Neuer Kader

Zehn Abgänge beim VfL – aber drei Spieler bleiben länger

Einen schöneren, einen würdigeren und emotionaleren Abgang hätte es nicht geben können. Im Winter wurde Andreas Luthe als Nummer drei für das Tor des VfL Bochum verpflichtet. Mit dem 37-Jährigen war klar vereinbart, dass er nur der Ersatz für den Ersatz sein würde, und die gemeinsame Zeit vier Monate später schon wieder enden soll. Luthe hatte damit kein Problem, für ihn stand die Rückkehr zu seinem Jugend- und Heimatverein im Vordergrund, ganz im Spätherbst seiner Karriere. Pläne für die Zeit danach hatte Luthe, der eine Berufsausbildung und zwei Studiengänge abgeschlossen hat, längst in der Tasche; mit Fußball haben sie übrigens wenig zu tun.

Luthe und Esser hören auf

Doch dann kam alles ganz anders. Schon im März musste Luthe einmal einspringen, vertrat den gesperrten Manuel Riemann und den verletzten Niclas Thiede. Luthe genoss seinen mutmaßlich letzten Auftritt im Bochumer Ruhrstadion sehr. Doch es kam noch besser, es wurde jedenfalls verrückter. Luthe musste nach dem Krach zwischen Riemann, der Mannschaft und den Verantwortlichen auch in der Relegation wieder ins Tor. Nach dem Hinspiel sah es so aus, als würde Luthe als Absteiger abtreten müssen. Doch im Rückspiel trug er selbst dazu bei, den VfL Bochum, bei dem er seit vielen Jahren Mitglied ist, in der Bundesliga zu halten. Im Elfmeterschießen.

Da flossen selbst bei dem sonst so gelassenen Familienvater die Freudentränen, und ganz Bochum freute sich mit ihm. Kurze Zeit später bestätigte Luthe das, was längst klar, nur noch nicht öffentlich ausgesprochen war. „Das war heute mein letztes Spiel im Profifußball“, sagte er nach dem sensationellen Erfolg des VfL in Düsseldorf. „Ich habe eine tolle Karriere hinter mir. Es gibt keinen besseren Zeitpunkt, um Danke zu sagen. Jetzt freue ich mich auf alles, was danach kommt.“ Luthe wird in seine Wahlheimat nach Augsburg zurückkehren. Auch Positionskollege Michael Esser beendet seine Karriere, wird aber als Torwarttrainer für den VfL-Nachwuchs weiterarbeiten.

Soares spielt für Nürnberg

Insgesamt zehn Abgänge wird der VfL in Kürze bekanntgeben, wobei sie allesamt nicht überraschend sind. Philipp Förster erhält nach einer für beide Seiten enttäuschenden Saison keinen Anschlussvertrag, Goncalo Paciencia wird zu seinem Stammverein Celta Vigo zurückkehren. Bemühungen des VfL, ihn zu halten, gab es angesichts durchwachsener Leistungen keine. Auch Moritz Römling wird Bochum verlassen, an ihm sollen Alemannia Aachen und der MSV Duisburg interessiert sein. Patrick Osterhage hat bereits im April einen Vertrag beim SC Freiburg unterschrieben. Der Bundesliga-Konkurrent hat eine Ausstiegsklausel genutzt, die dem VfL rund 4 Millionen Euro netto beschert.

Intern wurde in dieser Woche auch Danilo Soares verabschiedet. Der Linksverteidiger trug sieben Jahre das Trikot des VfL Bochum, sechs davon als Stammspieler. Seine Vertragsverlängerung im Sommer 2020, als praktisch alle Fans von einem Wechsel ausgingen, machte ihn zum Publikumsliebling. Der 32-Jährige war stets ein Musterprofi und lange Zeit auch ein Leistungsträger. Erst in dieser Saison geriet Soares aufs Abstellgleis, was ihn dazu brachte, im Frühjahr deutlich gegen die Verantwortlichen auszuteilen. Es folgte eine Denkpause, ein Spiel für den VfL machte er nicht mehr. Soares wird künftig für den 1. FC Nürnberg spielen, der Vertrag ist bereits unterschrieben.

Stöger ist zu gut für Bochum

Bleibt somit nur noch die Frage, wie es mit Kevin Stöger, Keven Schlotterbeck und Takuma Asano weitergeht, den drei besten Torschützen beim VfL in dieser Saison, die Relegation einmal ausgeklammert. Die enttäuschende, aber ehrliche Antwort lautet: Geschieht kein Wunder, wird ihre Zeit an der Castroper Straße enden. Sie hoffen nach ihrem Vertragsende beim VfL auf höher dotierte und sportlich attraktivere Angebote, teilweise liegen sie bereits vor. Speziell Kevin Stöger hat sich ganz andere Optionen erspielt. Der Österreicher wird von mehreren Klubs umworben, auch aus der Bundesliga. Angesichts herausragender Werte in zahlreichen Statistiken ist das keine Überraschung.

Stöger hat ligaweit die mit Abstand meisten Torschussvorlagen geliefert, zudem die meisten Gegenpressing-Aktionen eingeleitet. Beim VfL war der Österreicher erst recht der alles überragende Mann: mit den meisten Toren, den meisten Torvorlagen, den meisten Schüssen, dem meisten Pässen, den meisten Dribblings und den meisten Flanken. Ihn ablösefrei zu verlieren, tut in jeder Hinsicht weh, in erster Linie natürlich sportlich. Zwar hat Stöger am Montag in Düsseldorf betont, dass er noch keine endgültige Entscheidung für seine Zukunft getroffen hat – was auch den Tatsachen entspricht – realistische Chancen auf einen Verbleib hat der VfL aber nicht mehr.

Schlotterbeck ist zu teuer

Stöger wird die Gelegenheit nutzen, den wahrscheinlich lukrativsten Vertrag seiner Karriere abzuschließen. Die Verantwortlichen des VfL haben sich zwar sehr um eine Weiterverpflichtung bemüht, ihm einen langfristigen Vertrag vorgelegt und finanzielle Grenzen verschoben, sodass Stöger das bislang höchste Gehalt eines Fußballers in Bochum erhalten hätte. Reichen wird es trotzdem nicht, der Spielgestalter wird wechseln – genauso wie Takuma Asano. Das letzte Wort ist zwar noch nicht gesprochen und das Vertragsangebot des VfL weiter gültig, aber der flinke Japaner wird sich mit Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für einen anderen Klub entscheiden.

Nicht anders wird es im Normalfall auch bei Keven Schlotterbeck laufen. Der 27-Jährige ist vom SC Freiburg nur ausgeliehen, eine Kaufoption gibt es nicht. Der Spieler würde grundsätzlich gerne bleiben, das hat er mehrfach betont. Er fühlt sich wohl in Bochum, seine Spielweise passt zum VfL. Doch der torgefährliche Verteidiger hat seinen Marktwert in dieser Saison derart erhöht, dass die Bochumer keinen festen Transfer mit einer Ablöse von mehreren Millionen Euro stemmen können. Der VfL ist nicht bereit, für einen einzelnen Spieler derart viel Geld auszugeben, weil er sonst an anderer Stelle deutliche Abstriche bei seiner Kaderplanung machen müsste.

Keine Ausstiegsklauseln mehr

Die Liste der Abgänge ist somit lang, die drei letztgenannten plus Osterhage schmerzen besonders. Es gibt allerdings auch drei Spieler, die dem VfL noch länger erhalten bleiben. Mit dem Klassenerhalt hat sich der auslaufende Vertrag von Ivan Ordets bis 2026 verlängert, der von Teamkollege Bernardo ebenfalls; wobei der Defensivallrounder ohnehin noch bis 2025 an den VfL gebunden war. Außerdem steht die Vertragsverlängerung mit Christopher Antwi-Adjei bevor. Tief im Westen – Das VfL-Magazin hatte bereits vor kurzem über eine nahende Einigung berichtet. Der Klassenerhalt war dafür die Grundvoraussetzung, letzte Details sollten zeitnah geklärt sein.

19 Feldspieler und drei Torhüter hätte der VfL dann für die kommende Saison unter Vertrag, inklusive der vier Leihrückkehrer Gerrit Holtmann, Jordi Osei-Tutu, Mats Pannewig und Paul Grave, über deren Zukunft sicher auch der neue Trainer mitentscheiden wird. Weitere Abgänge sind somit nicht ausgeschlossen, auch bei den Leistungsträgern. Zu klären ist etwa, wie es mit Manuel Riemann weitergeht. Als mögliche Verkaufskandidaten gelten Erhan Masovic und Bernardo, die allerdings über keine Ausstiegsklausel verfügen. Generell kann kein Spieler für eine festgeschriebene Ablöse wechseln. Der VfL befindet sich in einer komfortablen Verhandlungsposition.


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(Foto: Marc Niemeyer)