3.500 Fußballfans können laut sein, verdammt laut. Als am Montagabend beim Saisonauftakt die ersten „VfL, VfL“-Sprechchöre durch das Ruhrstadion schallten, war klar: Die Zeit der Geisterspiele ist vorbei, zumindest vorerst. Und damit wohl auch die Spiele, die der VfL problemlos über die Zeit bringt. So gesehen ist in Bochum fast schon wieder Normalität eingekehrt – auf und neben dem Platz. „Wir sind in alte Muster verfallen. Das müssen wir schleunigst abstellen. Wir haben eine gute Mannschaft. Aber dazu gehört auch, dass wir so ein Spiel über die Bühne bringen“, stellte Torschütze Robert Zulj nach dem bitteren 2:2 gegen St. Pauli selbstkritisch fest.
Kurios: Als zuletzt keine Zuschauer ins Stadion durften, gewann der VfL einige Partien ungewohnt souverän. Viele Fans scherzten schon, ob es nicht besser sei, sie würden noch länger fernbleiben. Dabei war ihnen der späte Ausgleich gegen die Kiezkicker natürlich in keinster Form zuzurechnen. Trotzdem fühlten sie sich an Erlebnisse aus dem ersten Teil der vergangenen Saison erinnert, als der VfL im eigenen Stadion gleich mehrfach einen sicher geglaubten Sieg aus der Hand gab. „In den Schlussminuten haben wir den Zugriff auf das Spiel verloren. Vielleicht waren wir uns zu sicher, die drei Punkte hier zu behalten“, analysierte Zulj.
Später Doppelschlag
Er, der beste Bochumer, hatte den VfL in der ersten Hälfte selbst in Führung gebracht und kurbelte das Bochumer Angriffsspiel auch danach immer wieder an, flankiert von Simon Zoller und Gerrit Holtmann, die beide ein gutes Spiel machten. Der VfL hatte die Auftaktpartie im Griff und legte durch Zoller eine Viertelstunde vor Schluss das 2:0 nach. Die Gäste blieben lange Zeit harmlos, die Bochumer dagegen engagiert und konzentriert. Umso unerklärlicher die Tiefschlafphase zwischen der 84. und 86. Spielminute, als Daniel-Kofi Kyereh gleich doppelt traf und der VfL zwei Punkte noch herschenkte. Bei beiden Gegentreffern machte die ansonsten sattelfeste Abwehr keine gute Figur.
Vor allem beim Ausgleich war sie viel zu weit aufgerückt, schien auch körperlich nicht mehr ganz auf der Höhe. Während St. Paulis Trainer Timo Schultz von allen fünf Wechseloptionen Gebrauch machte, tauschte Thomas Reis nur zweimal, der erschöpfte Cristian Gamboa blieb zum Beispiel auf dem Feld. Ob Reis seinem Team mit weiteren Veränderungen geholfen oder es eher verunsichert hätte, bleibt allerdings ein ungelöstes Rätsel. Klar ist nur: „Die Gegentore fielen zu einfach, die Ordnung stimmte überhaupt nicht mehr“, war der Coach nach dem Spiel natürlich enttäuscht, aber auch hoffnungsfroh: „Wir nehmen das Gute mit, auch wenn es sich wie eine Niederlage anfühlt.“
Kein Abstand, keine Maske
Gelungenes beizubehalten, aber Schwachstellen zu korrigieren, dürfte nach diesem Spieltag sicher auch das Motto bei der Überarbeitung des Hygienekonzepts sein. Die Anreise, der Einlass sowie die Abfahrt liefen nach Aussage zahlreicher Fans fast reibungslos und diszipliniert. Mitunter mischte sich etwas Ungeduld unter das Publikum – vor allem nach dem Schlusspfiff, als einige Zuschauer aus Enttäuschung offenbar so schnell wie möglich nach Hause wollten. Womöglich war es auch ganz gut, dass knapp 1.500 Karten gar keinen Käufer fanden. Denn speziell auf der Südtribüne konnten die Abstandsregeln stellenweise nicht eingehalten werden.
Der VfL war trotz rechtzeitiger Hinweise nicht von seinem Plan abgerückt, Stadionbesucher stets zu viert nebeneinander zu setzen. Weil ein Kunde nur zwei Tickets erwerben durfte, saß er automatisch neben Fremden – und das ohne Abstand. Da es auch keine Maskenpflicht gab, fühlten sich einige Fans nicht geschützt und änderten kurzerhand die Sitzordnung. Dieses Phänomen war mehrfach zu beobachten. Manche Fans wiederum waren leichtsinnig und rotteten sich mit mehr als vier Personen zusammen. Ordner griffen nicht ein. Das führte schließlich zu einem ähnlichen Durcheinander wie in der Schlussphase auf dem Spielfeld. In diesem Fall aber hoffentlich ohne Folgen.
(Foto: Imago / Revierfoto)