0:1 in Bremen

Schneckenrennen geht weiter: VfL nur gefällig statt gefährlich

Wirklich ergiebig sind die Interviews nach den Spielen des VfL Bochum derzeit nicht. Denn die Analysen der Beteiligten ähneln sich Woche für Woche. Ja, auch in Bremen hat der abstiegsbedrohte Revierklub halbwegs ordentlich gespielt und war sicher nicht die schlechtere Mannschaft. Aber nein, auch im Weserstadion gab es keine Punkte. Das 0:1 bei Werder war bereits die fünfte Niederlage in Serie – und zum wiederholten Mal die Folge fehlender Effektivität. Bei hohem Aufwand, vor allem kämpferischer Natur, blieb der Ertrag abermals aus. „Das ist unser Problem, das uns gleichzeitig zuversichtlich macht“, sagte Sport-Geschäftsführer Dirk Dufner nach der Partie. Der VfL sei ja nicht hoffnungslos unterlegen. Nur: „Wir entwickeln zu wenig Torgefahr in den Phasen, in denen wir besser sind.“

Hochkarätige Möglichkeiten, in Bremen selbst in Führung zu gehen, gab es im Grunde nicht. „Wir machen es gut bis ins letzte Drittel. Aber dann fehlen uns die großen Chancen“, kennt nicht nur Verteidiger Bernardo das große Problem des VfL. Mit 29 Treffern in 30 Spielen und in Kombination mit 62 Gegentoren haben die Bochumer derzeit das schlechteste Torverhältnis der gesamten Liga. Das kann am Saisonende durchaus noch entscheidend sein und über den Abstieg oder die Relegationsteilnahme entscheiden. Das Gute ist einzig: An diesem Wochenende hat auch Heidenheim verloren und Kiel zumindest nicht gewonnen. Dufner spricht von einem „Schneckenrennen“ im Tabellenkeller und fasst die Lage damit treffend zusammen. Klar ist aber auch: Irgendwann bald muss der VfL mal wieder gewinnen.

Abwehr schläft beim 0:1

In Bremen hat es Trainer Dieter Hecking mit einer Dreierreihe im Angriff probiert und den schnellen Gerrit Holtmann in die Startelf beordert, weil Matus Bero gelbgesperrt fehlte. In der Abwehr ersetzte Jakov Medic den ebenfalls gesperrten Ivan Ordets und sammelte Argumente für eine weiteren Einsatz. Die über weite Strecken stabile Defensive – auch dank eines energischen Pressings in vorderster Reihe – wackelte erst am Ende, als Werders Mitchell Weiser das Tor des Tages erzielte. Einen handelsüblichen Körpereinsatz gegen Maximilian Wittek wertete Schiedsrichter Robert Schröder nicht als Foul, und eine Abseitsposition lag auch nicht vor, weil der am Boden liegende und reklamierende Linksverteidiger nicht schnell genug aufstand. Auch die übrige Abwehr stellte ihren Dienst kurzzeitig ein.

Dass zahlreiche Bochumer mit der teils merkwürdigen Zweikampfbewertung des Umparteiischen haderten, war verständlich, einen folgenreichen Fehler machte er aber nicht. „Das war nicht entscheidend“, lenkte Dufner den Fokus lieber auf eigene Fehler und Versäumnisse. Auch Hecking bestätigte, dass das Siegtor regulär erzielt wurde – und ärgerte sich vielmehr darüber, dass es seiner Mannschaft angesichts bekannter Offensivprobleme nicht wenigstens gelang, das Unentschieden und somit wenigstens einen Punkt mitzunehmen. Schon gegen Augsburg verlor der VfL das Spiel in der Schlussphase wegen einer Unachtsamkeit in der Hintermannschaft, in Bremen nun wieder. Einziger Unterschied: Gegen Augsburg hatte die Hecking-Elf immerhin eine Vielzahl an eigenen Torchancen.

Sissoko fliegt vom Platz

Bochums Trainer mahnt beim Bochumer Offensivproblem deshalb zur Differenzierung. Mitunter sei das Verwerten der erspielten Möglichkeiten das Problem, manchmal – wie jetzt in Bremen – aber schon das Zustandekommen gefährlicher Strafraumaktionen. „Es sieht sehr verkrampft aus“, beobachtet der erfahrene Fußballlehrer und bringt diesen Umstand mit „fehlendem Selbstbewusstsein“ in Verbindung. Da seine Einwechslungen im Weserstadion das Problem eher noch verschärften, ist auch die grundsätzliche Qualität des angreifenden Personals infragezustellen. Stürmer Philipp Hofmann, dessen persönliche Torebilanz auch im dritten Bundesliga-Jahr eher mau ist, schlägt vor, die taktische Ausrichtung anzupassen: „Wir müssen mutiger sein und brauchen vorne mehr Leute.“

Vier Spiele, im Idealfall sogar sechs inklusive Relegation, hat der VfL in dieser Saison noch Zeit für eine Trendwende. Als nächstes gastiert Union Berlin im Bochumer Ruhrstadion. Das Spiel ist aus bekannten Gründen äußerst brisant. Auch deshalb hat das Schiedsgericht sein eigentlich für die Karwoche geplantes Urteil zur endgültigen Wertung des Hinspiels verschoben und will dieses erst nach dem Rückspiel verkünden. So oder so: Nicht nur auf den Rängen ist am kommenden Sonntag ein kühler Kopf gefragt, auch auf dem Platz. Einer der stärksten Bochumer wird nicht mitwirken dürfen. Ibrahima Sissiko sah nach Beteiligung an einer Rudelbildung in Bremen spät die Gelb-Rote-Karte. Dafür kehren Ordets und vor allem Bero zurück – mit der Hoffnung, dass die Spielanalyse mal anders ausfällt als zuletzt.


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(Foto: Imago / Nordphoto)