Neuer Vertrag bis 2023

Kommentar: Der Ehrgeiz von Reis ist ansteckend

Was sich in einem Jahr so alles entwickeln kann, ist mir erst neulich wieder bewusst geworden. Am 28. Januar, ausgerechnet an meinem Geburtstag, sah ich Anfang 2020 eines der schlimmsten Fußballspiele des VfL Bochum der jüngeren Vergangenheit. Klingt hart, war aber so: Bei Arminia Bielefeld gab es eine hochverdiente 0:2-Niederlage, und dieses Ergebnis war keineswegs nur der Klasse des späteren Aufsteigers geschuldet. Ich bezeichnete das, was ich dort sah, als Angsthasenfußball. Thomas Reis hatte sich im ersten Spiel nach der Winterpause für sieben Defensiv- und für nur drei Offensivspieler entschieden. Kein Wunder, dass es bis zur zweiten Halbzeit dauerte, ehe der VfL den ersten richtigen Torschuss abfeuerte.

Mit Mut und Tempo führt zum Erfolg

Ein Jahr später, ebenfalls am 28. Januar, lief alles anders. Ich sah eine runderneuerte Mannschaft, taktisch und personell deutlich verändert. Sie begeisterte zum Rückrundenstart gegen den FC St. Pauli, ließ sich auch von zwei Rückständen nicht beeindrucken – und gewann am Ende verdient. Mit mutigem Angriffsfußball, ohne die Abwehr zu vernachlässigen, mit Tempo, Pressing und großer Leidenschaft, hat sich der VfL Bochum mittlerweile auf Platz zwei gespielt. Das ist nicht nur, aber auch ein Verdienst von Thomas Reis. Ich gebe offen zu: Es hat wirklich lange gebraucht, bis ich zu der Überzeugung gelangt bin, dass er der richtige Trainer für diesen Klub ist. Die Vertragsverlängerung, die der VfL am Dienstag verkündete, ist der verdiente Lohn für eine gute Entwicklung.   

Denn beim VfL Bochum ist in den vergangenen Monaten endlich ein funktionierendes Team entstanden, auf und neben dem Platz. Es wäre in diesem Zusammenhang übrigens falsch zu sagen, Thomas Reis hat seinen Weg endlich gefunden. Richtig ist: Er hat ihn nicht mehr verlassen – spätestens nach dem Sieg in Hamburg Ende November. Das war der Wendepunkt, aus meiner Sicht ein Schlüsselspiel. Denn in dieser Partie hat Thomas Reis nicht nur seine heutige Erfolgsformation erstmals auf den Rasen geschickt, er hat sie auch taktisch optimal eingestellt. Gegen Fürth zwei Wochen zuvor hatte er nämlich noch das versucht, was ihm bislang selten gelungen ist: Mit einer abwartenden, am Gegner ausgerichteten Strategie zum Erfolg zu kommen.

Reis kommuniziert auf Augenhöhe

Thomas Reis hat sich seinen neuen Vertrag bis zum Sommer 2023 auch deshalb verdient, weil sein Führungsstil zu dieser Mannschaft passt. Er ist kommunikativer als Gertjan Verbeek, emotionaler als Jens Rasiejewski, souveräner als Ismail Atalan und konsequenter als Robin Dutt im Umgang mit teils schwierigen Charakteren. Thomas Reis spricht die Sprache der Spieler, er kommuniziert auf Augenhöhe. Er weiß, wie er sie kitzeln muss. Er greift durch, wenn jemand nicht mitzieht. Arroganz und vor allem Selbstzufriedenheit sind ihm zuwider. Sein Ehrgeiz ist spürbar, die Gier nach Siegen besonders ausgeprägt. Das wiederum überträgt sich auf den ganzen Klub – und ist eine wichtige Eigenschaft, um den VfL Bochum auch in den kommenden zwei Jahren zum Erfolg zu führen.

(Foto: Imago / Laci Perenyi)