Gefühlt war es der bitterste Moment der Vereinsgeschichte. Auf den Tag genau liegt das Lüttich-Trauma, das in Bochum keiner näheren Beschreibung bedarf, nun 15 Jahre zurück. Der VfL lag im Tal der Tränen – und jammerte, verglichen mit der heutigen Situation – auf hohem Niveau. Denn mittlerweile geht es nicht mehr um die nächste Europapokal-Runde, sondern um die nackte Existenz im Profifußball.
Riemann polarisiert
Damals war der Sündenbock in Person eines brasilianischen Linksverteidiger schneller gefunden als heute. Wobei einige Fans nach dem späten Ausgleich gegen Darmstadt ihren Torwart als Schuldigen auserkoren haben. Vereinzelte, aber trotzdem hörbare „Riemann-Raus“-Rufe gab es zunächst aus der Ostkurve. Als der Schlussmann nach Abpfiff schnurstracks in die Kabine lief, gab es ähnliche Grüße auch von der Haupttribüne. Doch weshalb geriet die Situation am Samstag plötzlich außer Kontrolle? Eine rein sportliche Erklärung greift zu kurz. Zwar zeigte Riemann sein bislang schwächstes Saisonspiel, weil er den Ball beim ersten Gegentreffer erst hinter der Linie erwischte und vor dem 2:2 einen Abschlag ohne Not ins Aus beförderte. Doch nach einer schwächeren Rückrunde hat er sich im Sommer wieder stabilisiert und bislang ordentliche Leistungen gezeigt.
Wahrscheinlich ist es eher das Auftreten und Verhalten des Torhüters, das einige Fans in dieser Form nicht akzeptieren wollen. Denn Demut nach eigenen Fehlern ist für den 31-Jährigen offenbar ein Fremdwort. Stattdessen brüllt Riemann immer wieder unschuldige Mitspieler an. Das war auch an diesem Wochenende zu beobachten. Selbst gegenüber den Fans neigt der Keeper zu emotionalen Reaktionen. Nach einer starken Parade drehte er sich demonstrativ zu seinen Kritikern um, statt sich weiter auf sein eigenes Spiel zu konzentrieren. Schon in der Vorwoche fiel Riemann negativ auf, als er nach dem Spiel in Sandhausen sein Trikot zerriss. Wenige Wochen vorher holte er zu einem öffentlichen Rundumschlag gegen Ex-Trainer Robin Dutt und einige Mitspieler aus, kassierte dafür eine interne Strafe. Doch ruhiger ist er bislang nicht geworden.
Reis beruhigt
Die Aufgabe, die Stärken des Keepers zu nutzen und seine impulsive Art in den Griff zu bekommen, liegt jetzt bei Thomas Reis. Demonstrativ stärkt der Chefcoach seinem Schlussmann jedenfalls den Rücken. „Wir sind ein Team, das gemeinsam in Führung gegangen ist und gemeinsam den Ausgleich kassiert hat“, sagte er am Samstag. „Einzelne Spieler an den Pranger stellen, das gibt es mit mir nicht.“ Ein Torwartwechsel steht beim VfL deshalb nicht nur Debatte.
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