1:2-Derbyniederlage

„Richtig gut“ oder nur besser: Was ist der Anspruch des VfL?

Weniger als fünf Minuten führten zu einem kompletten Stimmungsumschwung. In dieser Zeit verspielte der VfL Bochum am Samstagabend seine Führung, kassierte erst den Ausgleich und kurz danach das spielentscheidende 1:2. Mit einem Sieg im prestigeträchtigen Nachbarschaftsduell gegen Schalke 04 hätte das Team von Trainer Dieter Hecking Anschluss an die Spitzengruppe finden können. Nun muss der VfL bereits den zweiten Dämpfer in der noch jungen Saison verdauen. „Die Niederlage ist brutal bitter, das müssen wir erstmal wegstecken“, sagte Sportchef Dirk Dufner nach dem Schlusspfiff in den Katakomben und fasste salopp wie präzise zusammen, wieso der VfL ohne Punkte die Stadtgrenze passierte: „Sie machen die Dinger rein, wir nicht. Sie schießen ein Eiertor, wir vergeben einen Elfmeter.“

Strukturiert, aber nicht zwingend

Ausgerechnet der erfahrene Kevin Vogt scheiterte in der ersten Halbzeit vom Punkt. Schon beim Pokalspiel in Berlin patzten die Bochumer aus elf Metern, dort in Person von Matus Bero. Es gab also Parallelen zu den ziemlich dürftigen Leistungen zu Saisonbeginn, aber auch eine Steigerung. „Wir waren gut im Spiel, haben viele Dinge deutlich besser gemacht als in den letzten Spielen. Darauf kommt es an, dass man sich weiterentwickelt“, bilanzierte Dufner. Der VfL präsentierte sich taktisch reifer, ließ bis zur Schlussphase nur wenige Torschüsse zu und tappte fast nie in die Pressingfalle der engagierten, aber limitierten Schalker. Auch offensiv legte der VfL mehr Elan und Variabilität an den Tag. Das Flügelspiel wurde forciert, was sich prompt auszahlte. Sehenswert kombinierten sich die Bochumer zum 1:0.

Jedoch: Viele weitere nennenswerte Spielzüge und zwingende Chancen gab es aus Sicht der Gäste nicht. Die klareren Tormöglichkeiten verzeichnete sogar der Reviernachbar. Und: Mit einfachsten Mitteln gab der VfL die Führung in der Schlussphase aus der Hand. Während beim abgefälschten Ausgleichstreffer auch viel Pech dabei war, schliefen die Bochumer vor dem spielentscheidenden Tor fast kollektiv, waren körperlich wie mental zu langsam. Die Frage lautet also: War es wirklich ein „richtig gutes Spiel“, das beispielsweise Kevin Vogt und auch andere gesehen haben? Oder war es lediglich eine Verbesserung, die angesichts der zurückliegenden Auftritte nicht allzu schwer und dringend notwendig war? Beantworten lassen sich diese Fragen im Grunde nur, wenn der Bochumer Anspruch geklärt ist.

Gegen Münster unter Zugzwang

Sollte der VfL in dieser Saison aufsteigen wollen, muss er sich weiter steigern, ansonsten reicht ein Auftritt wie der auf Schalke sicher nicht aus. Auch für die Stimmungslage im Umfeld wären baldige Erfolgserlebnisse wichtig. Fast alle Anhänger wissen, dass eine sofortige Bundesliga-Rückkehr nicht planbar ist; nicht mit den Mitteln des VfL, erst recht nicht in dieser unberechenbaren 2. Liga. Um den Aufstieg mitspielen sollte der VfL allerdings schon. Mit der von Hecking vorgetragenen Absichtserklärung, alles dafür zu tun, den Abstieg „zu reparieren“, sind Erwartungen verbunden. Dass Geschäftsführer Ilja Kaenzig einen Top-3-Etat angekündigt hat, erhöht den Druck zusätzlich. Und dass Kritiker für ihre Ansichten rund um den Saisonstart teilweise belächelt oder abgekanzelt wurden, hat ebenfalls nicht geholfen.

Die ersten Wochen der neuen Saison zeigen, dass die für einen Abstieg recht positive Stimmung vor allem auf der Hoffnung nach baldiger Besserung beruhte. Das weiß auch Philipp Hofmann, der nach dem Spiel in Gelsenkirchen sagte: „Das erste Spiel war zum Vergessen, das zweite Spiel haben wir gewonnen und im Pokal sind wir eine Runde weiter. Uns ist aber bewusst, dass die Erwartungshaltung an uns als Absteiger hoch ist. Jetzt haben wir ein Heimspiel, das wollen wir gewinnen.“ Gegen Münster bleiben 90 Minuten Zeit für einen Stimmungsumschwung. Ob bis dahin schon der von vielen Fans sehnlichst erwartete Angreifer verpflichtet ist, bleibt offen. Justin Diehl vom VfB Stuttgart ist verletzungsbedingt praktisch raus aus der Verlosung. Das Transferfenster schließt am kommenden Montag.


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(Foto: Marc Niemeyer)