4:2 gegen die Bayern

Sieg fürs Geschichtsbuch: Bochum verneigt sich

Wunder gibt es immer wieder. Doch die 8.500 Fans im Bochumer Ruhrstadion trauten ihren Augen kaum. Viele von ihnen schüttelten in der Halbzeitpause ungläubig den Kopf. Tatsächlich: Ihr VfL führt gegen den großen FC Bayern. Nicht knapp, nein, mit 4:1! Schon zu diesem Zeitpunkt war klar: Hier wird Bochumer Fußballgeschichte geschrieben. Entweder mit dem ersten Sieg gegen den Rekordmeister seit 18 Jahren, als Peter Madsen dem VfL einen 1:0-Erfolg bescherte. Oder aber mit einer Kopie des Jahrhundertspiels von 1976, als der VfL gegen die Bayern mit 4:0 führte, aber noch mit 5:6 verlor. Zeitzeugen von damals freuten sich in der Pause mit einer gewissen Zurückhaltung.

Vier Tore in der ersten Hälfte

Doch die Mannschaft von heute weiß, wie Führungen verteidigt werden: Sich in jeden Schuss zu werfen, jeden Sprint mitzugehen, und den Bayern die Freude am Fußballspielen zu nehmen. Am Ende verdienten sich alle Bochumer Bestnoten, niemand fiel ab oder sollte hervorgehoben werden. Nur einmal waren die Münchner im zweiten Durchgang erfolgreich, doch der Anschlusstreffer durch Robert Lewandowski vor der Schlussviertelstunde blieb Ergebniskosmetik. Mit großer Leidenschaft auf dem Rasen und getragen von der Euphorie auf den Rängen, brachte der VfL den verdienten 4:2-Sieg ins Ziel – und hat die Vereinschronik um ein neues, besonderes Kapitel erweitert.

Die Grundlage für diesen außergewöhnlichen Erfolg wurde schon in der ersten Halbzeit gelegt. Nach dem frühen 0:1-Rückstand stellte sich keineswegs die erwartbare Bayern-Dominanz ein. Stattdessen spielte sich der mutige Aufsteiger in einen Rausch: Christopher Antwi-Adjei erzielte mit seinem ersten Tor im VfL-Trikot den Ausgleich, Jürgen Locadia mit seinem Premierentreffer die Führung. Souverän verwandelte der Angreifer einen Handelfmeter. Anschließend reichte die Mannschaft eine doppelte Bewerbung für das Tor des Monats ein: Erst traf Cristian Gamboa spektakulär in den linken Winkel, dann Gerrit Holtmann in den rechten – zwei Sonntagsschüsse am Samstagnachmittag.

Revanche für die Hinspiel-Pleite

Schon in ihrer Entstehung waren beide Tore sehenswert. Gamboa hatte Kingsley Coman zuvor einen Beinschuss verpasst und mit Patrick Osterhage einen zweifachen Doppelpass gespielt, ehe der Rechtsverteidiger das Ruhrstadion zum Beben brachte. „Es war einfach ein Traum. Die erste Halbzeit war unglaublich“, sagte Gamboa später, der beim 4:1 durch Gerrit Holtmann wieder die Zuschauerrolle einnahm. Bochums Flügelflitzer, der die Bayern-Defensive immer wieder schwindelig spielte, zog in Arjen-Robben-Manier von der linken Seite nach innen und erzielte mit seinem rechten Fuß das 4:1. „Den hat er eigentlich nur zum Stehen“, scherzte Trainer Thomas Reis nach der Partie.

Zu Beginn der zweiten Halbzeit hatten die Bochumer sogar noch Chancen auf das fünfte Tor. Darüber sprach am Ende aber kaum jemand, denn zur gefürchteten Aufholjagd der Bayern kam es nicht mehr. „Wir wollten aktiv verteidigen und wussten, dass die Bayern, wenn auch selten, zu schlagen sind. So ein Tag war heute“, freute sich Thomas Reis über den gelungenen Auftritt. „Die Mannschaft hat sich von dem frühen Gegentor nicht aus der Ruhe bringen lassen. Das zeigt die sehr gute Entwicklung, die wir genommen haben.“ Das Hinspiel hatte der VfL noch mit 0:7 verloren. Auch dieses Ergebnis ging in die Geschichtsbücher ein, es war die höchste Niederlage der Klubhistorie.

Stromausfall kurz vor Spielbeginn

Nun also die Revanche, die nur von äußeren Kräften hätte verhindert werden können. Kurz vor dem Spiel gab es einen Stromausfall im Stadion und im direkten Umfeld. Die Bochum-Hymne konnte nicht abgespielt werden, auch das Flutlicht funktionierte nicht mehr. Zu diesem Zeitpunkt war es aber noch hell – und der Strom pünktlich zum 1:1 wieder da. Die Mitarbeiter der Stadtwerke leisteten gute Arbeit, wobei das Gerücht kursiert, dass Christopher Antwi-Adjei das Licht mit seinem Tor höchstpersönlich wieder angeknipst hat. Wie auch immer: Fußball-Bochum staunte, was anschließend geschah, und verneigt sich stolz vor den Bayern-Bezwingern. Ein Tag für die Ewigkeit.

(Foto: picture alliance)