Spielersuche beim VfL Bochum

Schindzielorz plant mehr Scouting – aber nicht sofort

Eine solche Vorlage nutzt er wie ein Profi. Für Sebastian Schindzielorz, einst Bundesliga-Spieler und heute Geschäftsführer des VfL Bochum, ist diese Frage wie ein Geschenk. „Sie haben Ende August Cristian Gamboa verpflichtet. Haben Sie den überhaupt mal live gesehen?“, fragt der Autor dieser Zeilen im Jahresabschluss-Interview. Schindzielorz antwortet sofort: „Natürlich. Im Oktober 2018, beim Duell RB Leipzig gegen Celtic Glasgow.“ Gamboa spielte damals für den schottischen Meister. Der VfL Bochum scoutet offensichtlich auch in der Europa League.

Schindzielorz nutzt dieses Beispiel, um zu erklären, was er eigentlich meint, wenn er davon spricht, „den Markt genau zu beobachten.“ Wohl kein anderer Satz geht ihm so häufig über die Lippen wie dieser. Dass Gamboa jemals für den VfL interessant werden könnte, habe er seinerzeit noch nicht gewusst, sagt Schindzielorz. Doch den Verteidiger kannte er nun, hat seinen Weg weiter verfolgt. Gamboa erhielt in Glasgow keinen Anschlussvertrag, hatte Pläne, kam aber nirgendwo unter. Schindzielorz wusste das und schlug zu – weil er den Markt genau im Blick behielt.

Kritik an der Kaderplanung

Trotzdem und gerade deshalb stellt sich die Frage, ob der VfL Bochum vor allem auf Zufälle setzt. Warum wartet man bis zum Ende der Transferperiode? Kommen die Spieler, die sich verbessern wollen, nicht viel eher, nämlich schon im Frühsommer auf den Markt? Ob späte Transfers, kurze Leihgeschäfte oder Lücken, die nicht geschlossen wurden – die Kaderplanung sorgt für Diskussionen. Und ist sicher auch ein Grund dafür, warum der VfL Bochum im Abstiegskampf der 2. Liga steckt. Ein Blick auf die personelle Besetzung im Hintergrund liefert einen ersten Erklärungsansatz.

Tatsächlich besteht die Scouting-Abteilung, die für Transfervorbereitungen zuständig ist, nur aus zwei Mitarbeitern: Uwe Leifeld und Christos Orkas. Das ist seit 2007 so, als der damalige Sportdirektor Stefan Kuntz den Bereich aufgebaut hat. Nur unter Christian Hochstätter, der auf das Duo nicht mehr setzen wollte, gab es eine Neueinstellung. Er verpflichtete Schindzielorz als Chefscout. Der wurde mit Hochstätters Beurlaubung vor zwei Jahren befördert. Sein vorheriger Posten ist seither unbesetzt. Einen Chefscout hat der VfL also nicht, und das Vertrauen in Leifeld und Orkas ist eher gering.

Kein Geld für mehr Scouting

Perspektivisch könnte Patrick Fabian in die Rolle als Kaderplaner hineinwachsen. Doch das Bochumer Urgestein gehört in dieser Saison noch zur Profimannschaft. Dass die Personaldecke zu dünn ist, hat Schindzielorz jedenfalls erkannt. Auf Nachfrage bekräftigt er: „Wir wollen die Scouting-Abteilung personell stärken. Ein gutes Konzept, die richtigen Leute und die Finanzen: Das sind die drei Kernkomponenten, um die es geht. Dieser Prozess läuft seit geraumer Zeit, auch in Abstimmung mit dem Präsidium. Im ersten Schritt brauchen wir die wirtschaftlichen Mittel dafür.“

Abhängig sei der Klub vor allem von Fernsehgeldern. Doch ist das nicht ein Teufelskreis? Angenommen, der VfL landet am Saisonende relativ weit unten in der Tabelle – dann fehlt doch erst recht das Geld für intensiveres Scouting. Schindzielorz weiß um die Bedeutung, betont aber auch: „Natürlich ist das eine Investition, aber keine, die mit ein paar tausend Euro erledigt wäre. Wir reden hier von anderen Summen.“ Auch ihm sei klar, dass eine verbesserte Spielersuche „ein Hebel ist, um zusätzliche Gelder, also Transfereinnahmen zu generieren.“

VfL setzt auf Daten und Software

Trotzdem wehrt sich Schindzielorz gegen den Vorwurf, der VfL würde bei der Sichtung und Transfervorbereitung zurzeit unprofessionell arbeiten. „Wir nutzen viele Daten, eine Art virtuelle Transferbörse zum Austausch mit anderen Klubs und moderne Software, mit der wir Zugriff auf Videos von Spielern aus aller Welt haben“, erklärt der Manager. „Das hilft uns enorm, spart Zeit und Reisekosten. Wichtig ist natürlich auch ein gutes Netzwerk.“ Genau darauf lassen sich einige Verpflichtungen tatsächlich zurückführen.

Vor allem Verbindungen zu Spielerberatern waren hilfreich, um herauszufinden, wer für einen Vereinswechsel infrage kommt. Saulo Decarli etwa wird von derselben Agentur betreut wie Ex-Trainer Robin Dutt, Milos Pantovic vom ehemaligen VfL-Profi Maurizio Gaudino, den Schindzielorz von früher kennt. Das war auch bei Patrick Drewes ein Vorteil, der in Wolfsburg noch Mitspieler seines heutigen Vorgesetzten war. Den Transfer von Chung Yong Lee hat wiederum Ilja Kaenzig in die Wege geleitet – ebenfalls über gute Verbindungen.  

Wenige Spieler aus der Region

Auffällig dagegen ist, dass der VfL vor allem sein direktes Umfeld aus den Augen verloren hat. Eine Recherche zeigt: Allein in der Regionalliga West waren zwischen 2015 und 2019 38 Spieler aktiv, die heute bei einem Erst- oder Zweitligisten in Deutschland unter Vertrag stehen. Doch keiner von ihnen trägt das Trikot des VfL. Lediglich Janni Serra spielte für wenige Monate in Bochum. Die Frage, ob VfL-Scouts in dieser Liga ausreichend präsent sind und – wenn ja – ob die Einschätzungen dann passen, ist also durchaus berechtigt.

Ein Paradebeispiel für regionales Scouting ist spätestens seit dem Bundesliga-Aufstieg der finanziell sogar schwächere SC Paderborn. Leistungsträger wie Kai Pröger, Luca Kilian oder Christopher Antwi-Adjej haben zuvor in Essen, Dortmund und Sprockhövel gespielt. Um Spieler wie diese zu entdecken, setzen die Ostwestfalen auf Honorarscouts, meist für 450 Euro im Monat zuzüglich Fahrtkosten. Ebenfalls ein Ansatz, den nur wenige Klubs verfolgen: Sie binden Ex-Spieler aus dem Ausland in ihrer Heimat als Experten ein. Gutes Scouting muss nicht zwingend teuer sein.

(Foto: Imago / Baumann)