Wie geht es weiter?

Trotz Rekordablöse: VfL will Transferpolitik nicht ändern

Der Wunschzettel vieler VfL-Fans ist lang. Nach dem Rekordtransfer von Armel Bella Kotchap zum FC Southampton, dem Wechsel von Maxim Leitsch nach Mainz und dem Abgang von Sebastian Polter zu Schalke 04 haben die Bochumer viel Geld in der Kasse, deutlich mehr als 15 Millionen Euro. Logisch, dass es Ideen gibt, was damit gemacht werden könnte. Beliebte Vorschläge in den Foren und Netzwerken: Elvis Rexhbecaj soll gekauft und der Vertrag mit Jürgen Locadia verlängert werden. Auch für Neuverpflichtungen kursieren allerhand Namen. Doch wird der VfL jetzt Spieler verpflichten, die vor wenigen Tagen oder Wochen noch völlig außer Reichweite waren? Eher nicht.

Kein Gehaltssprung

Denn dass der VfL von seiner Transferstrategie abweicht und plötzlich nennenswerte Ablösesummen in einzelne Spieler investiert, ist nicht geplant. Das lassen die Verantwortlichen bereits durchklingen. Heißt konkret: Sollte Wolfsburg von seinen finanziellen Vorstellungen für Elvis Rexhbecaj nicht abrücken, kommt ein Kauf aus Bochumer Sicht nicht infrage. Auch andere Spieler, für die der VfL Bochum mehrere Millionen Euro allein für die Ablöse in die Hand nehmen müsste, werden in diesem Sommer eher nicht dazukommen. Lediglich kleinere Ablösesummen sind denkbar, die genaue Schmerzgrenze muss im Einzelfall definiert werden; etwa bei Konstantinos Stafylidis, den die Bochumer von der TSG Hoffenheim verpflichten wollen, aber nicht zu jedem Preis.

Auch bei den Gehältern wird es keinen (weiteren) Quantensprung geben. Dass zum Beispiel Jürgen Locadia plötzlich ein deutlich verbessertes Angebot vorgelegt wird, ist nicht zu erwarten. Denn das hätte Konsequenzen fürs gesamte Team. Die Gehaltsstruktur würde sich verändern, Forderungen anderer Spieler wären die Folge, ohne dass sich die Qualität der Mannschaft dadurch erhöhen würde. Hinzu kommt, dass der VfL stets den Abstiegsfall einkalkulieren muss. Verträge gelten in der Regel für zwei oder drei Jahre, müssen also über die Saison hinaus finanziert werden. Das Risiko, bei einem Abstieg auf zu hohen Kosten sitzen zu bleiben, will beim VfL niemand eingehen. Das lehrt die Vergangenheit. Und auf erhebliche Einbußen bei einem Gang in die zweite Liga werden sich Spieler der Klasse Locadia kaum einlassen.

Rücklagen bilden

Was passiert also mit den Einnahmen? Im Detail wird das die Vereinsführung erläutern müssen, spätestens auf der nächsten Mitgliederversammlung, die im Herbst ansteht. Erfreulich: Die neue Saison ist durchfinanziert, auf Transfereinnahmen war der VfL nicht angewiesen. Der Lizenzspieleretat ist sogar unabhängig davon von 24 auf 30 Millionen Euro gestiegen. Allerdings müssen Verbindlichkeiten irgendwann abgebaut werden, die Corona-Pandemie hat ein tiefes Loch in die Kasse gerissen. Die Nettofinanzschulden lagen zuletzt bei rund 9 Millionen Euro. Ob eine schnelle Tilgung in Zeiten einer absehbaren Zinswende jedoch ratsam ist, steht auf einem anderen Blatt. Deshalb könnten vor allem Rücklagen gebildet werden – für schwierige Zeiten, für mehrere Jahre.

Befürworter einer Investitionsoffensive sehen das anders und entgegnen, dass mit klugen Transfers der Abstieg vermieden werden könne, und die positive Entwicklung des Klubs somit erst recht weiterginge. Doch eine Garantie dafür gibt es nicht. Die Frage ist ohnehin: Erhöhen zwei oder drei sogenannte Top-Transfers die Chancen auf den Klassenerhalt wirklich signifikant? Und sind solche Unterschiedsspieler für den VfL überhaupt zu bekommen? Arminia Bielefeld etwa hat im vergangenen Sommer rund sieben Millionen Euro in Ablösesummen gesteckt – der weitere Weg ist bekannt. Der VfL denkt deshalb anders. Ob die Ausgaben für die Mannschaft nun wie geplant bei 30 oder bei 35 Millionen Euro liegt, ist zweitrangig. Letzter in der Bundesliga-Nahrungskette bleibt man sowieso.

(Foto: Imago / Eibner)