Widerspruch?

Villis will „keine Sonderrolle“ – aber Corona-Tests

Ob der Vizepräsident des Robert-Koch-Instituts Fußballfan ist, wissen wir nicht. Ein Freund von Sonderrechten ist Lars Schaade jedenfalls nicht. Der Infektionsepidemiologe lobt zwar das DFL-Konzept zur Durchführung von Geisterspielen. Doch an einer entscheidenden Stelle übt er Kritik. „Ich sehe nicht, warum bestimmte Bevölkerungsgruppen routinemäßig gescreent werden sollen“, sagte Schaade in einer Pressekonferenz des RKI, als er auf die Pläne der DFL angesprochen wurde. Das Regierungsinstitut zur Krankheitsüberwachung wird mit darüber entscheiden, ob der Ball in der Bundesliga schon bald wieder rollen darf.

Nimmt man den Vizepräsidenten beim Wort, dann könnte es für die Vereine trotz positiver Signale aus der Politik doch noch problematisch werden. Denn das Konzept basiert darauf, dass die rund 1.000 Bundesligaprofis bis zu zweimal pro Woche auf eine mögliche Corona-Infektion getestet werden – ohne Bedingungen. Nicht nur Schaade sieht das kritisch. Laut einer repräsentativen Umfrage von Infratest dimap, einem führenden Meinungsforschungsinstitut, hält die Mehrheit von 61 Prozent den Aufwand für nicht gerechtfertigt. Nur jeder Dritte hat nichts dagegen.

Seifert betreibt beste Lobbyarbeit

Dass überhaupt darüber nachdacht wird, die Bundesliga-Saison fortzusetzen, daran trägt Christian Seifert einen großen Anteil. Der Geschäftsführer des Ligaverbandes hat in den zurückliegenden Wochen nahezu perfekte Lobbyarbeit für den Fußball betrieben. Er kämpft dafür, das Geschäft der 36 Erst- und Zweitligisten aufrechtzuerhalten. „Wenn die Politik unser Konzept ablehnt, dann wäre die Bundesliga ein Kollateralschaden der Corona-Krise“, sagt Seifert. Er findet Zahlen, die belegen sollen, warum es unproblematisch sei, ausgerechnet von Fußballprofis im Drei-Tages-Rhythmus zu testen. „Wir beanspruchen nicht einmal 0,4 Prozent der Laborkapazitäten“, ist eines seiner Argumente.

Was nach wenig klingt, ist bei genauerer Betrachtung jedoch relativ viel. Schließlich handelt es sich um gerade einmal 1.000 Berufsfußballer in einem Land mit fast 83 Millionen Menschen. „Ich kann ihnen versichern, dass wir niemandem einem Test wegnehmen werden, der ihn dringender braucht als ein Fußballprofi“, hält Seifert dagegen. „Und sollte sich die Lage im Land so verändern, dass die Testlabore an Grenzen stoßen, dann wird der Fußball selbstverständlich zurückstehen.“ Fünf Labore, mit denen die DFL eine Kooperation vereinbart hat, hätten zugesichert, derzeit nicht ausgelastet zu sein.

Villis auf einer Linie mit Seifert

Ähnlich wie Seifert argumentiert auch Hans-Peter Villis. Der Vorsitzende des VfL-Präsidiums ließ sich vor dem Wochenende von den Vereinsmedien interviewen. Villis sagte, „dass dem Fußball im gesamtpolitischen Kontext keine Sonderrolle zufallen darf, gerade in medizinischer Hinsicht.“ Ist das ist aber nicht automatisch der Fall, wenn Fußballer regelmäßig und in einem festen Rhythmus getestet werden – und andere Berufsgruppen, etwa Polizisten oder Altenpfleger, nicht? Es sind Berufe, die nicht nur das Land Nordrhein-Westfalen als systemrelevant eingestuft hat. Der Halbsatz von Villis wirft also die Frage auf, wie er mögliche Sonderrechte für den Fußball interpretiert.

Jedenfalls nicht so, dass prophylaktische Corona-Tests bei den Spielern des VfL Bochum dazu gehören würden. Dem Argument, der Otto-Normal-Bürger könne sich nicht so einfach auf eine Infektion testen lassen, weicht Villis aus. Er sagt, es sei legitim, dass bestimmte Berufsgruppen intensiver getestet würden, die durch Kontakte ein erhöhtes Risiko hätten. Ebenso wie Seifert versichert auch Villis, „dass wir nur freie Kapazitäten nutzen.“ Anders gesagt: Die Profiklubs sind in der Lage, jeden einzelnen Abstrich zu bezahlen, andere offenbar nicht. Zur moralischen Frage schweigt der Fußball bislang verdächtig.

(Foto: Pressefoto Eibner)