Präsidium

Von „Einheit“ keine Spur: Villis lehnt Ehrenvorsitz ab

Manchmal muss nur etwas Zeit vergehen, ehe bestimmte Aussagen als unehrlich enttarnt werden, weil sie mit den Handlungen nicht übereinstimmen. In einem Mitgliederbrief hatte sich das Präsidium des VfL Bochum im November 2024 noch selbst als „Einheit“ bezeichnet. Auch von „Vielfalt und Zusammenhalt“ innerhalb des Gremiums war die Rede, obwohl es schon zu diesem Zeitpunkt erhebliche Risse in der Beziehung zwischen einzelnen Mitgliedern gab. Uwe Tigges, Martin Volpers, Christina Reinhardt und Andreas Eickhoff sollen bereits im Oktober 2024 die interne Abwahl von Hans-Peter Villis, dem langjährigen Vorsitzenden, geplant haben. Gegenüber Tief im Westen – Das VfL-Magazin dementierten zwei von ihnen dieses Vorhaben, das am 27. Januar 2025 schließlich doch umgesetzt wurde.

Da musste auch der VfL verkünden, dass das „notwendige gegenseitige Vertrauen“ unter der Führung von Villis „nicht mehr gewährleistet ist.“ Wochenlang hieß es, Villis könne nach Beendigung seiner Auszeit – die er zur Verhinderung einer früheren Abwahl eingelegt hatte – wieder in sein Amt zurückkehren. Als er Ende Januar genau dies tat, erfolgte prompt die Abwahl. Villis wurde nach mehr als zwölf Jahren als Klubvorsitzender von den eigenen Gremiumskollegen gestürzt, bleibt dem Präsidium aber mindestens bis zur Neuwahl am 14. Juni mit Stimmrecht erhalten. An der Klubspitze steht nun Uwe Tigges, der bisherige Stellvertreter von Villis, unterstützt von Martin Volpers und Christina Reinhardt. Sie werfen Villis, so übermitteln es Dritte, Alleingänge und die Missachtung von Absprachen vor. 

Wiederkehrende Villis-Kritik

Derartige Kritik an Villis ist nicht neu. Schon Ende 2017 gab es innerhalb des Präsidiums erstmals einen großen Knall, als sich mit Frank Goosen und Matthias Knälmann zwei Gremiumsmitglieder vor allem wegen Villis verabschiedeten. Finanz-Geschäftsführer Wilken Engelbracht verließ den Klub ebenfalls. Auch der frühzeitige und freiwillige Abschied von Sport-Geschäftsführer Sebastian Schindzielorz nach dem Klassenerhalt 2022 wurde klubintern immer wieder Villis angelastet. Dies führte auch zur Kandidatur des langjährigen Mannschaftsarztes Karl-Heinz Bauer bei der Präsidiumswahl nur wenige Monate später, als Villis bei einem Mitgliedervotum aber erneut triumphierte. Seine einstiegen Mitstreiter Tigges, Volpers, Reinhardt und Eickhoff sind nun jedoch zu seinen Widersachern geworden.

Villis will aktuell keinen Kommentar zu den Vorkommnissen abgeben, er verweist auf eine Vereinbarung innerhalb des Präsidiums, dass niemand mit Details an die Öffentlichkeit geht. Auch die übrigen Gremiumsmitglieder wollen sich zur Abwahl nicht weiter äußern, teilte ein Vereinssprecher auf Anfrage mit. Klar ist aber: Villis will die verlorene Machtposition im Juni zurückgewinnen und dafür ein neues Team aufstellen. Seine Kritiker hatten noch im Januar versucht, ihm einen eleganten Abschied zu ermöglichen und vorgeschlagen, ihn zum Ehrenvorsitzenden zu ernennen. Mehrere einflussreiche Personen – darunter Vertreter der Lokalpolitik – wurden damit beauftragt, Villis von dieser Idee zu überzeugen. Ohne Erfolg. Villis erkannte darin in erster Linie den Versuch, ihn schnellstmöglich loszuwerden.

Erschwerte Sportchef-Suche

Denn auch Tigges und Reinhardt wollen mit einem Team wieder antreten. Dass sie nicht von Beginn an mit offenen Karten gespielt und Mitgliedern wie Medien die Unwahrheit gesagt haben, lässt Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit aufkommen und gibt ihnen nicht den Rückenwind, den sie sich für die selbst ausgerufene Neuwahl vielleicht erhofft haben. Dass die Mitglieder erst im Juni über ihre neue Klubspitze entscheiden dürfen, sorgt für weitere Kritik. Die Ultras fordern eine frühere Ansetzung. Das jetzige Präsidium wiederum bevorzugt den Termin im Juni, weil dann die laufende Saison beendet und die neue noch nicht begonnen hat. Zudem verweist der VfL auf die Wahl des Fanvertreters, die vorher stattfinden müsse und aufgrund eines neuen Wahlverfahrens nicht früher organisiert werden könne.

Die lange Vorlaufzeit führt natürlich dazu, dass das jetzige Präsidium noch wichtige Zukunftsentscheidungen trifft, etwa den neuen Sportchef auswählen wird, der spätestens im März kommen soll. Maßgeblich beteiligt an der Suche ist Geschäftsführer Ilja Kaenzig, der nach Präsidiumsangaben auch dann Hauptverantwortlicher des VfL bleiben soll, wenn der neue Sportchef ebenfalls zum Geschäftsführer ernannt wird. Dass dieser allerdings nicht weiß, wer aus dem jetzigen Präsidium auch in Zukunft noch Teil der Vereinsspitze sein wird, erschwert die Suche. Mehrere Kandidaten sollen überaus skeptisch sein, weil sie nicht wissen, ob Vereinbartes in wenigen Monaten schon wieder hinfällig ist. Und Kaenzig? Wie er über die Vorgänge im Präsidium denkt und welchem Lager er mehr vertraut, ist bislang nicht bekannt. 


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(Foto: Imago / RHR-Foto)