0:3 gegen Düsseldorf

Nach Debakel droht der Abstieg: Münster ist näher als München

Der Kreis schließt sich gerade. Am 23. Mai 2021 ist der VfL Bochum nach elfjähriger Durststrecke in die Fußball-Bundesliga zurückgekehrt. Auf den Tag genau drei Jahre später hat ein erschreckend mutloser Auftritt im eigenen Stadion praktisch alle Hoffnungen auf den erneuten Klassenerhalt zerstört. Mit 0:3 unterlag der VfL im Hinspiel der Relegation dem Zweitligisten Fortuna Düsseldorf und steht nach diesem Debakel vor dem siebten Abstieg aus der höchsten Spielklasse. Nur ein großes Fußballwunder könnte den Revierklub noch retten, daran glaubt in Bochum allerdings (fast) niemand mehr. Die Auswärtsreise nach Münster ist näher als nach München – das ist nicht nur geografisch zutreffend. 

Kaum noch Hoffnung

An vermeintlichen Glücksbringern hat es nicht gemangelt am Donnerstagabend. Die Bochumer Fußballprominenz versammelte sich auf der VIP-Tribüne im Ruhrstadion. Torwartlegende Rein van Duijnhoven war zum ersten Mal seit einigen Jahren wieder dabei, und auch Bayern-Profi Leon Goretzka schaute in der Heimat vorbei – stilecht mit dem legendären Regenbogentrikot. Sah man gegen 22.30 Uhr in ihre Augen, war Enttäuschung zu erkennen, Rat- und Fassungslosigkeit. Allen anderen Stadionbesuchern ging es ähnlich. Wütende Fans gab es nur vereinzelt, geschockte Anhänger dafür umso mehr. „Das hat Bochum nicht verdient. Und wir sind daran schuld“, zeigte Vize-Kapitän Kevin Stöger immerhin Verständnis.

Mantraartig und mit einem Griff in die Floskelkiste versuchten Spieler und Verantwortliche die Abgesänge auf den VfL zwar noch zu stoppen, doch wie glaubhaft das ist, haben die vergangenen Tage und Wochen gezeigt. „In diesen zwei Spielen werden wir alles daran setzen, dass der VfL auch in der nächsten Saison Teil der Bundesliga ist“, hieß es in einer Botschaft der Mannschaft vor der Relegation. Zu sehen war davon wenig, im Grunde fast gar nicht. Schon nach dem ersten frühen Gegentreffer verlor der VfL sichtbar den Glauben an die eigenen Stärken, nach dem zweiten und dritten Einschlag erst recht. Zu keinem Zeitpunkt vermittelte diese Bochumer Mannschaft das Gefühl, noch an ein positives Ende zu glauben.

Viel Pech beim frühen 0:1

Zu allem Überfluss kam auch noch reichlich Pech dazu. 77 Gegentreffer kassierte der VfL einschließlich der Relegation, aber keines davon passt besser zu dieser Saison wie das 0:1 gegen Düsseldorf. Eine scharf geschlagene Ecke landete auf direktem Weg am Bochumer Pfosten, von dort aus prallte der Ball ohne gegnerische Einwirkung an das Bein von VfL-Stürmer Philipp Hofmann – und von dort aus ins eigene Tor. Wenige Minuten später köpfte Bochums Bernardo, der im Rückspiel gelbgesperrt fehlen wird und damit wohl nie mehr im VfL-Trikot auflaufen wird, den Ball auf der anderen Seite ebenfalls ans Aluminium. Er sprang allerdings nicht ins Düsseldorfer Tor. Das allein erklärt die Bochumer Niederlage aber nicht.

Offensiv blieb der VfL über 90 Minuten blass, erspielte sich daheim gegen einen klassentieferen Gegner fast keine zwingende Torchance. Die taktischen und personellen Überlegungen von Trainer Heiko Butscher gingen nicht auf. Während die Gäste Kevin Stöger doppelt bewachten, ließ der VfL Düsseldorfs Stärksten, Außenstürmer Christos Tzolis, immer wieder laufen. Hinzu kam: Der VfL hat aus bekannten Gründen nicht nur auf Stammkeeper Manuel Riemann verzichtet, sondern aus „sportlichen Gründen“ auch auf Anthony Losilla. Bochums Kapitän saß zuletzt im November 2017 auf der Ersatzbank. Der ohnehin schon verunsicherten Mannschaft ihren wichtigsten Führungsspieler zu nehmen, ging nach hinten los.

Ohne Kapitän Losilla

Zumal Losilla einer der wenigen ist, der auch in der kommenden Saison definitiv das blau-weiße Trikot tragen wird. Der Klub steht vor einem großen Scherbenhaufen, zumindest aus sportlicher Sicht. Im Abstiegsfall wird und muss sich der Kader gravierend verändern. Mehr als ein dutzend Spieler werden den VfL verlassen, Neuzugänge gibt es noch keine. Zwar haben die Verantwortlichen in den vergangenen Wochen stets zweigleisig gedacht und geplant, für den Klassenerhalt sind sie aber deutlich besser vorbereitet als umgekehrt. Offen ist schließlich auch, wer auf Interimstrainer Butscher folgt und ob die sportliche Führung um Geschäftsführer Patrick Fabian und Sportdirektor Marc Lettau überhaupt bleiben darf.

Sie tragen die Verantwortung für diese Mannschaft, die kaum noch eine ist. Gegen Düsseldorf präsentierte sie sich nicht als bis zum Ende kämpfende Einheit. Dass zwei Spieler hinterher dennoch forsche Töne anschlugen, verwunderte umso mehr. „Es hört sich vielleicht ein bisschen albern an, aber wenn Düsseldorf bei uns drei Tore schießt, können wir das bei denen auch“, sagte Stöger, während Keven Schlotterbeck noch trotziger reagierte: „Wir lassen die Düsseldorfer jetzt jubeln und machen am Montag den Gegenschlag.“ Immerhin: Vergangenes Jahr feierte der VfL den Klassenerhalt am 27. Mai, also an jenem Tag, an dem jetzt das Rückspiel stattfindet. Ein gutes Omen muss das aber nicht sein, das wissen wir nun.


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(Foto: Marc Niemeyer)