Trainerfrage

Traumehe zerbrochen: Warum Reis gehen muss

Die vermeintliche Traumehe ist zerbrochen. Seit Montag um 13.32 Uhr ist Thomas Reis nicht mehr Cheftrainer des VfL Bochum. Der Bundesligist, der aktuell punktlos auf dem letzten Tabellenplatz steht, gab am Mittag die Trennung bekannt. Damit war nach den jüngsten Entwicklungen zu rechnen. Reis hat mit dem Revierklub alle sechs Partien zum Start in die neue Bundesliga-Saison verloren. Zuletzt gab es eine 1:3-Niederlage im Derby gegen Schalke 04. Schon in der Woche vor dem Spiel haben die Verantwortlichen ein klares Bekenntnis zum Trainer vermieden, nach dem Spiel äußerten sie sich gar nicht mehr. Bis zum Montag.

„Dass uns diese Entscheidung nicht leichtfällt, dürfte allen klar sein. Thomas Reis hat eine Verbindung zu Verein und Stadt, die über die vergangenen drei Jahre hinausreicht“, sagte Sportchef Patrick Fabian, der noch keine zwei Wochen im Amt ist und die Entscheidung gemeinsam mit der kompletten Vereinsführung getroffen hat. „Ich kann alle Fans verstehen, die sich das anders gewünscht hätten. Auch wir wären den Weg mit Thomas Reis gerne weitergegangen. Aber wir sind Letzter, haben schon einen Punkteabstand nach oben. Wir sind zu der Überzeugung gekommen, dass die Chancen für das Ziel Klassenerhalt in anderer Konstellation größer sind.“

Kredit bei der Mannschaft verspielt

Reis, mit dem der VfL im Sommer noch verlängern wollte, wurde eine Trendwende also nicht mehr zugetraut. Fabian erklärte am Montag, dass er auch mit der Mannschaft gesprochen habe, und vor allem sportliche Gründe bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt wurden. Nach Informationen von Tief im Westen – Das VfL-Magazin hat Reis seinen Kredit in der Kabine nicht komplett und bei allen Spielern, aber in Summe mehr und mehr verspielt. Es gab zuletzt keine klare, nachvollziehbare Linie bei den personellen und taktischen Entscheidungen, Reis wirkte zunehmend ratlos. Es gab Verletzungen, die sich auf eine schlechte Trainingssteuerung zurückführen lassen und auch ein Glaubwürdigkeitsproblem. Die Spieler wussten schon länger, dass Reis mit einem Wechsel geliebäugelt hat.

Ganz anders war und ist dagegen die Stimmungslage bei vielen Fans. Weil Reis den VfL zurück in die Bundesliga geführt und anschließend den Klassenerhalt geschafft hat, genießt er Heldenstatus, die Trennung ist für viele unverständlich. Dass Reis im Sommer ausgerechnet mit Schalke verhandelt hat, damit in Bochum und in der Branche teilweise sogar selbst (!) hausieren ging, um vor laufender Kamera alles abzustreiten, interessiert die meisten Fans seltsamerweise kaum. Auch die angespannte sportliche Situation führte nicht zu den im Fußball oft üblichen ‚Trainer-raus‘-Rufen. Angesichts dieser Gemengelage dürfte die erste große Aufgabe für Patrick Fabian, die Suche nach einem neuen Cheftrainer, zu einer mittelschweren Herausforderung werden.

Butscher nur eine Interimslösung

Zum genauen Zeitplan äußerte sich Fabian am Montag nicht. Gegen den 1. FC Köln am kommenden Sonntag wird der neue Mann wohl noch nicht an der Seitenlinie stehen. Zunächst übernimmt der bisherige U19-Coach Heiko Butscher die Mannschaft. Marc-Andre Kruska, Butschers Co-Trainer bei der U19, wird ihm assistieren, genauso wie Frank Heinemann. Eine Dauerlösung soll diese Konstellation aber nicht sein, stellte Fabian auf Nachfrage klar. Gesucht werde jemand, „der nicht völlig neu im Geschäft, aber auch kein klassischer Feuerwehrmann ist“. Doch wer ist bereit, in dieser Situation zu übernehmen, in der die Anhänger noch dem Vorgänger nachtrauern und nicht ganz klar ist, ob die Mannschaft wirklich besser ist als sie es zuletzt gezeigt hat?

Passen könnte etwa Uwe Neuhaus. Er steht für Ruhe und Erfahrung, bringt eine klare Spielidee mit, weiß besonders mit den vielen älteren Spielern umzugehen und ist im Ruhrgebiet zu Hause. Ob der 62-Jährige, der zuletzt Arminia Bielefeld in die Bundesliga geführt hat, überhaupt auf der Liste steht und Interesse hätte, ist aber noch unklar. Gleiches gilt für Dimitrios Grammozis, Sebastian Hoeneß oder Bruno Labbadia, über die in Fankreisen intensiv diskutiert wird. Bei ihnen muss aber nicht nur die Gehaltsfrage berücksichtigt werden, sondern auch, ob sie bereit wären, dem VfL im schlimmsten Fall in die 2. Liga zu folgen. Thomas Reis war dazu jedenfalls nicht bereit, anderenfalls hätte er seinen Vertrag längst verlängert.

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(Foto: picture alliance)