Portrait

Zeidler überzeugte ihn: Sissoko soll Leistungsträger werden

Dass der VfL Bochum mit Peter Zeidler einen Trainer verpflichtet hat, der früher als Französischlehrer tätig war, ist sicher kein Nachteil. Vor allem Ibrahima Sissoko freut sich darüber. Denn Bochums Neuerwerbung für das defensive Mittelfeld wurde in der Nähe von Paris geboren, ist in Frankreich aufgewachsen und hat dort bislang seine gesamte Karriere als Fußballer verbracht. „Der Trainer hat viel mit mir geredet und mich vom Verein überzeugt“, verriet Sissoko neulich in einem Interview mit der WAZ. Der 26-Jährige mit Wurzeln in Mali hat in diesem Sommer einen Dreijahresvertrag in Bochum unterschrieben. Sissoko ist ablösefrei an die Castroper Straße gewechselt.

Der großgewachsene Defensivspezialist startete seine Profikarriere zunächst bei Stade Brest in der Ligue 2. „Dort habe ich als Trainer vom FC Sochaux gegen ihn gespielt“, berichtet Peter Zeidler, allerdings flog Sissoko im ersten von zwei Duellen früh mit einer Rote Karte vom Platz. Nachhaltige Akzente setzte Bochums Neuzugang ohnehin erst bei Racing Straßburg unmittelbar hinter der deutschen Grenze. Für die Elsässer lief er erstmals in der Saison 2018/19 auf und absolvierte seitdem 179 Spiele in der Ligue 1 sowie vier Partien in der Europa-League-Qualifikation. Sissoko blieb in dieser Zeit stets verletzungsfrei und vereinstreu, er war Stammkraft beim französischen Traditionsklub.

„Diese Zahlen sprechen nicht nur für ihn, sondern auch für unseren Klub und unser Management“, freut sich Trainer Peter Zeidler über die Mittelfeld-Verstärkung. Seit Ende 2023 ist Sissoko auch als A-Nationalspieler aktiv. Nachdem er im Juniorenbereich bis zur U21 in insgesamt 18 Partien für Frankreich auflief – unter anderem mit dem heutigen Weltstar Kylian Mbappé – nutzte er Ende 2023 die Staatsbürgerschaft Malis und lief zum ersten Mal für die Auswahl des westafrikanischen Binnenstaats auf. Weitere Einsätze könnten folgen.

Der Fokus liegt allerdings auf der Arbeit beim VfL. Als klassischer Sechser nimmt Sissoko VfL einerseits den Kaderplatz des nach Freiburg abgewanderten Patrick Osterhage ein, andererseits ist er aber auch der designierte Nachfolger von Landsmann Anthony Losilla. In dieser Saison werden Sissoko und Losilla noch zusammenspielen, wobei Sissoko aufgrund seiner Erfahrung, seines Leistungsvermögens und auch aus Kostengründen fest als Stammkraft eingeplant ist. Der VfL hat sich am Ende gegen Mitbewerber aus Italien, Griechenland und auch aus Deutschland durchgesetzt. Vor allem der FC Augsburg bekundete sein Interesse an einer Verpflichtung von Sissoko, auch Borussia Mönchengladbach schickte Scouts nach Straßburg. „Ich freue mich sehr, dass es uns gelungen ist, Ibrahima zu verpflichten“, sagte VfL-Sportdirektor Marc Lettau direkt nach der Vertragsunterschrift.

Der verantwortliche Kaderplaner hat bei diesem Transfer in ein höheres Regalfach greifen können. „Zum einen zeigt es, dass unser Scouting in für den VfL neuen Märkten Früchte trägt und zum anderen, dass wir auch von der Konkurrenz umworbene Spieler vom VfL überzeugen können. Obwohl er erst 26 Jahre alt ist, ist Ibrahima schon lange Leistungsträger in einer europäischen Top-5-Liga. Als solcher wird er auch uns verstärken“, betont Lettau. Sissokos Stärken liegen in der defensiven Zweikampfführung, am Boden wie in der Luft. Beides bestätigte er in den ersten Trainingswochen und teilweise auch in den Pflichtspielen. Er gilt zudem als ausdauerstark. Schwächen offenbart der Franzose, wenn er den Ball schnell und sauber verarbeiten muss, ein Filigrantechniker ist er nicht. Generell gibt es im Vorwärtsgang noch Luft nach oben. Das belegt auch die Statistik. In sechs Jahren bei Racing Straßburg hat Sissoko nur fünf Tore erzielt.

Doch vielleicht läuft es in Deutschland ja besser. „Der Wechsel ist aufregend für mich, denn die Bundesliga ist anders als die Ligue 1“, sagte er nach dem Trainingsauftakt in seiner Muttersprache. Zeidler übersetzte die weiteren Aussagen ins Deutsche: „Ich glaube, hier ist mehr Disziplin gefragt. Auch Laufbereitschaft ist sehr wichtig. Außerdem gibt es mit Bayern, Dortmund und den anderen viele gute Mannschaften, die auch international bekannt und erfolgreich sind“, wobei Sissoko einschränkt: „Für ein genaueres Urteil muss ich hier erst länger spielen.“

In welchem System und mit welcher taktischen Marschroute, sei zweitrangig. Bislang kam er beim VfL als alleiniger Sechser zum Einsatz. „Ich kann auf der Sechser-Position allein oder zu zweit spielen. Beides kenne ich“, erzählt Sissoko, der gemeinsam mit seiner Frau nach Bochum gekommen ist und möglichst bald nicht mehr auf einen Dolmetscher angewiesen sein möchte: „Der Trainer, Anthony Losilla und Noah Loosli sprechen Französisch, sie helfen mir gerade sehr. Aber der Verein hat mir einen Deutschlehrer organisiert und schon bald möchte ich wenigstens auf dem Platz alles verstehen.“ Zeidler wird die Rolle des Französischlehrers allerdings nicht einnehmen. Er wird sich bei Sissoko auf das Trainieren der sportlichen Fähigkeiten konzentrieren.

Der Text ist zuerst im VfL-Heft des Bochumer 3Satz-Verlags erschienen und wurde mittlerweile durch aktuelle Informationen ergänzt. Auf mehr als 130 Seiten bietet das Magazin viele Interviews, ausführliche Portraits und interessante Hintergrundgeschichten. Gedruckte Exemplare der aktuellen Ausgabe zum Saisonstart sind kostenlos an vielen Stellen im Bochumer Stadtgebiet oder direkt beim 3Satz-Verlag (Alte Hattinger Str. 29) zu bekommen. Nachfolgend gibt es auch eine Download-Option.

(Foto: Marc Niemeyer)