobei Dramatik die beste Vorlage für rauschende Feste ist.


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(Foto: Imago)

Klassenerhalt

VfL bleibt erstklassig! Platzsturm und Bochumer Partynacht

An den Schallschutz hat beim Bau des Bochumer Ruhrstadions zum Glück noch keiner gedacht. Thomas Letsch saß gerade in der Pressekonferenz, als er den Lärm von draußen hörte. Hunderte VfL-Fans versammelten sich unter dem Fenster des Medienzentrums und riefen den Namen des Trainers. Und es dauerte nicht lange, bis Letsch mit seinem Stuhl vorrollte und das Fenster öffnete. Er beruhigte zunächst die Masse, um dann selbst das erste Fanlied anzustimmen. „Es gibt nur eine Sache…“, rief er in die Menge, und die Fans übernahmen den Rest. So ausgelassen und freudestrahlend haben die Bochumer ihren Coach noch nie erlebt.

https://twitter.com/p_rentsch/status/1662495571846758400

Es war der Höhepunkt der letzten Pressekonferenz der Saison, in der sich Letsch ansonsten zurückhielt: „Eine Analyse interessiert doch keinen. Wir haben es geschafft, in der Liga zu bleiben. Wir freuen uns, und die Fans da draußen freuen sich auch, diese Verrückten.“ Was er ausschließlich positiv meinte. Die wenigen Nachfragen zielten darauf ab, wie die Feierlichkeiten am Abend aussehen könnten. Letsch wusste es nicht genau, verließ den Presseraum und erkundigte sich bei Marc Lettau. Der nannte eine Uhrzeit und den Treffpunkt: Das Bermuda-Dreieck. Wie schon im vergangenen Jahr nach dem Derbysieg und Klassenerhalt in Dortmund hatte der VfL das Three-Sixty für Spieler, Angehörige, Mitarbeiter und einige mehr reserviert. 

Es wurde eine rauschende Partynacht, in der Spieler und Trainer sangen und tanzten, teilweise sogar auf den Tischen, mit etlichen Fans direkt daneben. Als der Verfasser dieser Zeilen die Feier gegen 2 Uhr nachts verließ, war ein Ende noch nicht in Sicht. Dass sich der Verein für seine Klassenerhaltsfete keinen noblen Club ausgesucht hatte, sondern ein Lokal mitten in der Stadt, mitten im Bermuda-Dreieck, gibt es im Jahr 2023 wohl nur noch beim VfL Bochum. Bis auf wenige Ausnahmen, etwa Manuel Riemann, war die gesamte Mannschaft vor Ort. Riemann schien den Tag und die Geschehnisse noch verarbeiten zu müssen, feierte zwar mit den Fans auf dem Rasen, später aber in Ruhe mit der Familie.

https://twitter.com/p_rentsch/status/1662412927117279233

Schon kurz vor dem Abpfiff brach der Keeper in Tränen aus, so sehr hatte er in den vergangenen Wochen unter der Tabellensituation gelitten. Nicht nur von ihm fiel eine riesengroße Last ab. Auch von seinen Teamkollegen, den Verantwortlichen, den Mitarbeitern – und natürlich von den Fans. Sie alle haben äußerlich oder innerlich mitgezittert, die Nervosität vor dem Spiel war greifbar. Doch der Tag, der mit einem beeindruckenden Fanmarsch von mehr als 5.000 Bochumern aus der Innenstadt zum Stadion begann, lief wie gemalt, auch sportlich. Leverkusen kassierte früh einen Platzverweis, der VfL ging in Überzahl mit 1:0 in Führung und legte das zweite Tor noch vor der Pause nach. Philipp Förster und Takuma Asano waren die gefeierten Fußballhelden.

Die Zwischenergebnisse von den anderen Plätzen machten plötzlich sogar eine Rettung ohne Relegation möglich. Gladbach führte gegen dezimierte Augsburger, Schalke lag früh gegen Leipzig in Rückstand – viel veränderte sich nicht mehr. Im Grunde hätte sich der VfL an diesem Tag, an dem mit Stuttgart sogar der dritte Konkurrent im Tabellenkeller patzte, nur noch selbst schlagen können. Das passierte aber nicht. Stattdessen legte Kevin Stöger kurz vor dem Abpfiff das dritte Tor nach. Der Rest war Jubel, es gab kein Halten mehr. Die Fans stürmten auf den Platz, zum ersten Mal seit mehr als 20 Jahren. Nicht nur im Bermuda-Dreieck, auch an anderen Orten in der Stadt ging die Party bis tief in die Nacht weiter. Bochumer Fußballherz, was willst du mehr…  

Mit Tief im Westen – Das VfL-Magazin ins dritte Bundesliga-Jahr…


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Szenarien für Bochum

Klassenerhalt, Relegation, Abstieg: Das wären die Folgen

Es ist die Woche der Mathematiker. Ihnen bietet der Abstiegskampf in der Bundesliga zahlreiche Kombinationsmöglichkeiten. Vier Teams sind beteiligt und könnten noch auf den Plätzen 16 oder 17 landen: Bochum, Schalke, Stuttgart oder Augsburg. Sie alle werden am letzten Spieltag entweder gewinnen, verlieren oder Unentschieden spielen. Macht in Summe 81 verschiedene Varianten, wie die Schlusstabelle aussehen könnte. Diese alle darzustellen, würde den Rahmen sprengen. Viel interessanter ist ohnehin, was die Folgen wären, wenn der VfL den Klassenerhalt schafft, in die Relegation muss oder absteigt. Klar ist: Für den VfL Bochum steht sportlich und wirtschaftlich viel auf dem Spiel. Ein Überblick.

Szenario Klassenerhalt: Der Ligaverbleib wäre für den VfL Bochum zweifellos ein Meilenstein. Das schwere zweite Jahr nach dem Aufstieg wäre überstanden, obwohl die Mannschaft den schlechtesten Saisonstart in der Bochumer Bundesliga-Geschichte hingelegt hat. Vor allem wirtschaftlich wäre im dritten Bundesliga-Jahr ein Quantensprung möglich. Im TV-Ranking würde der VfL mindestens zwei Plätze klettern. Auch die Sponsoringeinnahmen würden erneut zunehmen. Der Lizenzspieleretat würde um etwa zehn Millionen Euro steigen – von mehr als 30 auf deutlich über 40 Millionen Euro. Damit würde der VfL selbst etablierten Erstligisten nahekommen, etwa dem 1. FC Köln oder dem FC Augsburg. Mit Darmstadt 98 steigt mindestens ein wirtschaftlich schwächerer Verein auf, mit dem 1. FC Heidenheim womöglich noch ein zweiter. Für den VfL Bochum würde sich also die Chance bieten, sich mittelfristig im Oberhaus zu etablieren. Die Wachstumsstrategie des Klubs ließe sich insgesamt besser umsetzen. Das Umsatzziel von 100 Millionen Euro im Jahr wäre in Sichtweite.

All das wäre natürlich auch der sportlichen Entwicklung zuträglich. Leistungsträger könnten in diesem Sommer womöglich gehalten werden. Die klare Etatsteigerung hätte zusätzliche Investitionen in den Kader zufolge, der gezielt verbessert werden könnte. Trainer Thomas Letsch und Interims-Sportchef Marc Lettau planen unter anderem eine Verjüngung der Mannschaft. Im Idealfall wollen sie auch Werte schaffen, also Spieler verpflichten, die bei einer optimalen Entwicklung weiterverkauft werden könnten. „Unser Ziel ist es, die Klasse zu halten. Wenn uns das gelingt, dann möchte ich Dinge verändern, die Mannschaft und die Spielweise weiterentwickeln. Es ist kein Geheimnis, dass im Kader etwas passieren wird“, sagte Letsch neulich der Rheinischen Post.

Szenario Relegation: Im Grunde ist es ja nur ein Zwischenszenario, denn entweder mündet die Relegation in einem weiteren Bundesliga-Jahr oder in einem Abstieg. Eine Relegationsteilnahme wäre dennoch besonders. Erst zweimal hat sich der VfL in seiner Vereinsgeschichte einem solchen Duell stellen müssen: 1990 als Erstligist gegen den 1. FC Saarbrücken und 2011 als Zweitligist gegen Borussia Mönchengladbach. Der klassenhöhere Klub setzte sich jeweils durch. Eine Garantie dafür gibt es aber nicht. Offen ist, wer der Gegner wäre: der 1. FC Heidenheim oder der Hamburger SV. Das Hinspiel würde bereits donnerstags in Bochum stattfinden; vier Tage später, also montags, stünde das Auswärtsspiel an. Die Auswärtstorregel ist abgeschafft, Gelbsperren hingegen zählen auch in der Relegation. Aktuell sind vier Bochumer nur noch eine Karte von einer Pause entfernt, darunter Ivan Ordets und Philipp Hofmann. Die ohnehin schon große Anspannung würde in den Relegationsspielen wohl noch weiter zunehmen. Der Saisonausgang würde sich dann in weiteren 180 Minuten entscheiden, im schlimmsten Fall sogar in einem Elfmeterschießen.

Ein Abstieg in der Relegation wäre nicht nur emotional schwer zu verdauen, sondern würde auch die Planungen verkomplizieren. Denn zwischen dem Rückspiel und dem ersten Spieltag in der 2. Liga liegen nur siebeneinhalb Wochen. In dieser Zeit müsste die Mannschaft den Abstieg verarbeiten und der Kader umgebaut werden. Entweder würde der Urlaub extrem kurz ausfallen – oder aber die Saisonvorbereitung. Optimale Voraussetzungen für einen Neustart in der 2. Liga wären das nicht. Ein Sieg in der Relegation könnte hingegen für zusätzliche Emotionen sorgen und in einem Freudentaumel münden, der den VfL durch die Sommerpause trägt und von dem der Klub zusätzlich profitieren könnte.

Szenario Abstieg: Für den VfL Bochum wäre es der siebte Absturz in die Zweitklassigkeit innerhalb von 30 Jahren. Angesichts der erwähnten Startprobleme inklusive Trainerwechsel käme der Abstieg nicht aus heiterem Himmel, bitter und folgenreich wäre er trotzdem und müsste zunächst bewältigt werden. Allerdings würde er den VfL nicht komplett umwerfen. Die Verantwortlichen haben seriös gewirtschaftet, Altlasten gibt es kaum. Dank Rücklagen könnte der VfL mit einem Spieleretat von rund 20 Millionen Euro planen, womit die Bochumer rein finanziell betrachtet mindestens im oberen Drittel der 2. Liga mitspielen würden. Trainer Thomas Letsch würde bleiben. In der sogenannten Letsch-Tabelle wird der VfL die Saison mindestens auf Platz 12 abschließen; im Abstiegsfall wäre das nur schwacher Trost, aber ein Beleg dafür, dass die entscheidenden Fehler in der Zeit davor passiert sind.

Der Kader würde sich deutlich verändern. Der Vertrag von Philipp Förster gilt nur für die Bundesliga, Takuma Asano soll über eine Ausstiegsklausel verfügen, auch Ivan Ordets wäre nicht zu halten. Spieler wie Erhan Masovic oder Kevin Stöger, aber auch Christopher Antwi-Adjei, Patrick Osterhage oder Philipp Hofmann könnten bei anderen Erstligisten unterkommen, würden aber eine Ablöse einbringen. Die drei schon präsentierten Neuzugänge kämen auch im Abstiegsfall. Vorjahres-Absteiger Arminia Bielelfeld ist ein mahnendes Beispiel dafür, dass die 2. Liga unberechenbar ist und der sofortige Wiederaufstieg eine gewaltige Herausforderung wäre. Wirtschaftlich wäre der steile Wachstumskurs vorerst gebremst, vor allem die TV-Einnahmen würden massiv sinken. Zu erwarten ist aber, dass die Fans ihrem Klub treu bleiben. Viele wollen ihre Dauerkarte behalten. Ausschreitungen und Unruhen wie beim letzten Abstieg 2010 sind nicht zu erwarten.


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(Foto: Marc Niemeyer)

https://vfl-magazin.de/25mai2023/

Vertrag bis 2024

Villis bestätigt: Thomas Letsch bleibt VfL-Trainer

Der VfL Bochum setzt auch in der kommenden Saison auf Thomas Letsch. Selbst im Abstiegsfall würde der 54-Jährige Cheftrainer des Revierklubs bleiben. „Wir sind zu 100 Prozent von ihm und seiner Arbeit überzeugt. Thomas Letsch bleibt auch in der neuen Saison unser Cheftrainer, unabhängig vom Ausgang der noch laufenden Spielzeit“, sagt Hans-Peter Villis, der Vorsitzende des Präsidiums, exklusiv gegenüber Tief im Westen – Das VfL-Magazin. Dies sei die gemeinsame Position von Präsidium und Geschäftsführung. Der Vertrag von Letsch wurde ohnehin für beide Ligen geschlossen. Er läuft noch bis Mitte 2024.

Letsch hat den VfL Bochum im September des vergangenen Jahres als Tabellenschlusslicht übernommen. Nun hat er am letzten Spieltag noch die Chance auf den Klassenerhalt. Aktuell steht der VfL auf dem Relegationsplatz. Dass die Vereinsführung dem Fußballlehrer auch im Abstiegsfall weiter ihr Vertrauen schenkt, ist keine Überraschung. Nach Informationen von Tief im Westen – Das VfL-Magazin gab es intern bislang zu keinem Zeitpunkt Zweifel an der Qualität seiner Arbeit. Letsch ist neben dem Training und der Spielvorbereitung auch intensiv in die Kaderplanung für die neue Saison involviert. Dann soll er seine Spielidee mit personellen Veränderungen noch besser umsetzen können – ligaunabhängig.


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Vertrag verlängert

Vonovia bleibt VfL-Sponsor: Mehr Geld, aber auch Kritik

Die wichtigste Werbefläche auf dem Trikot ist vergeben. Das Wohnungsunternehmen Vonovia bleibt auch in der kommenden Saison Hauptsponsor des VfL Bochum. Überraschend ist das nicht: Die Verlängerung der Zusammenarbeit hatte sich abgezeichnet. Bereits seit 2016 ist das Bochumer Unternehmen Partner des Klubs und Namensgeber für das Vonovia Ruhrstadion. Nach dem Bundesliga-Aufstieg hat sich der DAX-Konzern zudem den Platz auf der Trikotbrust gesichert. „Wir freuen uns sehr über die Verlängerung dieser gewachsenen Partnerschaft. Es ist ein starkes Bekenntnis seitens unseres langjährigen Partners“, sagt Hans-Peter Villis, Vorstandsvorsitzender des VfL Bochum.

Stadionvertrag bis 2026

Vonovia bleibt der mit Abstand wichtigste Geldgeber unter den Sponsoren. Nach Informationen von Tief im Westen – Das VfL-Magazin ist der neue Vertrag höher dotiert als der bisherige. Er gilt ligaunabhängig, wobei im Abstiegsfall weniger Geld fließen würde als in der Bundesliga. Über die Vertragslänge machten beide Seiten zunächst keine Angaben. Es soll sich aber um eine kurze Laufzeit handeln. Die Namensrechte für das Stadion sind dagegen noch bis 2026 vergeben. Gesucht wird für die neue Saison jetzt noch ein neuer Ärmelsponsor. Der bisherige Partner, die Bochumer Krankenkasse Viactiv, steigt zum Saisonende aus, weil gesetzliche Krankenkassen strengeren Auflagen bei Marketingaktivitäten unterliegen. Zudem erhofft sich der VfL bei der Neuvermarktung des Ärmels höhere Einnahmen.

Doch zurück zu Vonovia. Das Engagement des Immobilienriesen sorgt innerhalb der Bochumer Fanszene nicht nur für Begeisterung. Die meisten Kommentare unter den Social-Media-Beiträgen des Klubs beinhalten Kritik. „Wäre schön, wenn sich Vonovia nicht nur dem VfL verbunden fühlen würde, sondern auch allen Mieterinnen und Mietern“, schreibt ein User auf Instagram. Erst am vergangenen Samstag hatte sich in Bochum eine Demo mit rund 250 Teilnehmern formiert, die eine Enteignung des Unternehmens forderten. Aus Sicht der Initiatoren seien die Mietpreise und Nebenkosten zu hoch, der Konzern komme seiner gesellschaftlichen Verantwortung als Wohnungsgeber nicht nach.

Vonovia ist Marktführer

Die Gewerkschaft IG Bau kritisiert zudem den Sparkurs des deutschen Marktführers, der 2023 deutlich weniger in den Neubau und Bestand seiner knapp 500.000 Wohnungen investiere möchte als zuletzt. Die Vonovia-Aktie befand sich lange Zeit im Sinkflug, hat sich zuletzt aber wieder leicht erholt. Im Jahr 2022 kletterte der Gewinn von Vonovia vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen auf 2,8 Milliarden Euro. „Vonovia ist sicher kein Partner, der unbedingt für die Werte des VfL steht. Auf der anderen Seite ein Bochumer Konzern, der viel Geld in die Kassen spült. Man muss Kompromisse eingehen, um im deutschen Profifußball erfolgreich zu sein“, schreibt ein anderer Nutzer auf Twitter. Im Stadion gab es bislang keine Proteste. Im Gegenteil: Viele Fans freuen sich für ihren Klub.


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