Lange war davon auszugehen, dass das Duell zwischen dem FC St. Pauli und dem VfL Bochum am letzten Bundesliga-Spieltag mit großer sportlicher Brisanz verbunden sein wird. Monatelang trennten die beiden Klubs nur wenige Punkte, beide kämpften um den Klassenerhalt. Entsprechend waren die 3.000 Gastekarten binnen Minuten vergriffen, tausende VfL-Anhänger gingen leer aus – und reisten zum Teil trotzdem nach Hamburg, um die Saison ausklingen zu lassen und sich nach vier Jahren Erstklassigkeit von der Bundesliga zu verabschieden. Denn im April zogen die Kiezkicker davon und machten vor einer Woche den Klassenerhalt klar, während die Bochumer nach acht sieglosen Spielen in Serie in die 2. Liga abstürzten. Immerhin: Ganz verlernt haben sie das Gewinnen nicht. Gegen St. Pauli klappte es plötzlich wieder.
Talente kommen zum Einsatz
Ein fein herausgespielter Doppelpack von Myron Boadu, dem mit neun Saisontreffern besten Bochumer Torschützen, bescherte dem Revierklub in einem Kick ohne Wert einen verdienten 2:0-Auswärtssieg. Der Abschluss: versöhnlich. Für die VfL-Profis gab es erneut bedingungslosen Zuspruch von den Rängen. Sogar die Fans des FC St. Pauli spendeten Beifall. „Wir wollten uns mit einem guten Gefühl aus der Saison verabschieden. Die Mannschaft hat erneut Charakter gezeigt“, lobte VfL-Trainer Dieter Hecking seine Spieler, ohne wirklich glücklich zu sein. „Die Enttäuschung, nicht in der Bundesliga weiterspielen zu dürfen, ist trotzdem da.“ Als Tabellenletzter mit dem historischen Bochumer Tiefstwert von 25 Punkten könne auch der sechste Saisonsieg nicht über den „verdienten Abstieg“ hinwegtäuschen, sagte Hecking.
Der Fußballlehrer richtete seinen Blick am letzten Tag der alten Saison bereits in die Zukunft und leitete einen Generationswechsel ein. Anstelle des angeschlagenen Tom Krauß begann nicht der 39-jährige Anthony Losilla, sondern der 20-jährige Mats Pannewig, dem die Verantwortlichen und seine Mitspieler großes Potenzial und eine gute Leistung bescheinigten. Losilla wurde erst im Laufe der Partie eingewechselt und erlebte nun sein endgültig letztes Spiel vor dem Karriereende. Cristian Gamboa, der ebenfalls aufhört, war ein Abschied dieser Art nicht vergönnt. „Ich habe ihm gesagt, dass ich Kasper Koscierski eine Chance gebe“, erklärte Hecking, der dem 17-Jährigen in der Schlussphase zum Bundesliga-Debüt verhalf. „Das war ein Fingerzeig, in welche Richtung es geht. Wir wollen jünger werden.“
Dufner kündigt Zugänge an
Pannewig und Koscierski sind die derzeit größten Hoffnungsträger aus dem eigenen Stall. Externe Neuzugänge für die kommende Saison, auch mit Erfahrung, sollen baldmöglichst dazukommen. „Dafür müssen wir die nächsten Wochen nutzen“, weiß Hecking. „Es wird ein Umbruch stattfinden, der notwendig ist.“ Sportchef Dirk Dufner wird etwas konkreter: „Ich gehe davon aus, dass wir in nächster Zeit einiges von dem, was wir vorbereitet haben, auch über die Ziellinie bringen.“ Bevor es für die Spieler in den fünfwöchigen Sommerurlaub ging, wurden am Sonntagmorgen im internen Kreis diejenigen verabschiedet, die den VfL definitiv verlassen. Neben Losilla und Gamboa sind das Ivan Ordets, Bernardo, Paul Grave, Mo Tolba sowie die Leihspieler Boadu, Krauß, Jakov Medic und Georgios Masouras.
Gerrit Holtmann könnte bleiben, ebenso wie Mats Pannewig, dessen Vertrag ohnehin bis 2026 läuft – demnächst wahrscheinlich noch länger. Dufner und auch der Spieler sendeten am Samstag diesbezüglich positive Signale. Das Bochumer Mittelfeldzentrum, in dem auch Pannewig zu Hause ist, wäre damit bereits zum jetzigen Zeitpunkt personell breit aufgestellt – weil Leihspieler zurückkehren und Ibrahima Sissoko sowie Matus Bero zwar in der Bundesliga bleiben wollen, aber zunächst passende Abnehmer finden müssen. Für Dufner ist klar: „Wir können nicht chronologisch vorgehen. Wenn wir einen guten neuen Spieler gefunden haben, dann werden wir ihn auch verpflichten und nicht warten, bis ein anderer Spieler weg ist. Da müssen wir ein Stück weit ins Risiko gehen, wenn ein Abgang wahrscheinlich ist.“
Saisonstart Anfang August
Denn die Zeit ist knapp bemessen. Am 23. Juni beginnt die Vorbereitung auf die neue Saison mit den üblichen Medizin- und Leistungschecks. Zwei Tage später bittet Hecking seine Mannschaft zur ersten Einheit auf den Platz. Insgesamt fünf bis sechs Testspiele sind geplant; die ersten beiden voraussichtlich im Ruhrgebiet oder zumindest in NRW, je ein weiteres in München oder Umgebung sowie zum Abschluss des Trainingslagers am Wilden Kaiser in Österreich. Ende Juli steigt im Ruhrstadion die Generalprobe vor dem Saisonstart, bevor am ersten August-Wochenende die neue Zweitliga-Spielzeit beginnt. Der VfL Bochum muss seinen Kader somit früher beisammen haben als viele andere Klubs, etwa die Bundesligisten. Das wiederum kann auch bedeuten, dass einige Spieler noch nicht sofort zu haben sind.
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