Sieg in der Relegation

Bochumer Fußballwunder: „Sowas Krasses noch nie erlebt“ 

Regionale Feiertage gibt es in Deutschland praktisch keine. Hätten die Bochumer aber die Möglichkeit, einen Tag auszuwählen, an dem die Arbeit ruht, dann wäre es vermutlich der 28. Mai, zumindest bei allen Fußballfans. Zweimal in Folge hat der VfL am Vortag den Klassenerhalt in der Bundesliga klargemacht, in diesem Jahr gar eine Sensation erreicht – und die musste natürlich gefeiert werden. Der Montag war schon längst zum Dienstag geworden, als sich viele hundert Fans im Bermuda-Dreieck oder am Stadion versammelten, um ihre Mannschaft zu begrüßen. Sie wollten gemeinsam auf das größte Bochumer Fußballwunder der vergangenen Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte anstoßen. Nach der 0:3-Pleite im Hinspiel der Relegation gelang das fast Unmögliche: Der VfL gewann in Düsseldorf mit 3:0, kämpfte sich ins Elfmeterschießen und behielt dort die Nerven. Bochum bleibt Bundesligist!

Luthe feiert Abschied

Dieser Abend geht in die Vereinschronik ein. Historiker vermuten, dass die Anwesenden noch ihren Enkeln von dieser Aufholjagd berichten werden. In Erinnerung bleiben aber nicht nur das Ergebnis und die Dramatik des Spiels, sondern auch die vielen Momente danach. Zum Beispiel Trainer Heiko Butscher, bei dem nach Abpfiff Freudentränen flossen. Erzählenswert ist auch die Geschichte von Andreas Luthe, der für die Relegation ins Bochumer Tor zurückkehrte, im letzten Spiel seiner Karriere den Klassenerhalt bei seinem Herzensverein feierte und schließlich von seinen Mitspielern auf Händen getragen wurde. Aus sportlicher Sicht verdient natürlich auch Philipp Hofmann, Doppeltorschütze und somit Wegbereiter der rauschenden Partynacht, eine Erwähnung, ebenso wie Kevin Stöger, abermals Antreiber, Spielgestalter und sicherer Elfmeterschütze bei seiner Abschiedsvorstellung im VfL-Trikot.

Immer Drama beim VfL

Selbst Noah Loosli, eine Randfigur in dieser turbulenten Saison, trug seinen Teil zum Erfolg bei, als er in den Schlussminuten der Verlängerung einen Schuss auf der Linie blockte und das nervenaufreibende Elfmeterschießen erst ermöglichte. „Das passt zum VfL. Ohne Drama geht hier gar nichts“, sagte der Schweizer später. Auch Kapitän Anthony Losilla, der in die Startformation zurückgekehrt war, konnte sein Glück kaum in Worte fassen. Zehn Jahre trägt der Mittelfeldspieler schon das Trikot des VfL, kommende Saison ist er der älteste Bundesliga-Profi, aber: „Sowas Krasses habe ich noch nie erlebt – obwohl ich hier schon viel mitgemacht habe. Die Mannschaft wollte es unbedingt drehen. Wir hatten nichts mehr zu verlieren. Ich bin so stolz“, freute sich der 38-Jährige. Im Saisonfinale trat der VfL endlich wieder als Einheit auf und dachte dabei auch an die, die nicht dabei waren.

Dank an Riemann und Letsch

Maximilian Wittek und Philipp Hofmann trugen nach dem Schlusspfiff ein Trikot von Torwart Manuel Riemann, dem sie nach den Querelen vor der Relegation offensichtlich wieder die Hand reichen. Sportdirektor Marc Lettau dankte zudem Ex-Trainer Thomas Letsch und dessen Assistenten Jan Fießer für die gute Vorarbeit. Interimscoach Heiko Butscher, für den es definitiv keine Zukunft bei den Profis geben wird, durfte das Werk nun vollenden. In Düsseldorf überraschte er mit seiner Aufstellung, schickte unter anderem Lukas Daschner und Tim Oermann ins Rennen und setzte in der Abwehr auf eine Dreierkette – also auf das oft verschmähte System, das Vorgänger Letsch vergeblich zu etablieren versuchte. Der VfL spielte in Düsseldorf zum ersten Mal seit Januar zu Null, sogar über 120 Minuten. Mit jedem eigenen Treffer wuchs der Glaube an die Sensation, Düsseldorfer wurde sichtlich nervös.

Lange Partynacht in Bochum

Im Elfmeterschießen angekommen, profitierte der VfL zudem davon, dass Co-Trainer Marc-Andre Kruska genau dieses Szenario im Training einmal durchgespielt hat. „Ich habe ihn da noch für verrückt erklärt“, gestand Butscher, während die Mannschaft bereits mit den knapp 5.000 mitgereisten Fans feierte und die Party irgendwann aus der Stadt mit der längsten Theke an die schönste Theke der Welt verlegte. Diesmal hatte der VfL im Vorfeld nichts organisiert, einzig die schon vor Wochen vorbereiteten Mottoshirts hatte Zeugwart Andreas Pahl sicherheitshalber in den Bus gepackt. Kurzerhand hatte der Verein alles für eine Feier in der eigenen VIP-Lounge organisiert, doch die Spieler hatten keine Lust, in geschlossener Gesellschaft zu feiern, machten auf dem Absatz kehrt und fuhren mit dem Teambus in die Stadt, wo die Mannschaft gegen 2.45 Uhr eintraf und bis zum Sonnenaufgang im Bermuda-Dreieck feierte.


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(Foto: Imago / Revierfoto)