Thomas Reis war skeptisch. „Wir standen draußen und dachten immer: schieß, schieß, schieß! Aber Gerrit lief immer weiter“, kommentierte der Trainer die Szene des Tages. Doch zum Glück hat Gerrit Holtmann so wenig Vertrauen in seinen rechten Fuß. Statt von der Strafraumkante direkt aufs Tor zu zielen, setzte er seinen Sololauf in der 21. Minute einfach fort – und belohnte sich und den VfL Bochum mit einem Treffer, der es in jeden Saisonrückblick schaffen wird.
Sechs verdutzte Mainzer ließ der Linksaußen zwischen Mittellinie und Fünfmeterraum wie Slalomstangen stehen, bevor er den Mainzer Torwart tunnelte und rund 12.500 Bochumer ausgelassen jubeln ließ. Nach elf Jahren ohne Auftritt in der Bundesliga und zuletzt etlichen Geisterspielen war die Sehnsucht nach Live-Fußball überall zu spüren. Und die Erwartungen wurden mehr als erfüllt.
Reis lobt seine Mannschaft
Für den perfekten Tag und noch mehr Feierlaune sorgte schließlich Sebastian Polter, der in seinem Premierenspiel für den VfL sofort überzeugte, besonders in der 56. Minute. Da nutzte der jüngst verpflichtete Mittelstürmer nach einer Flanke von Simon Zoller all seine Körperkraft und Kopfballstärke, um das verdiente 2:0 zu erzielen.
„Die Jungs haben es heute bravourös gemacht, wir waren von der ersten Minute an da. Mit den Fans im Rücken wurde es ein besonderes Spiel, ein besonderer Tag für alle“, war nicht nur Thomas Reis vollkommen begeistert. Sein Team präsentierte sich defensiv äußerst stabil, ließ kaum etwas zu und war auch offensiv deutlich gefährlicher als zum Start in Wolfsburg – allerdings gegen einen schwächeren Gegner, denn Mainz blieb über weite Strecken harmlos. Für VfL-Keeper Manuel Riemann waren der Wille und die mannschaftliche Geschlossenheit zwei wichtige Erfolgsfaktoren: „Wenn wir so weiterspielen und diese Intensität beibehalten, dann muss uns erstmal ein Gegner schlagen.“
Starkes Debüt von Bella Kotchap
Der emotionale Torwart genoss die Ehrenrunde nach dem Spiel besonders, das war ihm anzusehen. Riemann hatte zuvor die wenigen Chancen der Mainzer mit starken Reflexen entschärft und verdiente sich ähnlich wie in der Vorwoche eine der Bestnoten. Aber auch andere wussten zu gefallen: Armel Bella Kotchap vor allem, der nach einer kleinen Denkpause ins Team zurückgekehrt ist und stark verteidigte, in der Luft ebenso wie am Boden. Auch Anthony Losilla überzeugte. Der Kapitän hat sich mit 35 Jahren erstaunlich schnell an die neue Liga gewöhnt. Ein gutes Spiel machte auch Neuzugang Elvis Rexhbecaj.
Stark verbessert im Vergleich zu den Partien in Wuppertal und Wolfsburg zeigte sich Cristian Gamboa, der mit einer Armverletzung allerdings ausgewechselt werden musste. Neben den beiden Torschützen Holtmann und Polter, die ausgerechnet gegen ihren Ex-Klub trafen, fiel weiter vorne auch Simon Zoller positiv auf. Zwar musste der Angreifer durch die Hereinnahme von Sebastian Polter auf den rechten Flügel ausweichen, könnte dort aber in der Bundesliga noch wertvoller sein als im Sturmzentrum. Zoller traf nach einer Ecke sogar ins Mainzer Tor, doch der Videoassistent erkannte ein Handspiel. Schiedsrichter Pattrick Ittrich nahm den Hinweis aus Köln dankend an und den Treffer zurück.
Erster Bundesliga-Sieg seit 2010
An der guten Stimmung auf den Rängen änderte das jedoch nichts. Als die Fans am Ende den Klassiker „Oh, wie ist das schön“ anstimmten, mit dem üblichen Zusatz „sowas hat man lange nicht gesehen“, fassten sie den Tag des ersten Bundesliga-Siegs seit Februar 2010 wunderbar zusammen. Kleine Randnotiz: Da war Gerrit Holtmann noch Schüler der neunten Klasse. Jetzt ist er Slalomläufer in der ersten Liga.
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