Zwischenbilanz

Einmal gegen alle: Bochum in der Letsch-Tabelle Elfter

Der Anfang war schrecklich. Sang- und klaglos ging der VfL Anfang Oktober beim Bundesliga-Debüt von Trainer Thomas Letsch unter, die Bochumer unterlagen RB Leipzig am Ende mit 0:4, ohne dass sie den Hauch einer Chance hatten. Letsch hatte freiwillig auf den bis dahin unangefochtenen Kevin Stöger verzichtet, dafür mit Jannes Horn und Tim Oermann in einer Dreierkette, Jacek Goralski als Sechser sowie Simon Zoller und Gerrit Holtmann als Doppelspitze gespielt. Kurzum: Der frisch installierte Fußballlehrer griff nicht nur einmal daneben. Doch Letsch bewies anschließend, dass er selbstkritisch und nicht stur ist. „Ich wollte zu viel auf einmal“, sagte er einige Wochen später. „Ich habe aus diesem Spiel viele Erkenntnisse gewinnen können. Wir haben uns dann darauf kon­zen­triert, was diese Mannschaft kann und wofür dieser Klub steht.“

Sieben Siege, zehn Niederlagen

Mit dem Spiel in Köln hat Letsch seine persönliche Halbserie nun beendet und gegen alle Bundesligisten einmal gespielt. Die Bilanz kann sich, gemessen an den Möglichkeiten des VfL, durchaus sehen lassen. Aus 17 Partien, die Letsch verantwortet hat, holte der VfL 21 Punkte. Das sind im Schnitt etwas mehr als 1,2 Punkte pro Spiel. Für ein Team, das den Klassenerhalt anstrebt, wäre diese Bilanz am Saisonende absolut ausreichend, wäre da nicht die Hypothek aus der Ära Reis. Letsch startete am achten Spieltag mit nur einem Punkt, den Interimstrainer Heiko Butscher holte – übrigens das einzige Unentschieden der Saison. Unter Letsch gab es anschließend stets klare Verhältnisse: Sieben Spiele gewann der 54-Jährige mit dem VfL, zehn verlor er. In der Letsch-Tabelle, die am achten Spieltag beginnt, steht der VfL auf Rang elf.

Immer noch zu viele Gegentore

Auch deshalb, weil der Trainer nach vier Niederlagen am Stück, darunter die enttäuschenden Auftritte gegen Bremen und Schalke, die richtigen Schlüsse gezogen und Bochum wieder gewonnen hat. Zum dritten Mal unter seiner Leitung blieb der VfL ohne Gegentor, zum zweiten Mal gelang ein Auswärtssieg. Generell sind beide Bilanzen auch unter Letsch noch ausbaufähig: Von zehn Partien in der Fremde hat er acht verloren, und zusammen mit den Heimspielen 37 Gegentreffer kassiert. Ansonsten aber zeigt der Trend unter Letsch klar nach oben. Vor allem die beeindruckende Serie mit fünf Heimsiegen nach Amtsantritt hat auch die Fans begeistert. „Wir haben uns herangekämpft und sind voll im Rennen“, sagte Letsch neulich. Bei seinem Amtsantritt war die Hoffnung auf den Klassenerhalt verschwindend gering, nun lebt sie wieder.

Kommunikativ und analytisch

Geschafft hat Letsch dies vor allem mit Resultaten, aber auch mit seiner ruhigen, kommunikativen und analytischen Art. Der Bundesliga-Neuling hat eine gute Mischung aus Nähe und Distanz gefunden, führt mit den Spielern viele Gespräche, ist dabei fordernd und diplomatisch zugleich. Während die Mannschaft unter Thomas Reis bisweilen großen Einfluss auf die Taktik nehmen durfte, gibt Letsch die Marschroute selber vor. „Ich bin von meiner Herangehensweise überzeugt, will und muss aber die Spieler mitnehmen und erklären, warum wir das so machen. Ich bin mit Sicherheit kein Kumpeltyp, aber ein Draht zur Mannschaft ist mir wichtig“, sagte er bei seinem Amtsantritt und scheut seither auch nicht vor unpopulären Entscheidungen zurück. Gegen Köln blieb ein Kaderplatz frei, weil sich nicht alle Spieler im Training aufgedrängt hätten.

Vertrag gilt für beide Ligen

Die Verantwortlichen stehen dabei voll hinter ihm. Deshalb wäre auch ein möglicher Sturz in die zweite Liga nicht automatisch mit dem nächsten Trainerwechsel verbunden. Beide Seiten können sich auch im Abstiegsfall eine weitere Zusammenarbeit vorstellen, der Vertrag gilt ohnehin bis 2024. Doch zu diesem Szenario soll es gar nicht erst kommen. Gegen seinen langjährigen Weggefährten und Freund Marco Rose will Letsch am Samstag zeigen, dass er aus dem Hinspiel gelernt hat. „Der VfL von damals hat nichts mit dem VfL von heute zu tun“, sagte Letsch zu Wochenbeginn. Auf wahrscheinlich sechs Positionen wird er das Team im Vergleich zum Hinspiel verändern. Philipp Hofmann, Erhan Masovic oder Christopher Antwi-Adjei blieb im Oktober nur die Zuschauerrolle – nun sind sie Eckpfeiler im Team von Thomas Letsch.

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(Foto: Marc Niemeyer)