Aus wirtschaftlicher Sicht liegt eine erfreuliche Woche hinter dem VfL Bochum. Der Transfer von Moritz Broschinski zum FC Basel sowie das Erreichen der zweiten Pokalrunde haben für frische Einnahmen gesorgt. Viele Anhänger erwarten deshalb weitere Verstärkungen, um die Mannschaft nach einem durchwachsenen und zwei enttäuschenden Auftritten zum Saisonstart zu verstärken. Doch mehr als einen Ersatz für Broschinski wird der Revierklub nach jetzigem Stand nicht verpflichten. Bis zum Transferende am 1. September soll lediglich ein dynamischer Angreifer, der sowohl als zweite Spitze als auch auf der rechten Außenbahn spielen kann, unter Vertrag genommen werden – vermutlich auf Leihbasis. Mehr gibt das Budget nicht her. Doch wie kann das sein angesichts der eingangs erwähnten Einnahmen?
Kein passendes Angebot für Sissoko
Die Erklärung besteht darin, dass die Broschinski-Ablöse gar keine Zusatzeinnahme ist, sondern dazu beitragen soll, den Etat jetzt und für die Zukunft zu stabilisieren. Die Verantwortlichen hatten in ihrer Saisonplanung bereits mit Transfererträgen gerechnet, die aber ausgeblieben waren. Vor allem bei Ibrahima Sissoko haben sie auf eine Ablöse von rund fünf Millionen gehofft. Die war aber kein Verein bereit zu zahlen. Durch die Verletzung des Mittelfeldspielers, der wohl eher Monate als nur Wochen fehlen wird, ist ein Verkauf in diesem Sommer ohnehin vom Tisch. Auch für Matus Bero gab es bislang kein Angebot. Lediglich für Lukas Daschner und Tim Oermann hat der VfL in Summe rund 2,5 Millionen Euro exklusive Boni eingenommen. Die Ablöse für Broschinski bewegt sich in einem ähnlichen Rahmen.
Allerdings ist nur ein Bruchteil davon sofort auf das Bochumer Konto geflossen. Zum einen, weil mit dem FC Basel eine Ratenzahlung vereinbart wurde, zum anderen, weil dem BVB rund 15 Prozent von der Ablöse zustehen. Bei den kolportierten 2,5 Millionen Euro handelt es sich um die maximal mögliche Gesamtsumme, wenn alle Bonuszahlungen fließen, allerdings noch vor Abzug der Dortmunder Transferbeteiligung. Das Dilemma: Selbst mit dem Transfer von Broschinski hat der VfL noch nicht die erhofften Transfereinnahmen erzielt. Die Pokalprämie von etwas mehr als 400.000 Euro für den Einzug in die zweite Runde war ebenfalls schon eingeplant. Der VfL ist also ins Risiko gegangen, um seinen Kader früh beisammen zu haben – was Sportchef Dirk Dufner bereits im Mai angekündigt hatte.
VfL-Umsatz bricht durch Abstieg ein
Generell leidet der VfL Bochum als Bundesliga-Absteiger unter Umsatzeinbußen von mehr als 30 Prozent im Vergleich zur vergangenen Saison. Da waren es laut Plan rund 86 Millionen Euro. In der laufenden Spielzeit rechnen die Klub-Verantwortlichen mit etwas weniger als 60 Millionen Euro. Ein Großteil davon, nämlich mehr als 20 Millionen Euro, lässt sich auf die deutlich geringeren TV-Einnahmen zurückführen. Immerhin: Der VfL bekommt im Vergleich aller Zweitligisten aktuell die höchste Summe. In anderen Bereichen dagegen, etwa bei den Ticketeinnahmen oder Transfererlösen, rangieren die Bochumer nur im Mittelfeld. Nimmt man den Zuschauerschnitt der vergangenen Saison als Grundlage, werden wohl acht Vereine vor dem VfL landen. Ähnlich sieht es bei den Transfersummen aus.
Auswertungen der DFL belegen, dass der VfL als Bundesligist in den vergangenen vier Jahren im Schnitt nur so viel für Spielerverkäufe eingenommen hat wie ein durchschnittlicher Zweitligist. Angesichts dieser Zahlen ist es sogar ziemlich ambitioniert, einen Spieleretat anzusetzen, der nach Auskunft von Finanz-Geschäftsführer Ilja Kaenzig in der Mitgliederversammlung Mitte Juni zu den drei höchsten der Liga gehört. Eine weitere Etaterhöhung ist indes nicht möglich, weil sie nicht durch entsprechende Einnahmen gedeckt wäre. Das wiederum erklärt die Zurückhaltung auf dem Transfermarkt seit einigen Wochen. Fast alle Kaderplätze sind belegt – wie gut, darüber lässt sich natürlich trefflich streiten. Erste Indizien, dass die Finanzmittel nicht optimal eingesetzt werden, hat der Saisonstart bereits geliefert.
Preis und Leistung im Ungleichgewicht
Bedeutet konkret: Einige Spieler sind für die aktuell vorgesehene Rolle und die bislang dargebotenen Leistungen schlicht zu teuer, etwa Koji Miyoshi, aber auch Felix Passlack und andere. Dabei handelt es sich zum Großteil um Spieler aus dem Bundesliga-Kader, deren Gehälter mit dem Abstieg allerdings automatisch gesunken sind, aber auch um Neuzugänge, die sich deutlich steigern müssen. Philipp Strompf zum Beispiel soll beim VfL zu den Besserverdienenden gehören, weil parallel auch Vereine wie Schalke 04 und der 1. FC Kaiserslautern um die Dienste des Innenverteidigers geworben haben. Auch Ibrahim Sissoko, Francis Onyeka und Kevin Vogt mussten logischerweise nicht nur aus der sportlichen, sondern auch aus der monetären Perspektive von einem Wechsel nach Bochum überzeugt werden.
Was in diesem Zusammenhang erwähnenswert ist: Verschiedene Branchenkenner berichten, dass der VfL im Ligavergleich keineswegs Top-Gehälter zahlt, sondern teilweise weniger bietet als Hannover, Düsseldorf oder Kaiserslautern. Das liegt einerseits daran, dass die Gehaltsspanne, also der Unterschied zwischen einem guten und einem weniger guten Gehalt, bei vielen Klubs größer ist als in Bochum. Punktuell zahlen Mitkonkurrenten für potenzielle Leistungsträger also mehr als der VfL, im Schnitt – also für die gesamte Mannschaft – aber weniger. Andererseits ist nicht ganz klar, was alles in den Spieleretat fällt und was nicht. Bei einigen Klubs sind es fast ausschließlich die Gehälter der Profis, bei anderen zählen auch Mitarbeiter wie Trainer und Betreuer oder gar Reisekosten dazu.
Team hinter dem Team wächst weiter
Dieser Aspekt ist mit Blick auf den VfL Bochum nicht unerheblich, schließlich ist das Team hinter dem Team in den vergangenen Monaten weiter gewachsen. Manche Stellen wurden lediglich neu besetzt, andere trotz des Abstiegs neu geschaffen. Dirk Dufner ist als Sport-Geschäftsführer dazugekommen, begleitet von Johannes Waigand (Direktor Kadermanagement), Chefscout Babacar Wane (Chefscout) und Pablo Thiam (Direktor Talentwerk). Auch die Ex-Profis und Publikumslieblinge Anthony Losilla (Co-Trainer), Cristian Gamboa (Scout) sowie Simon Zoller (Assistent der Geschäftsleitung) arbeiten weiter für den Klub und müssen entlohnt werden. Sie gelten intern zwar noch als Lehrlinge, dürften aber in Summe ungefähr so viel kosten wie ein durchaus brauchbarer Zweitligaspieler.
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(Foto: Jens Lukas)