Die ersten 100 Tage im Amt waren noch nicht ganz absolviert, da machte Ilja Kaenzig seinem Cheftrainer ein verlockendes Angebot. Der zu dieser Zeit noch alleinige Geschäftsführer des VfL Bochum stellte baldige Vertragsgespräche in Aussicht. Ende März gab der Revierklub mit Freude bekannt, dass der am Saisonende auslaufende Vertrag mit Dieter Hecking bis 2027 verlängert wurde. Der Haken: Die Vereinbarung tritt nur in Kraft, wenn der VfL den Klassenerhalt schafft. Sicher ist das keineswegs. Aktuell rangieren die Bochumer auf Position 17, zwei Punkte hinter Heidenheim auf dem Relegationsplatz und schon neun hinter St. Pauli. Der direkte Klassenerhalt ist kaum noch zu erreichen, die erneute Relegationsteilnahme allerdings noch aus eigener Kraft zu schaffen. Fünf Spiele stehen noch aus, darunter das direkte Duell in Heidenheim am 2. Mai.
Abstiegsfall nicht berücksichtigt
Der Glaube an den Ligaverbleib ist unverändert groß, mit dem Abstiegsfall müssen sich die Verantwortlichen dennoch beschäftigen – auch wenn sie diese Gedanken vor dem Heimspiel-Doppelpack und den zwei Niederlagen gegen Stuttgart und Augsburg noch zur Seite schieben wollten. „Wie es dann aussieht, wenn der Tag X kommt, der aber nicht kommen wird, haben wir offen gelassen“, sagte Kaenzig auf Nachfrage zu einem möglichen Zweitliga-Szenario. Bedeutet: Der 51-Jährige geht fest davon aus, dass die Bochumer in der Bundesliga bleiben. Und wenn nicht? Auch dann sei eine weitere Zusammenarbeit mit Hecking nicht ausgeschlossen. „Mein Ziel ist es, die Klasse zu halten. Ich möchte mich mit dem Abstiegsszenario gerade nicht befassen. Aber wir liegen nicht so weit auseinander, dass wir im Worst Case nicht doch noch einmal sprechen würden“, erklärte Hecking seine Entscheidung.
Aufholjagd stockt gerade
Die nun vereinbarte Lösung sei „fair für beide Seiten und keine Belastung für den VfL“, bekräftigte der erfahrene Fußballlehrer, dem es gelungen ist, den lange abgeschlagenen Revierklub überhaupt erst wieder in die Nähe des Relegationsplatzes zu bringen. Hecking ist im Verein unumstritten, seine Expertise wird von allen geschätzt. Nun aber stockt die Aufholjagd. Zuletzt hat seine Mannschaft viermal in Folge verloren und in der Rückrunde von elf Partien lediglich zwei gewonnen – ausgerechnet gegen die Schwergewichte Bayern München und Borussia Dortmund. Auch deshalb gibt es keinen Anlass für Zweifel. Kaenzig bezeichnete den Trainer zuletzt als die „wichtigste Person im Klub“, dem er und vor allem Dirk Dufner als neuer Sportchef „zuarbeiten“ wollen. Der neue zweite Geschäftsführer wurde explizit unter der Bedingung verpflichtet, dass er mit Dieter Hecking als Trainer einverstanden ist.
Hecking kennt auch die 2. Liga
Dennoch muss Dufner parallel zur komplizierten und zweigleisigen Kaderplanung auch den Trainermarkt sondieren. Nach den Erfahrungen in der jüngeren Vergangenheit bevorzugen die VfL-Bosse einen eher routinierten Trainer, den die Spieler als Respektsperson sehen. Angesichts dieses Profils wäre es mehr als naheliegend, sich mit Dieter Hecking im Falles des Abstiegs ein weiteres Mal an den Verhandlungstisch zu setzen. Sogar Zweitliga-Erfahrung würde er mitbringen. Hecking stand im Unterhaus insgesamt 183-mal als Trainer an der Seitenlinie. Zudem wäre er nicht der erste Coach, den der VfL trotz eines Abstiegs halten würde. Auch Jürgen Gelsdorf und Klaus Toppmöller wurden – wie nun Hecking – einst im November verpflichtet, konnten den Abstieg aber nicht mehr verändern. Beide durften bleiben und sind mit dem VfL prompt in die Bundesliga zurückgekehrt.
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(Foto: Marc Niemeyer)