Szenarien für Bochum

Klassenerhalt, Relegation, Abstieg: Das wären die Folgen

Es ist die Woche der Mathematiker. Ihnen bietet der Abstiegskampf in der Bundesliga zahlreiche Kombinationsmöglichkeiten. Vier Teams sind beteiligt und könnten noch auf den Plätzen 16 oder 17 landen: Bochum, Schalke, Stuttgart oder Augsburg. Sie alle werden am letzten Spieltag entweder gewinnen, verlieren oder Unentschieden spielen. Macht in Summe 81 verschiedene Varianten, wie die Schlusstabelle aussehen könnte. Diese alle darzustellen, würde den Rahmen sprengen. Viel interessanter ist ohnehin, was die Folgen wären, wenn der VfL den Klassenerhalt schafft, in die Relegation muss oder absteigt. Klar ist: Für den VfL Bochum steht sportlich und wirtschaftlich viel auf dem Spiel. Ein Überblick.

Szenario Klassenerhalt: Der Ligaverbleib wäre für den VfL Bochum zweifellos ein Meilenstein. Das schwere zweite Jahr nach dem Aufstieg wäre überstanden, obwohl die Mannschaft den schlechtesten Saisonstart in der Bochumer Bundesliga-Geschichte hingelegt hat. Vor allem wirtschaftlich wäre im dritten Bundesliga-Jahr ein Quantensprung möglich. Im TV-Ranking würde der VfL mindestens zwei Plätze klettern. Auch die Sponsoringeinnahmen würden erneut zunehmen. Der Lizenzspieleretat würde um etwa zehn Millionen Euro steigen – von mehr als 30 auf deutlich über 40 Millionen Euro. Damit würde der VfL selbst etablierten Erstligisten nahekommen, etwa dem 1. FC Köln oder dem FC Augsburg. Mit Darmstadt 98 steigt mindestens ein wirtschaftlich schwächerer Verein auf, mit dem 1. FC Heidenheim womöglich noch ein zweiter. Für den VfL Bochum würde sich also die Chance bieten, sich mittelfristig im Oberhaus zu etablieren. Die Wachstumsstrategie des Klubs ließe sich insgesamt besser umsetzen. Das Umsatzziel von 100 Millionen Euro im Jahr wäre in Sichtweite.

All das wäre natürlich auch der sportlichen Entwicklung zuträglich. Leistungsträger könnten in diesem Sommer womöglich gehalten werden. Die klare Etatsteigerung hätte zusätzliche Investitionen in den Kader zufolge, der gezielt verbessert werden könnte. Trainer Thomas Letsch und Interims-Sportchef Marc Lettau planen unter anderem eine Verjüngung der Mannschaft. Im Idealfall wollen sie auch Werte schaffen, also Spieler verpflichten, die bei einer optimalen Entwicklung weiterverkauft werden könnten. „Unser Ziel ist es, die Klasse zu halten. Wenn uns das gelingt, dann möchte ich Dinge verändern, die Mannschaft und die Spielweise weiterentwickeln. Es ist kein Geheimnis, dass im Kader etwas passieren wird“, sagte Letsch neulich der Rheinischen Post.

Szenario Relegation: Im Grunde ist es ja nur ein Zwischenszenario, denn entweder mündet die Relegation in einem weiteren Bundesliga-Jahr oder in einem Abstieg. Eine Relegationsteilnahme wäre dennoch besonders. Erst zweimal hat sich der VfL in seiner Vereinsgeschichte einem solchen Duell stellen müssen: 1990 als Erstligist gegen den 1. FC Saarbrücken und 2011 als Zweitligist gegen Borussia Mönchengladbach. Der klassenhöhere Klub setzte sich jeweils durch. Eine Garantie dafür gibt es aber nicht. Offen ist, wer der Gegner wäre: der 1. FC Heidenheim oder der Hamburger SV. Das Hinspiel würde bereits donnerstags in Bochum stattfinden; vier Tage später, also montags, stünde das Auswärtsspiel an. Die Auswärtstorregel ist abgeschafft, Gelbsperren hingegen zählen auch in der Relegation. Aktuell sind vier Bochumer nur noch eine Karte von einer Pause entfernt, darunter Ivan Ordets und Philipp Hofmann. Die ohnehin schon große Anspannung würde in den Relegationsspielen wohl noch weiter zunehmen. Der Saisonausgang würde sich dann in weiteren 180 Minuten entscheiden, im schlimmsten Fall sogar in einem Elfmeterschießen.

Ein Abstieg in der Relegation wäre nicht nur emotional schwer zu verdauen, sondern würde auch die Planungen verkomplizieren. Denn zwischen dem Rückspiel und dem ersten Spieltag in der 2. Liga liegen nur siebeneinhalb Wochen. In dieser Zeit müsste die Mannschaft den Abstieg verarbeiten und der Kader umgebaut werden. Entweder würde der Urlaub extrem kurz ausfallen – oder aber die Saisonvorbereitung. Optimale Voraussetzungen für einen Neustart in der 2. Liga wären das nicht. Ein Sieg in der Relegation könnte hingegen für zusätzliche Emotionen sorgen und in einem Freudentaumel münden, der den VfL durch die Sommerpause trägt und von dem der Klub zusätzlich profitieren könnte.

Szenario Abstieg: Für den VfL Bochum wäre es der siebte Absturz in die Zweitklassigkeit innerhalb von 30 Jahren. Angesichts der erwähnten Startprobleme inklusive Trainerwechsel käme der Abstieg nicht aus heiterem Himmel, bitter und folgenreich wäre er trotzdem und müsste zunächst bewältigt werden. Allerdings würde er den VfL nicht komplett umwerfen. Die Verantwortlichen haben seriös gewirtschaftet, Altlasten gibt es kaum. Dank Rücklagen könnte der VfL mit einem Spieleretat von rund 20 Millionen Euro planen, womit die Bochumer rein finanziell betrachtet mindestens im oberen Drittel der 2. Liga mitspielen würden. Trainer Thomas Letsch würde bleiben. In der sogenannten Letsch-Tabelle wird der VfL die Saison mindestens auf Platz 12 abschließen; im Abstiegsfall wäre das nur schwacher Trost, aber ein Beleg dafür, dass die entscheidenden Fehler in der Zeit davor passiert sind.

Der Kader würde sich deutlich verändern. Der Vertrag von Philipp Förster gilt nur für die Bundesliga, Takuma Asano soll über eine Ausstiegsklausel verfügen, auch Ivan Ordets wäre nicht zu halten. Spieler wie Erhan Masovic oder Kevin Stöger, aber auch Christopher Antwi-Adjei, Patrick Osterhage oder Philipp Hofmann könnten bei anderen Erstligisten unterkommen, würden aber eine Ablöse einbringen. Die drei schon präsentierten Neuzugänge kämen auch im Abstiegsfall. Vorjahres-Absteiger Arminia Bielelfeld ist ein mahnendes Beispiel dafür, dass die 2. Liga unberechenbar ist und der sofortige Wiederaufstieg eine gewaltige Herausforderung wäre. Wirtschaftlich wäre der steile Wachstumskurs vorerst gebremst, vor allem die TV-Einnahmen würden massiv sinken. Zu erwarten ist aber, dass die Fans ihrem Klub treu bleiben. Viele wollen ihre Dauerkarte behalten. Ausschreitungen und Unruhen wie beim letzten Abstieg 2010 sind nicht zu erwarten.


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(Foto: Marc Niemeyer)