Emotionen im Fußball sind nicht rational erklärbar. Nach dem 2:7-Debakel bei Eintracht Frankfurt in der Vorwoche war die Hoffnung auf den Bochumer Klassenerhalt bei vielen Fans schon fast verschwunden. Exakt eine Woche später ist der Glaube an eine totgesagte Mannschaft bei vielen Anhängern plötzlich wieder da. Hochmütig sangen einige von ihnen nach dem 1:1 gegen Bayer Leverkusen sogar schon, dass der VfL „nie mehr“ in der 2. Liga spielen müsse; obwohl ihr Team weiter sieglos und Tabellenletzter ist. Diese Gefühlsexplosion sei den leidgeprüften Stadionbesucher aber gestattet, basiert sie doch auf einer Leistungsexplosion, mit der selbst der neue Trainer Dieter Hecking nicht gerechnet hat. „In der Kürze der Zeit habe ich das so nicht erwartet“, sagte er nach seinem Einstand voller Anerkennung.
Spieler loben Hecking
Nur vier Tage lagen zwischen Heckings Dienstbeginn und seinem ersten Pflichtspiel. Der erfahrene Fußballlehrer hat die Zeit optimal genutzt. Seine Mannschaft trat defensiv kompakter auf als zuletzt und zeigte sich in der Zweikampfführung deutlich verbessert. „Sie haben sehr eng verteidigt, sehr diszipliniert“, lobte Meister-Trainer Xabi Alonso den VfL. „Wir haben viel an unserer Stabilität gearbeitet und klare Abläufe trainiert“, bestätigte Kapitän Anthony Losilla, der den Eindruck vermittelte, als sei das in den vergangenen Wochen nicht immer der Fall gewesen. Gerrit Holtmann adelte Hecking sogar in einer Art und Weise, die nach wenigen Tagen der Zusammenarbeit eher ungewöhnlich ist: „Er ist ein überragender Trainer mit Aura und Charisma. Er hat eine große Erfahrung, du glaubst ihm alles.“
Miyoshi mit dem Ausgleich
Gegen das Starensemble aus Leverkusen ließ der VfL nur wenige klare Torchancen zu. Dank schneller Gegenstöße waren die Bochumer auch offensiv präsent, wenngleich gefährliche Strafraumaktionen eher Mangelware blieben. Die entscheidende Ausnahme gab es jedoch kurz vor Ende, als der eingewechselte Koji Miyoshi aus spitzem Winkel den Ausgleich erzielte. Die Bochumer belohnten sich für eine engagierte Leistung und den bislang besten Saisonauftritt mit einem Punkt, der den positiven Eindruck verstärkt und sich im Grunde wie ein Sieg anfühlt. „Wir haben das gezeigt, was wir neun Spiele haben vermissen lassen“, sprach Holtmann vielen Fans aus der Seele. Der VfL präsentierte sich mit einer Fünfer-Abwehrreihe, mit drei zentralen Mittelfeldspielern und zwei Angreifern wie ausgewechselt.
Vier Wechsel in der Startelf
Neben Holtmann kamen auch Tim Oermann, Jakov Medic und Matus Bero neu ins Team und erhöhten die Handlungsschnelligkeit. „Ohne Tempo kannst du in den besten Ligen nicht bestehen“, erklärte Hecking nach der Partie. Etablierte Kräfte wie Ivan Ordets, Erhan Masovic und Dani de Wit mussten stattdessen auf der Bank Platz nehmen. Maximilian Wittek rückte erstmals in die Innenverteidigung, der bislang kaum berücksichtigte Holtmann nahm die Rolle des linken Schienenspielers ein. Ungewöhnliche Maßnahmen, die aber dafür sorgten, den amtierenden Meister kaum ins Spiel kommen zu lassen. Auch der frühe Rückstand irritierte den zuletzt instabilen VfL keineswegs. Die Hecking-Elf ließ die altbekannten Bochumer Tugenden wieder aufleben, deren Grundlage bedingungsloser Einsatz ist.
Feinschliff in der Pause
Das honorierten auch die Zuschauer. „Diese Stimmung habe ich vermisst“, sagte Kapitän Losilla. „Das ist der VfL, den wir kennen.“ Hecking betonte, dass diese Darbietung nun der Maßstab für die kommenden Wochen sei: „Das Spiel kann ein Wendepunkt sein. Aber wir brauchen das, was wir gezeigt haben, jetzt noch 24-mal.“ Die nun anstehende Länderspielpause will der Übungsleiter nutzen, um Abläufe zu verfeinern. „Am Dienstag beginnt eine intensive Trainingswoche“, kündigte Hecking nach dem Punktgewinn an. Die Bochumer planen mindestens ein Testspiel, wahrscheinlich sogar noch ein zweites. Ausnahmsweise dürften diese Duelle auch einen Wert haben. Alle Akteure möchten sich den Fokus des neuen Trainers spielen. Wie bei den Fans ist auch bei ihnen die Hoffnung zurückgekehrt.
Ihr wollt das VfL-Magazin einmalig oder dauerhaft unterstützen? Nutzt dafür gerne die unkomplizierte Zahlungsoption via PayPal. Danke, dass ihr Berichterstattung dieser Art auch in Zukunft möglich macht.
(Foto: Imago / Revierfoto)