Transferbilanz

Kein Leistungsträger dabei: Bochumer Zugänge enttäuschen

Für Dieter Hecking sind die Profis des VfL Bochum im Grunde alle neu. Seit gut einem Monat trainiert der 60-Jährige den Revierklub. Ob ein Spieler schon länger oder erst seit wenigen Monat das blau-weiße Trikot trägt, ist für ihn nicht relevant. Für viele Fans allerdings schon. Um nach dem ersten Drittel der Saison eine vorläufige Transferbilanz zu ziehen, lohnt vor allem ein Blick auf die Einsatzzeiten. Und da fällt auf: Obwohl mit Kevin Stöger, Takuma Asano, Keven Schlotterbeck und Patrick Osterhage im Sommer mindestens vier Stammkräfte den Verein verlassen haben, spielen die zehn Neuerwerbungen bislang nur eine untergeordnete Rolle. Bei der 0:1-Niederlage in Augsburg gehörten mit Patrick Drewes und Jakov Medic lediglich zwei Neuzugänge zur Bochumer Startelf – so wenige wie noch nie in dieser Saison.

Den Höchstwert erreichte der VfL noch unter Peter Zeidler beim Auswärtsspiel in Freiburg, als neben Drewes und Medic auch Koji Miyoshi, Dani de Wit und Ibrahima Sissoko von Beginn an spielten. Geholfen hat es allerdings nicht: Der VfL ging wie in den meisten Spielen als Verlierer vom Platz – was sicher auch an den enttäuschenden Darbietungen der Sommer-Einkäufe liegt. Zu einem Leistungsträger hat sich bislang keiner von ihnen entwickelt. Nur Patrick Drewes und Ibrahima Sissoko haben überhaupt alle zwölf Bundesliga-Spiele auf dem Rasen miterlebt, wobei Drewes der einzige ist, der stets zur Startelf gehörte, während Sissoko, der von den neuen Feldspielern noch am meisten überzeugte, zuletzt nur eingewechselt wurde. Das ist insofern bemerkenswert, weil Drewes eigentlich nur als Ersatztorhüter geholt wurde.

Viele Fehleinschätzungen

Weil aber mehrere Transferideen scheiterten, darunter Münchens Daniel Peretz und Kölns Marvin Schwäbe, rückte Drewes zur Nummer eins auf, und der VfL verpflichtete Anfang August Timo Horn als Herausforderer. Dass Schwäbe Ende August doch noch hätte verpflichtet werden können, passt ins Bild. In zu vielen Fällen hat sich der ehemalige Sportdirektor Marc Lettau geirrt. Vor allem seine vermeintlichen Königstransfers, die den Verlust wichtiger Stammkräfte auffangen sollten, sind mit Ausnahme von Sissoko bislang noch nicht die erhofften Verstärkungen. Speziell Dani de Wit ist weit davon entfernt, die Rolle von Kreativkopf Kevin Stöger einzunehmen. Dass de Wit kein klassischer Spielgestalter und Passgeber ist, war von Beginn an klar. Doch der Niederländer konnte auch in anderer Rolle noch nicht glänzen.

Erst zwei direkte Torbeteiligungen stehen in der Bilanz des hochgelobten Top-Verdieners, der unter Hecking sogar seinen Stammplatz verloren hat. Seit dessen Amtsantritt darf de Wit nur noch auf der Bank Platz nehmen, in Augsburg wurde er nicht einmal eingewechselt. Aus der Mannschaft ist zu hören, dass de Wit den Wechsel nach Bochum angeblich schon bereut, sogar ein vorzeitiger Abgang ist nicht auszuschließen. Dabei ist sein Vertrag noch bis 2028 datiert, genauso wie bei Koji Miyoshi. Die Einsatzzeiten des Japaners stehen bislang ebenfalls noch nicht im Verhältnis zum vergleichsweise großen Invest am letzten Transfertag. Der agile Mittelfeld-Allrounder, der gegen Leverkusen das bislang einzige Tor unter der Leitung des neuen Trainers erzielt hat, wurde in Augsburg nur eingewechselt.

Zwei Verletzte

Vor Torhüter Drewes durfte sich am vergangenen Wochenende einzig Jakov Medic zeigen, der mit seiner resoluten Verteidigungsweise zu gefallen weiß, sich aber immer wieder Flüchtigkeitsfehler im Spielaufbau erlaubt. Auf ihn muss der VfL jedoch vorerst verzichten. Medic hat in Augsburg eine kleine Fraktur der Augenhöhle erlitten und musste im Krankenhaus behandelt werden. Auch Myron Boadu fällt für das kommende Heimspiel gegen Werder Bremen aus. Nach seiner Schambein-Entzündung befindet sich der schnelle und technisch versierte Angreifer noch im Aufbautraining, wenngleich er noch vor Weihnachten wieder spielen soll. Mit zwei Treffern ist der Leihspieler vom AS Monaco trotz seiner Pause seit Mitte Oktober der gefährlichste VfL-Stürmer und immerhin ein Hoffnungsträger für die Rückrunde.

Boadu ist neben Medic und Balde einer von drei Neuen, die der VfL zunächst nur für eine Saison an sich gebunden hat, anschließend aber eine Kaufoption besitzt. Wobei diese bei Boadu derart hoch angesetzt ist, dass ein Verbleib auch im Falle des Klassenerhalts praktisch ausgeschlossen ist. Ähnliches gilt für Aliou Balde, bei dem es aber keine finanziellen, sondern sportliche wie disziplinarische Gründe sind. Bereits zweimal hat ihn Hecking wegen eines Fehlverhaltens öffentlich ermahnt und daraufhin aus dem Kader gestrichen. Angesichts dieser Umstände ist ein vorzeitiges Ende der Leihe im Winter denkbar. In diesem Zusammenhang muss sich der VfL jedoch die Frage gefallen lassen, wie er zum wiederholten Mal einen Spieler verpflichten konnte, der zwar als Profi bezeichnet wird, sich aber nicht so verhält.

Ohne Perspektive

Nicht wesentlich anders ist der Fall Samuel Bamba gelagert. Nur ein Kurzeinsatz als Joker steht derzeit in den Büchern; weitere werden vorerst nicht dazukommen. Bamba gehört seit Wochen und unabhängig vom Übungsleiter nicht mehr zum Spieltagskader. Peter Zeidler kritisierte mehrfach seinen Fitnesszustand – ein Problem, das schon in Dortmund existierte und somit vor der Verpflichtung hätte bekannt sein müssen. Bamba sammelte zuletzt gemeinsam mit Neuzugang Niklas Jahn Spielpraxis in der U21, fiel dort aber nicht sonderlich auf. Jahn wiederum zeigte zumindest vollen Einsatz, ist von der Klasse eines Bundesliga-Spielers aber noch weit entfernt. Ihm und auch Bamba würde im Winter sicher eine Leihe helfen. Konkrete Anfragen anderer Klubs liegen dem VfL bislang aber noch nicht vor.


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(Foto: Marc Niemeyer)