Rückkehr von Reis

Bochum gegen Schalke: Warum das Derby so brisant wird

Das erste Derby gegen Schalke 04 im Ruhrstadion seit Anfang 2010 wirft seine Schatten voraus. ​Die Anspannung ist spürbar – bei den Spielern und Verantwortlichen des VfL Bochum, vor allem aber bei den Fans. Praktisch alle Anhänger sprechen vom sportlich und emotional wichtigsten Duell der Saison, mit einer Wirkung weit darüber hinaus. Die Gründe dafür sind vielfältig…

Die Rivalität: Von Bochumer Seite aus ist die Abneigung gegen Schalke wohl etwas größer als umgekehrt, schließlich gibt es bei den Königsblauen noch die Rivalität mit Schwarz-Gelb. Dennoch: Beide Fanlager fiebern dem Spiel entgegen und wissen um die Brisanz – ebenso wie die Spieler. Dass Schalke-Torwart Ralf Fährmann von einem „Heimspiel in Bochum“ ausgeht, ist jedoch mehr als gewagt. Offiziell werden nur 2.700 Schalker im Ruhrstadion sein. Der VfL hat verschiedene Maßnahmen ergriffen, damit es nicht deutlich mehr werden.

Die Vorgeschichte: Das Hinspiel im September ging mit 3:1 an S04, anschließend hat der VfL Trainer Thomas Reis beurlaubt. Den bislang letzten Sieg für Bochum gegen Schalke gab es im Februar 2009. In besonderer Erinnerung bleibt vor allem der Triumph im April 2007, als sich Schalke auf dem Weg zur Meisterschaft wähnte, aber vom siegreichen VfL gestoppt wurde (siehe Extra-Story). 2001 war es ähnlich, da schaffte der vermeintliche Außenseiter kurz vor Saisonende ein 1:1 – Punkte, die den Knappen zum Titel fehlten.

Die Causa Reis: Schon vor der Saison hat Thomas Reis mit S04 verhandelt, obwohl er stets seine Liebe zum VfL beteuerte. Dann gab es sechs Pleiten und die Geschichte mit Schalke kam an die Öffentlichkeit. Reis wollte das nicht zugegeben, hat gelogen und viele VfL-Fans schwer enttäuscht. Er wurde gefeuert. Mit Verspätung ist der 49-Jährige nun doch auf Schalke gelandet. Bei seiner ersten Rückkehr ins Ruhrstadion erwartet er „nicht viel Liebe.“ Reis möchte aber jedem Bochumer, dem er persönlich begegnet, die Hand reichen.

Das Insiderwissen: Dass Reis und Co-Trainer Gellhaus die VfL-Spieler besonders gut kennen, sei sicher ein Vorteil, sagt Nachfolger Thomas Letsch, aber kein großer. „Wir kennen ihre Herangehensweise ja auch.“ Reis hat seine Mannschaft besonders vor der Bochumer Zweikampfstärke, den schnellen Außen und den langen Bällen von Manuel Riemann auf Philipp Hofmann gewarnt. Beide Teams pflegen einen ähnlichen Spielstil. Vorteil für Schalke: Reis hat seiner Mannschaft das Verteidigen beigebracht. Der VfL hat damit weiter Probleme.

Das Personal: In beiden Klubs arbeiten etliche Personen, die schon auf der anderen Seite tätig waren. Bestes Beispiel: VfL-Angreifer Philipp Hofmann wurde auf Schalke ausgebildet. Er steht in der Startelf. Verzichten muss der VfL auf Kapitän Anthony Losilla – ein gravierender Ausfall. Auch Cristian Gamboa, Simon Zoller und Gerrit Holtmann fehlen. Ivan Ordets und Danilo Soares, die in Bremen schmerzlich vermisst wurden, stehen dagegen wieder zur Verfügung. Sicher ist: Einige VfL-Profis werden gegen Reis besonders motiviert sein.

Das Stadion: Unter der Leitung von Thomas Letsch hat der VfL von sechs Heimspielen fünf gewonnen. Umgekehrt hat Schalke keines der letzten 38 Auswärtsspiele in der Bundesliga siegreich gestalten können. Der Spielort dürfte dem VfL also entgegenkommen. Gekickt wird auf einem neuen Rasen, der erst vor wenigen Tagen verlegt wurde. Thomas Reis weiß das alles und bereitet seine Mannschaft auf „Hektik und eine hitzige Atmosphäre“ vor. Er hofft, dass alles friedlich bleibt – die Bochumer Verantwortlichen ebenso.

Die Stimmung: Sowohl Letsch als auch Fabian gehen von einer emotionalen Angelegenheit auf und neben dem Platz aus. Letsch fordert ein „feuriges Herz“, aber auch einen „kühlen Kopf“, um den taktischen Plan einzuhalten und „clever zu spielen“. Fabian befürchtet, dass das Thema Reis vor dem Anpfiff „nochmal hochkommt“, hat aber einen Wunsch an die Fans: „Ich hoffe, dass sich alle im Stadion auf das fokussieren, was im Mittelpunkt steht: das Spiel.“ Im Klartext: Die Fangesänge sollen pro VfL und nicht contra Schalke sein.

Die Tabellenkonstellation: Schalke steht genau drei Punkte hinter dem VfL, hat sich herangekämpft. Für die Königsblauen ist das Spiel wohl noch bedeutsamer. Aber auch für Bochum ist es richtungweisend. Mit einem Sieg könnte der VfL seinen Kontrahenten etwas abschütteln. Thomas Letsch wehrt sich allerdings dagegen, von einem Endspiel zu sprechen: „Das ist es nicht. Weder sind wir bei einem Sieg gerettet noch bei einer Niederlage abgeschlagen.“ Ein klassisches Sechs-Punkte-Spiel ist es aber sehr wohl.

Die Formkurve: Schalke hat zuletzt fünf Spiele in Folge nicht verloren und am vergangenen Samstag erstmals wieder gewonnen. Beim VfL wiederum zeigt den Trend gerade nach unten. Doch Thomas Letsch verspricht einen anderen Auftritt als in Bremen: „Ich sehe nicht die Gefahr, dass uns das noch einmal passieren wird.“ Gewinnt Schalke, bleibt die Reis-Elf im Aufwind und Bochum stürzt auf Platz 18. Siegt der VfL, dann bremst er den Nachbarn aus und geht selbst voller Hoffnung ins letzte Saisondrittel. Mehr Spannung geht nicht.

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