Neuer Trainer

Hardliner mit Herz: Röslers Ideen für den VfL

Namensschilder wie in der Schule kann Uwe Rösler auf dem Trainingsplatz nicht aufstellen. Stattdessen kam der neue Coach des VfL Bochum am Montagnachmittag mit einem Zettel zur ersten gemeinsamen Übungseinheit. Darauf waren die Namen und Gesichter der Spieler abgebildet, die der 56-Jährige noch nicht so gut kannte, zum Beispiel einige Talente. Rösler hat zwar den Vorteil, dass das nächste Pflichtspiel erst in gut zwei Wochen stattfindet, muss bis dahin aber auf sechs Nationalspieler verzichten, darunter fast alle Leistungsträger der vergangenen Wochen. Viele von ihnen gab es vor der Verpflichtung von Rösler ja nicht. Das soll sich in den kommenden Wochen ändern. Es muss sich sogar ändern, anderenfalls könnte der Doppel-Abstieg von der Bundesliga in die Drittklassigkeit zur Realität werden. „Die Angst ist da, das spürt man“, stellte der bereits dritte Trainer in dieser noch jungen Saison bei seiner Vorstellung fest. Doch ans Scheitern denkt der Globetrotter dieser Tage nicht. Trotz der prekären Tabellensituation und trotz vieler Probleme auf und neben dem Rasen nimmt er die komplizierte Herausforderung an.

Röslers elfte Trainerstation

„Ich weiß um meine Verantwortung“, betonte Rösler bei seiner Vorstellung, als er allen Beteiligten prompt das „Du“ angeboten hat. Das sei in England und Skandinavien so üblich. Für den früheren DDR-Nationalspieler ist der VfL bereits die elfte Trainerstation. Zumeist hat Rösler im Ausland gearbeitet: Viele Jahre in England, dann in Norwegen, zwischendurch in Schweden und zuletzt drei Spielzeiten in Dänemark. Sein kurzer Abstecher nach Deutschland zu Fortuna Düsseldorf endete nach nur anderthalb Jahren. Doch für Rösler war schon kurz danach klar: Er möchte es noch einmal in seiner Heimat versuchen. Nun also in Bochum beim krisengeschüttelten VfL. Abgeschreckt haben ihn die fast jährlichen Trainerwechsel und der seit Jahren anhaltende Abwärtstrend nicht. „Ich habe in der Vergangenheit bereits unter ähnlichen Bedingungen gearbeitet“, berichtete Rösler. „Deshalb vertraue ich meiner Erfahrung und meinem Bauchgefühl.“ Das habe ihm schon vor seiner Unterschrift unter einen Zweijahresvertrag gesagt, dass es möglich sei, „mit dieser Mannschaft Uwe-Rösler-Fußball zu spielen, also: aggressiv, dynamisch und vorwärts denkend.“

Der „Spirit“ sei da, „in gewissen Situationen hat aber die Qualität gefehlt“, erzählte der Fußballlehrer, als er nach seinem Eindruck der zurückliegenden Spiele gefragt wurde. Spannend: Die Verantwortlichen um Geschäftsführer Ilja Kaenzig und Vorstandschef Andreas Luthe haben im Vorfeld unter anderem Daten ausgewertet, die zeigen sollten, wie viele Punkte potenzielle Trainerkandidaten zu Beginn einer Station gesammelt haben. „Uwe Rösler bringt die perfekte Mischung mit. Die Fähigkeiten eines Feuerwehrmanns, aber auch eine Perspektive“, erklärte Luthe in einer gemeinsamen Pressekonferenz. Rösler habe die Klubführung mit „Expertise und Autorität“ überzeugt, ergänzte Kaenzig. Der Auserwählte gilt als Hardliner mit Herz: mal laut, mal leise, aber stets kommunikativ, fordernd und voller Leidenschaft für den Fußball. Die hat sich sogar auf einen Sohn übertragen, der als Innenverteidiger für Malmö FF in der Europa League spielt. Der größte Unterschied: Vater Rösler war früher Stürmer, wurde zur Vereinslegende bei Manchester City, als der neureiche Klub noch ein Arbeiterverein war. Wegen einer Krebserkrankung, die Rösler besiegte, endete seine Profilaufbahn früher als geplant.

Mehr Tore, weniger Gegentore

Doch zurück zur Gegenwart beim VfL, die kaum Abschweifungen duldet. „Jeder erwartet Lösungen von mir, vor allem die Spieler“, weiß Rösler, der deshalb viele Gespräche führen möchte. „Ich möchte herausfinden, was jeder einzelne Spieler braucht.“ Die Defizite, die zu sieben Niederlagen nach acht Spieltagen geführt haben, sind ihm bereits bekannt – und er benannte sie an seinem ersten Arbeitstag in einer ruhrgebietstypischen Klarheit. Zunächst: „Fast zwei Gegentore pro Spiel – das müssen wir abstellen. Die Abwehr ist das Fundament.“ Später erklärte Rösler dann: „Nur acht Tore in acht Partien – das müssen wir erhöhen. Wir müssen die Flügel und die Box besetzen, müssen unsere Stürmer füttern.“ Rösler deutete an, auf eine „große Neun“, also auf Philipp Hofmann oder auf Ibrahim Sissoko setzen zu wollen. Allerdings: In Stein gemeißelt ist das nicht. „Ich bin ein flexibler Trainer, ohne jede Woche alles zu ändern. Es gibt einen Plan und einen Ausweichplan. Alles andere würde die Spieler überfordern.“ Rösler gab bei seiner Vorstellung vieles preis, nur die in Bochum allgegenwärtige Systemfrage wollte er noch nicht beantworten.

In Dänemark hat er zuletzt vorzugsweise auf die in Bochum verschmähte Dreier-Abwehrkette gesetzt. „Da hatte ich aber auch die Spieler dafür“, erklärte Rösler. Und in Bochum? Die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass der Kader für keine Spielweise und keine Grundordnung optimal zusammengestellt ist. Insbesondere schnelle Innenverteidiger und offensive Flügelspieler sind Mangelware. Rösler ist deshalb als Pragmatiker gefragt: „Ich möchte möglichst viele gute Spieler auf den Platz bekommen. Leistung diktiert, wer am Wochenende spielt.“ Auch arrivierte Kräfte wie Maximilian Wittek oder Hofmann, die sich seit Wochen im Formtief befinden, müssen demnach um ihren Stammplatz bangen. Perspektivisch sieht Rösler vor allem das zentrale Mittelfeld als „Herzstück der Mannschaft“. Namentlich nannte er Cajetan Lenz und Ibrahima Sissoko, die bei seinem Einstand gegen Hertha BSC allerdings nicht zur Verfügung stehen werden. Lenz ist gelbgesperrt, Sissoko noch verletzt und allersfrühestens im November wieder einsatzbereit. Rösler muss für sie Alternativen suchen. Gewiss: Die Namen standen beim Trainingsstart bereits auf seinem Zettel.


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