Entwicklung

VfL Bochum: Diese Truppe ist ein Team geworden

Ein Like ist die Währung in den sozialen Netzwerken. Nach dem Pokalsieg in Mainz haben die VfL-Fans sogar einen Rekord geknackt. Rund 12.500 Anhänger markierten ein Jubelfoto aus der Mannschaftskabine mit einem Herzchen auf Instagram – so viele waren es in diesem Jahr noch nie. Pünktlich zum Weihnachtsfest und zum Jahreswechsel hat die Euphorie in Bochum also ihren vorläufigen Höchststand erreicht. Bei der Ankunft der Mannschaft in der Nacht gab es am Stadion sogar einen Empfang. Die Ultras zündeten ein kleines Feuerwerk. Auch in dieser außergewöhnlichen Zeit wollen sie zeigen, dass es sie noch gibt.

Startelf und Spielstil gefunden

Mit so viel Freude und Überschwang war Anfang November noch nicht zu rechnen. Nach der Niederlage gegen Fürth war die Enttäuschung riesengroß. Von Spielkultur war die Mannschaft weit entfernt, beim VfL passte an diesem Tag wenig zusammen. „Da wurden wir noch als Abstiegskandidat tituliert“, erinnert sich Trainer Thomas Reis zurück. Trotz eines ordentlichen Saisonstarts, gemessen an den Punkten, schien die Anhängerschaft mit der Entwicklung nicht zufrieden. Doch aus der Kritik, auch an der Arbeit des Trainers, ist mittlerweile ein großes Lob geworden.

Seit dem Auswärtssieg in Hamburg ist der VfL Bochum kaum noch wiederzuerkennen. In dieser Zeit gab es fünf Siege aus sieben Partien, und vor allem: Endlich überzeugende Auftritte. Mit einer runderneuerten Startelf und einem veränderten Spielstil hat sich der Revierklub im oberen Tabellendrittel festgesetzt, begeistert mit einer enormen Laufbereitschaft, feinen Spielzügen und vielen Toren. Den Trainer freut das zwar, doch er relativiert auch gerne. „Mir geht das in der Beurteilung und Erwartung alles zu schnell“, bekennt Reis, der „froh“ ist über die „gute Entwicklung“, aber öffentlich keine allzu hohen Saisonziele verkünden möchte.

Mannschaft verkraftet auch Rückschläge

Doch die Fans spüren, dass in dieser Saison mehr möglich sein könnte, aus zwei Gründen. Zum einen: Die Liga ist so ausgeglichen, dass es kein Spitzenteam gibt, also keinen klaren Aufstiegsanwärter. Und zum anderen: Speziell in den letzten Wochen haben viele bemerkt, dass aus dieser Truppe endlich ein Team geworden ist, das füreinander kämpft, das sich auch von Rückschlägen nicht entmutigen lässt. Das Spiel in Mainz lieferte den besten Beweis dafür: Auch nach einem 0:2-Rückstand, der Roten Karte gegen Torhüter Riemann und etlichen Wadenkrämpfen gab niemand auf. Die Spieler motivierten sich gegenseitig.

Teamgeist ist beim VfL Bochum mittlerweile ein Erfolgsfaktor, und das ist deshalb so erwähnenswert, weil es vor einem Jahr noch ganz anders war. „Das war damals keine Mannschaft“, erinnert sich Thomas Reis an seine Amtsübernahme. Sein Vorgänger Robin Dutt erreichte mit seiner Art vor allem die sensibleren Zeitgenossen, etwa Tom Weilandt und Silvere Ganvoula; hatte aber zunehmend das Problem, auch die komplizierteren Typen zu bändigen. „Wir hatten sehr viele unterschiedliche Charaktere dabei. Das war nicht einfach“, gibt Reis offen zu.

Gute Stimmung in der Kabine

So schnell ließ sich das Chaos hinter der Kabinentür auch nicht lösen, es brauchte seine Zeit. Die allermeisten Spieler sind immer noch da, doch sie ziehen mittlerweile an einem Strang und in dieselbe Richtung. Reis schmunzelt, wenn er darüber spricht, sagt: „Ich war in meiner aktiven Zeit auch nicht immer einfach.“ Der Fußballlehrer mag personell wie taktisch nicht immer richtig gelegen haben, doch das Positive überwiegt – wozu auch sein Führungsstil gehört. Reis grätscht mitunter ordentlich dazwischen, mischt sich aber auch nicht in jede Kleinigkeit ein.

Neulich nannte er in einer Pressekonferenz ein Beispiel. So kam der junge Armel Bella Kotchap in der Vorsaison ständig zu spät zum Training. „Das ging der Mannschaft fürchterlich auf den Keks.“ Aber: Reis hielt sich heraus, schließlich sei er „nicht der Erziehungsberechtigte.“ Die Spieler regelten das also unter sich. Offenbar mit Erfolg. Interessant auch: Nach dem Sieg in Mainz, möglicherweise ein Schlüsselmoment für den weiteren Saisonverlauf, hat nicht nur der VfL, sondern auch jeder Spieler das Jubelfoto aus der Kabine gepostet. Selbst bei der Bildbeschreibung gab es große Übereinstimmung. „Team“ stand in dicken Lettern dabei, und dahinter mehrere Ausrufezeichen.

(Foto: Imago / Eibner)