Sein Statement ließ wenig Interpretationsspielraum. Als Sportdirektor Marc Lettau am vergangenen Samstag nach der 1:3-Niederlage gegen Wolfsburg mit den versammelten Bochumer Sportjournalisten sprach und erklärte, dass er weder heute, noch morgen oder übermorgen eine Trainerdiskussion führen werde, war klar: Peter Zeidler wird auch in zwei Wochen beim Auswärtsspiel gegen die TSG Hoffenheim für die Aufstellung und Taktik des VfL Bochum verantwortlich sein. Daran hat sich nichts geändert. Zeidler führt die Mannschaft durch die pflichtspielfreie Woche, reist mit ihr am Donnerstag gemeinsam zum Testduell nach Köln und hat auch für Freitag und Samstag je eine Trainingseinheit angesetzt. Das freie Wochenende, das viele Spieler gerne für einen Kurzurlaub genutzt haben, ist gestrichen.
Aktuell Schlusslicht der Liga
Die Lage ist ernst beim Tabellenletzten der Bundesliga. Und wenn man in diesen Tagen nicht nur wiedergibt, was die Verantwortlichen und Spieler vor laufenden Kameras sagen, sondern auch hinter die Kulissen schaut, dann ist klar: Intern wird die Gesamtsituation nach sieben Pflichtspielen ohne Sieg inklusive Pokal-Aus und nur einem Punkt in der Liga deutlich kritischer bewertet als es nach außen kommuniziert wird. Teile der Klubspitze, die aus dem siebenköpfigen Präsidium, Geschäftsführer Ilja Kaenzig sowie Sportdirektor Marc Lettau besteht, beäugen Zeidlers Arbeit zunehmend kritisch. Sie alle sind allerdings bestrebt, gemeinsam mit ihm Lösungen zu finden. Zusammen soll möglichst schnell die Trendwende gelingen. Ein messbarer Fortschritt in Form von Ergebnissen ist dabei unabdingbar.
Zeidler seit 100 Tagen im Amt
Anderenfalls dürften auch in Bochum die üblichen Mechanismen des Geschäfts greifen. Vorher haben aber auch die Verantwortlichen ein Interesse daran, dass Zeidler, der nun 100 Tage im Amt ist, in Bochum möglichst erfolgreich ist. Zum einen, weil sie ihn selbst verpflichtet haben, zum anderen, weil ein erneuter Trainerwechsel eine teure, aktuell kaum zu stemmende Angelegenheit wäre. Neben Zeidler muss ja auch noch Thomas Letsch bezahlt werden. Dessen Beurlaubung wurde vor gut einem halben Jahr unter anderem damit begründet, dass sich Teile der Mannschaft gegen ihn positioniert haben sollen. Das war auch das Hauptargument bei der Trennung von Thomas Reis. Bei Zeidler gibt es ebenfalls schon kritische Stimmen aus der Kabine, nicht nur von unzufriedenen Reservisten.
Neue Spielidee ist anspruchsvoll
Am Dienstag soll erstmals auch der Mannschaftsrat das Gespräch mit Zeidler gesucht haben, um Kritikpunkte vorzutragen. Einzelne Spieler oder Mitglieder des Trainer- und Betreuerstabs, mit denen Tief im Westen – Das VfL-Magazin Kontakt hatte, bemängeln unter anderem die taktische Marschroute, die teilweise nur schwer umzusetzen sei. Zeidlers von Intensität und Risiko geprägte Spielidee samt Raute überfordert offenbar einige Profis. Sie sehen deshalb auch sein Trainingskonzept kritisch und wünschen sich intensivere Einheiten. Der 62-jährige Fußballlehrer ist zwar sehr von seiner Vorgehensweise überzeugt, hat bei Taktik und Training aber bereits kleinere Anpassungen vorgenommen. Im großen Stil abrücken will er von seiner Idee jedoch nicht, sondern weiter an der besseren Umsetzung feilen.
Trainer hinterfragt Gewohnheiten
Generell handhabt Zeidler einiges anders als seine Vorgänger. Auch abseits des Platzes hat der erfahrene Coach in den ersten drei Monaten Regeln und Gewohnheiten hinterfragt und teilweise verändert – und stößt damit auch auf Widerstände. So wird in der Kabine unter anderem über ein von Zeidler ausgesprochenes Bierverbot diskutiert. Der Fußballlehrer argumentiert, dass Alkohol die Regeneration hemmen würde, was wissenschaftlich erwiesen ist. Einige Spieler fühlen sich bevormundet, vielleicht auch in ihrer Komfortzone gestört. Zeidler hat den Unmut registriert und am vergangenen Wochenende pragmatisch reagiert. Sein Versprechen: Wenn die Mannschaft gewinnt, gibt er ihnen persönlich ein Sieger-Bier aus. Noch musste sich Zeidler aber nicht in Unkosten stürzen.
Anmerkung: In einer früheren Version dieses Berichts war davon die Rede, dass es noch kein Gespräch zwischen Zeidler und dem Mannschaftsrat gegeben haben soll. Diese Info ist nicht mehr aktuell und wurde entsprechend angepasst.
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(Foto: Marc Niemeyer)