Es sind Nebenschauplätze, die der VfL Bochum in seiner jetzigen Situation nicht gebrauchen kann, die aber irgendwie ins Bild eines momentan chaotisch und zerstritten wirkenden Fußballklubs passen. Am Sonntagabend hatte der Bochumer Team-Kapitän dem Geschäftsführer des VfL vor laufenden Aufnahmegeräten vehement und auf ungewohnt deutliche Art widersprochen. Dabei ging es um die Aussage von Ilja Kaenzig, der Revierklub habe derzeit „keine einfache Mannschaft.“ Gleich zweimal, in einer Medienrunde am vergangenen Donnerstag sowie in der Pressekonferenz am Freitag, war Kaenzig nicht gut auf die eigenen Kicker zu sprechen. Damit hat er nicht nur die Unruhe im Umfeld weiter befeuert, sondern auch bei den Spielern für Irritationen gesorgt.
Losilla verteidigt die Mannschaft
Vor allem Anthony Losilla wehrte sich gegen diese Kritik. „Er ist unser Chef, er hat seine Meinung. Ich finde nicht, dass wir eine schwierige Gruppe haben. Wir hatten noch nie so eine einfache Gruppe“, sagte der Kapitän am Sonntag auf Nachfrage von Tief im Westen – Das VfL-Magazin und legte verärgert nach: „Ich finde schade, dass so etwas gesagt wird. Das brauchen wir nicht. Wir müssen eine Einheit sein.“ Schon wenige Minuten zuvor äußerte sich Losilla in ähnlicher Form im Interview mit dem WDR: „Klar, wir haben viele neue Gesichter, einige von ihnen können die Sprache nicht und kennen die VfL-Mentalität noch nicht. Aber negativ über die Mannschaft zu reden, bringt uns nicht weiter.“
Kaenzig und Losilla haben sich mittlerweile hinter den Kulissen ausgetauscht, doch eine Frage bleibt: Wer hat denn nun recht? Kaenzigs Argumente sind jedenfalls valide und fielen ursprünglich im Zusammenhang mit der laufenden Trainersuche. „Viele Spieler sind ambitioniert und haben auch hohe Ansprüche an den Verein. Der neue Trainer muss eine gewisse Autorität haben, Klartext sprechen“, erklärte Bochums alleiniger Geschäftsführer am vergangenen Donnerstag und präzisierte seine ursprüngliche Wortwahl am Freitag, blieb aber bei der gleichen Kernaussage. „Das bezieht sich nicht auf die Menschen, niemand ist böse oder negativ. Aber es gibt einfachere Kabinen im Fußball.“
Kaenzig will strenger sein
Interimstrainer Markus Feldhoff bestätigte diesen Eindruck, ohne konkreter zu werden und verwies einzig auf die Gruppengröße. 31 Spieler gehören offiziell zur Bochumer Mannschaft. Ungewöhnlich für VfL-Verhältnissse ist vor allem, dass zahlreiche Spieler der deutschen Sprache (noch) nicht mächtig sind. Dazu gehören unter anderem fünf Neuzugänge, aber auch Profis, die schon länger für den VfL kicken, die bislang aber nicht die Notwendigkeit gesehen haben, sich sprachlich zu integrieren. Das wiederum fördert eine Grüppchenbildung. „Wir müssen den Laden besser im Griff haben, noch enger führen“, bekräftigte Kaenzig, der vor gut einer Woche eine Kabinenansprache hielt.
Sauer aufgestoßen war ihm unter anderem, dass die Mannschaft schon bei kleineren Veränderungen interner Abläufe Widerstand geleistet hat und sensible Interna immer an die Öffentlichkeit kamen. Unter dem unbeliebten Ex-Trainer Peter Zeidler sollte es zum Beispiel feste Frühstückszeiten für alle, gemeinsame Spaziergänge und ein Bierverbot geben. Einige Spieler fühlten sich deswegen offenbar in ihrer Komfortzone gestört. Zudem trug Zeidler innerhalb des Kabinentrakts einen Spitznamen, der zwar nicht bösartig ist, aber dennoch auf mangelnden Respekt schließen lässt. Derartige Randthemen in Kombination mit dem letzten Tabellenplatz möchte Kaenzig in Zukunft gerne vermeiden.
Führungsspieler fehlen zurzeit
Bald soll sich um Probleme dieser Art ohnehin nicht mehr der Geschäftsführer, sondern der neue Sportdirektor kümmern. Für gewöhnlich sind dann vor allem die Führungsspieler seine Ansprechpartner. An denen mangelt es gerade aber. Kevin Stöger, Keven Schlotterbeck und Manuel Riemann haben nicht nur sportlich, sondern auch abseits des Platzes eine große Lücke hinterlassen. Vize-Kapitän Philipp Hofmann ist kein unumstrittener Stammspieler, und hinter Maximilian Wittek, der die Binde ebenfalls schon tragen durfte, fehlen Leitwölfe. Die Mannschaft ist generell zu leise, praktisch keiner marschiert vorneweg. Die vielen Neuen haben fast niemanden, an dem sie sich orientieren können. Das zu regeln, wird auch für den neuen Trainer eine schwierige Aufgabe. Nichts anderes hat Ilja Kaenzig übrigens gesagt.
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(Foto: Marc Niemeyer)