Bundesliga

„Jedes Spiel Gänsehaut“: VfL macht Bochum stolz

Als Spieler und Fans nach dem Aufstieg vor leeren Rängen angekündigt haben, die Party werde in der neuen Saison nachgeholt, war Skepsis durchaus angebracht. Schnell hätte sich die Stimmung durch unerfreuliche Ergebnisse drehen können. Doch das Gegenteil ist der Fall: Zu Saisonbeginn, als es mehr Niederlagen als Punkte gab, feierten die Anhänger trotzdem weiter. Und nun, nach vier Erfolgserlebnissen in fünf Pflichtspielen, kennt die Bochumer Fußball-Euphorie erst recht keine Grenzen mehr. Die Bochumer sind so stolz auf ihr Team wie schon lange nicht mehr, jedes Spiel wird zelebriert.

„Unsere Fans sind überragend. Es ist einfach geil, solch eine Stimmung bei jedem Spiel zu erleben“, schwärmt Kapitän Anthony Losilla, der im Spätherbst seiner Karriere noch einmal Außergewöhnliches erlebt: „Wir genießen jede Partie und sind sehr dankbar.“ Den knapp 20.000 Anhängern bei jedem Heimspiel geht es offenbar genauso. Sie honorieren den Einsatzwillen und die Leidenschaft ihrer Mannschaft, die eine Malochermentalität beweist, wie man sie im Ruhrgebiet zu schätzen weiß. Die bisherigen Auftritte machen Hoffnung, dass das Abenteuer Bundesliga im kommenden Mai nicht schon wieder vorbei ist.

Bochumer Heimstärke

Im Ruhrstadion sind die Bochumer tatsächlich nur schwer zu bezwingen. 10 seiner 13 Punkte holte der Aufsteiger zu Hause, dazu gab es einen Sieg im Pokal, teils mit besonderer Dramatik. Gegen Frankfurt fiel das entscheidende 2:0 in der Nachspielzeit. Gegen Augsburg im Pokal ging es ins Elfmeterschießen, in dem Torhüter Manuel Riemann den letzten Ball selbst verwandelte. Und gegen Hoffenheim gab es zwei späte Jokertore, eines davon aus 66 Metern. Was der frühere Trainer Gertjan Verbeek zwar ankündigte, aber nie so wirklich in die Tat umsetzen konnte, ist nun Realität geworden: „Dem Gegner muss es dünn durch die Hose laufen.“ Gleich mehrere Gästetrainer – von Bo Svensson aus Mainz bis Sebastian Hoeneß aus Hoffenheim – staunten bereits über die Stimmung. Sky-Kommentator Klaus Veltman war ebenso beeindruckt. Seine Reportage am vergangenen Wochenende beendete er mit diesem Satz: „Das Bochumer Stadion, die vielleicht letzte Kultstätte der Bundesliga.“ Kein Marketingexperte hätte es besser formulieren können.

Bei Thomas Reis werden sogar schon Erinnerungen an seine aktive Zeit beim VfL wach. „Das habe ich bisher nur im UEFA-Cup erlebt“, sagt Bochums Trainer und denkt dabei an den Herbst 1997 zurück. „Die Euphorie gibt uns unheimlich viel Kraft. Ich erlebe hier jedes Spiel mit Gänsehaut.“ Über Jahre, eigentlich sogar jahrzehntelang, war der VfL festes Mitglied der Bundesliga, für viele Fans war das selbstverständlich. Elf Jahre im Fußball-Unterhaus haben die Sichtweise offenbar verändert – plötzlich ist die Bundesliga wieder etwas Besonderes, zum Genießen, zum Feiern. Kinder und Jugendliche, selbst junge Erwachsene, sind hingegen zum ersten Mal dabei, wenn ihr Klub auf die ganz Großen trifft und sich dabei besser schlägt als gedacht.

Auswärts noch zulegen

Nur auswärts läuft es für die Bochumer bislang noch nicht nach Wunsch. Fünf Niederlagen stehen einem Sieg gegenüber, obwohl die Unterstützung auch in der Fremde erstklassig ist. In München etwa waren die mitgereisten Anhänger trotz der 0:7-Pleite lauter als die Fans der Bayern, ähnlich war es zuletzt in Mönchengladbach. Beim kommenden Auswärtsspiel in Leverkusen dürfte es genauso aussehen. Die Gästetickets waren binnen weniger Minuten vergriffen, ein Zusatzkontingent ebenfalls. Die Party in der Bundesliga soll schließlich weitergehen – sofern Corona nicht dazwischenfunkt.

(Foto: Firo Sportphoto)