Rekorde in Sicht

Bochums große Ü30-Fraktion: VfL setzt weiter auf Erfahrung

Mit knapp über 30 gelten Arbeitnehmer in der Regel noch als Jungspunde. Im Fußball, zumindest beim kickenden Personal, werden die Spieler vom Boulevard oft schon als „Opas“ betitelt – was zuletzt auch in Bochum der Fall war. Beim letzten Spiel vor der langen Winterpause kamen die Profis im Schnitt auf 31,5 Lebensjahre. Noch nie war ein Bochumer Bundesliga-Team älter. Seit Gründung der Spielklasse 1963 bot lediglich Arminia Bielefeld eine ältere Startformation auf – noch. Die Spieler des VfL werden im Saisonverlauf schließlich nicht jünger.

Trend seit Jahren erkennbar

Der zu erwartende Eintrag in die Bundesliga-Geschichtsbücher käme dann keineswegs zufällig zustande. Jede Bochumer Startelf in dieser Saison kam im Schnitt auf mindestens 29 Jahre, das jüngste Team des VfL war immer noch älter als das älteste Team der 17 Konkurrenten. Kein Wunder, schließlich stellt der VfL auch den ältesten Kader der Liga. In der vergangenen Saison war es genauso. Auch im Aufstiegsjahr brachte der Revierklub deutlich mehr Erfahrung auf den Platz als die Konkurrenz. Interessant ist der Trend in der Kaderentwicklung: In der Saison 2018/19 waren die Spieler im Schnitt noch drei Jahre jünger als heute.

Heute sind die Profis im Schnitt 27,6 Jahre alt, knapp jeder Dritte jenseits der 30. Doch woran liegt das? Die externen Neuzugänge waren in den vergangenen fünf Jahren stets jünger als der bestehende Kader. Aber: Der Altersschnitt der Neuen stieg über die Jahre kontinuierlich an. Ganz bewusst haben die Verantwortlichen um den damaligen Manager Sebastian Schindzielorz und Ex-Trainer Thomas Reis auf Routine gesetzt, gerade Reis hat dies immer wieder betont, zuletzt im Sommer: „Nur mit jungem Gemüse werden wir nicht erfolgreich sein.“

Letsch hatte oft junge Teams

Doch sehen ihre Nachfolger – Patrick Fabian und Thomas Letsch – das genauso? Kurzfristig können sie an der Kaderstruktur ohnehin wenig ändern. Und ein grundsätzliches Problem sieht Letsch, der in der Vergangenheit meist mit deutlich jüngeren Teams gearbeitet hat, mit Blick auf den Altersschnitt auch nicht. „Die Struktur muss stimmen, die Ausgeglichenheit im Kader, die Mentalität – dann ist es egal, ob du 32 oder 19 Jahre alt bist“, sagte der Coach kurz nach seinem Amtsantritt. Im Abstiegskampf kann die Ü30-Fraktion sogar vorteilhaft sein: „In kritischen Situationen hat Erfahrung noch nie geschadet.“

Hinzu kommt, dass die älteren Spieler mit ihrer Vereinstreue auch für eine Verlässlichkeit sorgen, die es im Profifußball nur noch selten gibt. Kapitän Anthony Losilla ist seit mehr als acht Jahren fester Bestandteil der Mannschaft, Danilo Soares seit 2017, auch Cristian Gamboa und Simon Zoller sind länger dabei als andere. Manuel Riemann, der noch in dieser Saison sein 250. Pflichtspiel für den VfL absolvieren könnte, lehnte im Sommer sogar Angebote von zwei Mitbewerbern ab – während viele Jungspunde den Verein wechselten.

Losilla direkt hinter Hasebe

Riemann verlängerte bis 2025. „Und das wird hoffentlich nicht mein letzter Vertrag sein. Ich habe nichts dagegen, mit 44 noch im Tor zu stehen”, sagt der Keeper, der bis mindestens 2024 auch mit Soares, Gamboa und Zoller zusammenspielen wird. Spielen ist hier vermutlich wörtlich zu nehmen. Denn wenn sie fit waren, gehörten sie immer zum Stammpersonal. Auch Anthony Losilla, dessen Vertrag am Saisonende ausläuft, denkt noch nicht ans Aufhören. Gespräche über eine mögliche Vertragsverlängerung sollen bald starten. Hinter Makoto Hasebe von Eintracht Frankfurt ist er aktuell der zweitälteste Spieler der Liga.

(Foto: Firo Sportphoto)