Den Stadion-DJ kennt in Bochum namentlich fast niemand. Doch am Samstagnachmittag im Derby gegen Borussia Dortmund hatte Klaus Wonner seinen großen Auftritt. Zunächst bejubelten die Fans des VfL den Treffer zum 1:0 noch zu den üblichen Klängen des „Cancan“. Doch dann bemerkte Wonner, dass Winter-Neuzugang und Griechenlands Nationalspieler Georgios Masouras den Ball über die Linie gedrückt hatte. Der DJ war vorbereitet und schob prompt den „Sirtaki“ hinterher. Nicht nur Wonner freute sich darüber, dass er nur zwei Minuten später auf die Wiederholungstaste drücken durfte. Denn Masouras nutzte am Ende der ersten Halbzeit einen schweren Fehler von Niklas Süle, fing dessen zu kurz geratenen Rückpass ab, lief alleine auf Gregor Kobel zu und hob den Ball zum 2:0 ins Dortmunder Tor. Die Fans auf den Rängen tanzten vor Freude, und dieses seltene Hochgefühl hielt bis weit nach Schlusspfiff an.
Souverän verteidigt
Denn der VfL ließ gegen den schwachen und fast wehrlosen Champions-League-Teilnehmer aus der Nachbarstadt praktisch nichts mehr anbrennen. Im Hinspiel führte der VfL ebenfalls mit 2:0, verlor am Ende aber mit 2:4. Nun brachten die Bochumer die Führung sogar ungefährdet über die Zeit. In der ersten Halbzeit hatte Dortmunds Serhou Guirassy dreimal die Chance, Timo Horn zu überwinden. Im zweiten Durchgang hingegen musste Bochums souveräner Ersatzkeeper bei seinem Bundesliga-Comeback und VfL-Debüt kaum noch eingreifen. Die Bochumer waren der frühen Entscheidung sogar näher als der BVB dem Anschlusstreffer, doch Masouras verpasste den Dreierpack. Nötig war er nicht mehr, der VfL verteidigte geschlossen, leidenschaftlich und hielt erst zum dritten Mal in dieser Saison die Null auf der richtigen Seite. „Wir haben ein überragendes Spiel gemacht und verdient gewonnen“, lobte Dieter Hecking sein Team für die bislang beste Saisonleistung. Dabei ging auch der Plan des Trainers voll auf.
„Von der ersten Minute an waren wir präsent, haben Dortmund gestresst und zu Fehlern gezwungen“, erzählte Hecking mit Begeisterung. Mit einer solch intensiven Spielweise kommt der kriselnde BVB bekanntermaßen nicht klar. Dass der VfL seinen dritten Saisonsieg aber ausgerechnet im prestigeträchtigen Derby feiern würde, war im Vorfeld nicht unbedingt zu erwarten. Trainer Hecking musste mit Top-Torjäger Myron Boadu, den beiden Schienenspielern Felix Passlack und Maximilian Wittek sowie mit Torhüter Patrick Drewes auf vier etatmäßige Stammspieler verzichten. Doch Heckings personelle und taktische Alternativideen waren die richtigen. Hecking stellte auf ein 5-3-2-System um mit Ibrahima Sissoko, Philipp Hofmann, Erhan Masovic und Timo Horn. Das Quartett überzeugte fast ausnahmslos. Auch Tim Oermann und Gerrit Holtmann kamen in ihren ungewohnten Rollen als Schienenspieler gut zurecht.
Zu den besten Bochumern gehörten neben dem Doppel-Torschützen Masouras vor allem Sissoko und Neuzugang Tom Krauß. Aber auch der viel gescholtene Hofmann wusste zu gefallen. Zum Beispiel beim 1:0, als Schiedsrichter Harm Osmers einen Vorteil für den VfL laufen ließ und Hofmann den Ball präzise aufs Tor schob, Masouras aber auf Nummer sicher gehen wollte und das Spielgerät noch berührte. „Er hat sich schon in der Halbzeit mehrfach entschuldigt, weil er wusste, dass der Ball auch ohne ihn reingegangen wäre“, verriet Hofmann nach dem Spiel, ärgert sich aber nicht, sondern freute sich über den Teamerfolg: „Das werden wir jetzt genießen. Dieser Sieg ist wichtig für die Köpfe.“ Der VfL ist zum ersten Mal seit September nicht mehr Tabellenletzter, der Relegationsplatz ist wieder greifbar. Die Hoffnung auf den Klassenerhalt ist selbst bei den größten Skeptikern zurückgekehrt. „Einen solchen Sieg haben wir gebraucht. Ich habe immer gesagt, dass wir auch mal außergewöhnlich punkten müssen“, bekräftigte Hecking.
Erinnerungen an Gekas
Für den erfahrenen Fußballlehrer ist klar, dass der Auftritt im Derby der Maßstab für die anstehenden Spiele sein muss. Am kommenden Samstag reisen die Bochumer nach Wolfsburg, anschließend kommt Kellerkonkurrent Hoffenheim ins Ruhrstadion, das im Abstiegskampf abermals zum entscheidenden Faktor werden könnte. Zur guten Stimmung kann natürlich auch der Sirtaki beitragen, der sogar die Spieler begeistert hat. „Das war witzig und kam etwas überraschend. Wir haben ein bisschen getanzt“, verriet Hofmann, nachdem Stadion-DJ Wonner die Melodie des griechischen Volkstanzes auch unmittelbar nach dem Schlusspfiff eingespielt hatte. Erinnerungen wurden wach an Theofanis Gekas, der den VfL anno 2007 ebenfalls mit einem Doppelpack zum Derbysieg gegen Borussia Dortmund schoss. Am Saisonende hielt der VfL übrigens die Klasse und blieb in der Bundesliga.
Ihr wollt das VfL-Magazin einmalig oder dauerhaft unterstützen? Nutzt dafür gerne die unkomplizierte Zahlungsoption via PayPal. Danke, dass ihr Berichterstattung dieser Art auch in Zukunft möglich macht.
(Foto: Marc Niemeyer)