Rechtsstreit um Spielwertung

„Beinahe endgültiges Urteil“: Union zerrt VfL vor dritte Instanz

Ilja Kaenzig raucht zwar gerne eine Zigarette, aber so viele Feuerzeuge wie er seit Dezember per Post erhalten hat, braucht der Geschäftsführer des VfL Bochum sicher nicht. Immer wieder erhielt Kaenzig Zusendungen von Fans aus Berlin-Köpenick. Es zeigt, was die juristische Auseinandersetzung zum Spielausgang der Partie Union Berlin gegen den VfL Bochum samt Feuerzeug-Wurf ausgelöst hat. Obwohl das DFB-Bundesgericht am vergangenen Freitag die Entscheidung des Sportgerichts bestätigt hat, ist der Rechtsstreit noch nicht beendet. Die Berliner haben bereits angekündigt, vor das Ständige Schiedsgericht der Lizenzligen zu ziehen. Erst im April wird eine Entscheidung erwartet, vermutlich kurz vor dem Rückspiel, das mit jeder weiteren Gerichtsverhandlung brisanter werden dürfte.

Zwei Punkte sind schon gutgeschrieben

Wobei die Bochumer Verantwortlichen mit ihrem renommierten Sportanwalt Christoph Schickhardt der dritten Verhandlung relativ entspannt entgegenblicken können. Durch das in zweiter Instanz bestätigte Urteil des DFB-Bundesgerichts wird ein nachträglicher Sieg immer wahrscheinlicher. Kaenzig sprach am vergangenen Freitag von einem „beinahe endgültigen Urteil.“ Demnach wird das sportlich errungene 1:1 zwischen Berlin und Bochum in ein 2:0 mit drei Punkten für den VfL umgewertet. In der offiziellen Bundesliga-Tabelle wurden die Punkte bereits gutgeschrieben. Richter Oskar Riedmeyer sah keinen Grund, die Entscheidung des Sportgerichts zu revidieren. Der VfL sei durch die notwendige Auswechslung des getroffenen Patrick Drewes eindeutig benachteiligt worden.

Der Feuerzeug-Wurf sei klar den Berlinern zuzurechnen, weil es sich bei dem Täter um ein Vereinsmitglied von Union handelt, argumentierte Riedmeyer in seiner Urteilsbegründung. „Rechtlich hat das Sportgericht damit den Täter mit der gastgebenden und von der Handlung des Täters ebenfalls betroffenen Mannschaft gleichgesetzt“, schreiben die Berliner in einer Stellungnahme. Kaenzig stimmt ihnen sogar zu, bezeichnet Union ebenfalls „Opfer“. Aber: „Wir wissen leider aus eigener Erfahrung, wie ärgerlich solch ein Strafmaß für den betroffenen Klub ist, sind aber der Auffassung, dass eine weitere Häufung dieser Unsitte nur mit maximaler Konsequenz verhindert werden kann.“ Kaenzig nimmt damit Bezug auf den Becherwurf anno 2022, als ein VfL-Fan den Linienrichter traf und das Spiel abgebrochen wurde.

Union Berlin akzeptiert das Urteil nicht

Im Gegensatz zur Partie im Dezember 2024. Deshalb ging es in dem Berufungsverfahren hauptsächlich um die Frage, ob das Gericht ein Spiel umwerten darf, obwohl es regulär beendet wurde. Vor dem Sportgericht und auch in ihren Schriftsätzen hatten die Berliner zunächst noch die Verletzung von Drewes angezweifelt. In zweiter Instanz ging es ihnen einzig um die Rechtsfolgen. Das Schiedsgericht soll nun prüfen, ob der DFB sein eigenes Regelwerk fehlerhaft interpretiert hat. Die Chancen, dass das Urteil in dritter Instanz gekippt wird, stehen aus Berliner Sicht allerdings nicht gut. Die Sportgerichtsbarkeit sieht keine weitere Instanz vor, ein Gang vor den Europäischen Sportgerichtshof ist mangels internationalen Bezugs nicht möglich. Aufgeben und das Urteil akzeptieren möchten die Berliner jedoch nicht.

Unions Präsident Dirk Zingler zieht nach eigener Aussage sogar zivilrechtliche Schritte in Erwägung. „Wir waren Zeuge eines Verfahrens, in dem erstmalig das Fehlverhalten eines Zuschauers zu einer Spielumwertung geführt hat. Und das trotz einer ordnungsgemäßen Beendigung des Spiels durch den Schiedsrichter“, beschwert sich Zingler nach dem neuerlichen Urteil. „Die Schaffung dieses Präzedenzfalls war aus unserer Sicht Ziel des Kontrollausschusses. Das Gericht ist vom VfL Bochum und vom Kontrollausschuss aufgefordert worden, ein politisches Signal zu senden. Dies war nur möglich unter fehlerhafter Anwendung der Rechts- und Verfahrensordnung“, behauptet der Präsident der Köpenicker, der für ein Wiederholungsspiel am gleichen Ort, also im Stadion an der Alten Försterei, plädiert.

Hecking lehnt Wiederholungsspiel ab

Das fände VfL-Trainer Dieter Hecking selbstverständlich gar nicht gut. „Das würde ich nicht akzeptieren können. Dann müssten wir sogar unseren gewonnenen Punkt aufs Spiel setzen“, sagte er bei seinem Besuch im Sportstudio und wurde deutlich: „Wenn Spieler oder Schiedsrichter beworfen werden dürfen, ohne dass es Folgen hat, dann können wir den Laden schließen.“ Weniger emotional, inhaltlich aber sehr ähnlich sieht es DFB-Bundesrichter Riedmeyer: „Eine von außen verursachte Verletzung eines gegnerischen Spielers darf nicht dazu führen, dass der Verursacher daraus einen möglichen Vorteil durch ein Wiederholungsspiel ziehen kann.“ Klar ist mittlerweile: Der Schiedsrichter hätte die Partie abbrechen müssen. Der Nichtangriffspakt, auf den sich die beiden Teams geeinigt haben, war unzulässig.

Dass der VfL um die Punkte am grünen Tisch kämpft, sei nur allzu logisch, erklärt Geschäftsführer Kaenzig: „Es tut uns leid für den Fußball. Aber es ist unsere Pflicht, die rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Das erwarten auch die Mitglieder und unsere Fans von uns. Ich unterstelle, dass jeder andere Verein auch so handeln würde. Jeder versucht, seine Position bestmöglich darzulegen und sieht sich sicherlich auch im Recht“, sagte Kaenzig kurz nach der zweiten Urteilsverkündung mit seiner ihm typischen Gelassenheit und war bemüht darum, die Emotionen aus dem Spiel zu nehmen: „Unter den Funktionsträgern wird es kein böses Blut geben. Wir stehen alle nur für unsere Sache ein.“ Viele Fans sehen das anders, und so dürfte Kaenzig auch in den kommenden Wochen wieder Post aus Berlin erhalten.


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(Foto: Imago / Eibner)