Die Schlagzeile war reißerisch, aber inhaltlich nicht ganz falsch. „Bochum schafft die Frauen ab“, titelte im Herbst 2014 eine große Boulevardzeitung. Kurz zuvor hatte der VfL verkündet, dass die vereinseigene Frauen- und Mädchenabteilung aus Kostengründen geschlossen werden soll. Es ging um einen niedrigen sechsstelligen Betrag. Den konnte oder wollte sich der damals wirtschaftlich schwer angeschlagene Zweitligisten nicht weiter leisten. Erst auf Druck der Öffentlichkeit und der eigenen Mitgliedern fand der VfL eine Lösung und führte die Abteilung in einer Sparversion fort.
Vision Frauenfußball
Das aber ist Vergangenheit. Heute, knapp neun Jahre später, kündigt der finanziell gesunde VfL Bochum Investitionen in den Frauenfußball an. In einem sogenannten Stakeholder-Call, den die Vereinsführung regelmäßig für Sponsoren, Journalisten oder die lokale Politik anbietet, ließ Geschäftsführer Ilja Kaenzig die Katze aus dem Sack. Auch mit seiner Frauen-Mannschaft möchte der Klub perspektivisch dort landen, wo die Männer bereits angekommen sind: in der Bundesliga. Wobei der VfL seine „Vision Frauenfußball“ ähnlich umsetzen will wie viele andere Projekte: Zwar mit Ehrgeiz, aber auch mit Geduld und einem realistischen Zeitplan.
Bislang stehen lediglich die Eckpunkte fest, genauere Informationen dürften spätestens in der kommenden Mitgliederversammlung folgen. Die Absichtserklärung ist aber längst formuliert. „Nicht nur sportlich, auch gesellschaftlich haben wir den Antrieb, uns dem Thema zu widmen“, heißt es von Vereinsseite. Auch die Finanzierung sei möglich und realistisch. Unternehmen hätten heute größeres Interesse als damals. Der VfL, dessen höchste Frauen-Mannschaft aktuell in der drittklassigen Regionalliga spielt, plant zunächst mit Kosten im mittleren sechsstelligen Bereich. In der Bundesliga kalkulieren die Bochumer mit dem doppelten Aufwand. Zum Vergleich: Der Etat für die Männer-Mannschaft liegt bei mindestens 40 Millionen Euro.
Einen Teil zur Finanzierung des Frauenfußballs sollen auch die Fans beitragen. Der VfL orientiert sich dabei an seinen potenziellen Mitbewerbern. Der Zuschauerschnitt in der Frauen-Bundesliga lag in der vergangenen Saison bei rund 2.700 Besucherinnen und Besuchern pro Partie, Tendenz stark steigend. Immer wieder füllten die Fans sogar große Arenen. Der Bochumer Rekord bei den Frauen liegt bei knapp 1.400, aufgestellt im September 2022, als das Pokalduell gegen Meppen ins Ruhrstadion verlegt wurde. In der Liga sind es dagegen allenfalls 100 Zuschauer im Schnitt. Allerdings hat der Verein seine Frauenabteilung bislang eher stiefmütterlich behandelt, ihr auch in der Öffentlichkeit nur wenig Beachtung geschenkt. Das soll sich nun ändern.
Konkurrenz im Ruhrgebiet
Der VfL sucht nicht nur einen eigenen Sportlichen Leiter (oder eine Leiterin!), sondern auch Verstärkung für andere Bereiche. Externe Hilfe gibt es ebenfalls: Der VfL hat einen Kooperationsvertrag mit der Initiative „Fußball kann mehr“ geschlossen, in der sich prominente Persönlichkeiten wie Nationaltorhüterin Almuth Schult, aber auch der ehemalige VfL-Profi Andreas Luthe mit ihrer Expertise engagieren. Der VfL möchte damit insbesondere auch den beiden Reviernachbarn zuvorkommen. Schalke 04 und Borussia Dortmund wollen den Frauenfußball zwar ebenfalls stärken, spielen aber zurzeit noch in unteren Ligen. Mit der SGS Essen sowie dem MSV Duisburg gibt es bereits zwei Bundesligisten aus der Region. Wobei ihre Zukunft ungewiss ist: Finanzstarke Klubs, die sich bereits im Männerfußball einen Namen gemacht haben, wollen jetzt auch bei den Frauen mitmischen. Deutschlandweit. In der Saison 2023/24 stellen neun Vereine sowohl einen Erstligisten bei den Männern als auch bei den Frauen.
Die Konkurrenz ist also namhaft, und einige Hürden stehen noch im Weg. Das Bochumer Problem: Es fehlen zusätzliche Trainingsmöglichkeiten. Die Kapazitäten auf dem Gelände an der Castroper Straße sind größtenteils erschöpft, am Nachwuchsleistungszentrum an der Hiltroper Straße ebenso. Auch die Stadionfrage müsste geklärt werden. In höheren Ligen würde der VfL sehr wahrscheinlich auf das Lohrheidestadion in Wattenscheid ausweichen. Die Spielstätte wird gerade für mindestens 55 Millionen Euro saniert, vorrangig für Leichtathletik. Aber das Stadion mit mehr als 16.000 überdachten Plätzen soll auch anderen Vereinen eine Heimat bieten. Eine dauerhafte Doppelbelegung des Bochumer Ruhrstadions kommt nicht infrage. Allenfalls bei Topspielen könnten die Frauen ins Wohnzimmer ausweichen. Aber das ist noch Zukunftsmusik. Zunächst einmal müssen die Frauen den Weg aus der Regionalliga in die 2. Bundesliga schaffen. Im Idealfall schon in der neuen Saison.
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(Foto: Imago / Eibner)