Personalie

Oermann setzt sich durch: Freude für Fußballromantiker

Im Dezember sahen die Pläne noch ganz anders aus. Die Verantwortlichen des VfL Bochum wollten Tim Oermann ein weiteres Mal verleihen. Der 20-Jährige sollte bei einem anderen Klub Spielpraxis sammeln. Doch Trainer Thomas Letsch funkte dazwischen. Er wollte, dass der junge Innenverteidiger an der Castroper Straße bleibt. Allerdings in ungewohnter Rolle. „Wir hatten die Fantasie, dass er auch auf der rechten Seite verteidigen könnte“, verrät Letsch. „Das konkretisierte sich dann in den folgenden Wochen. Denn Tim ist schnell und bringt auch fußballerische Qualitäten mit.“ Eine ähnliche Idee war mit dem Brasilianer Bernardo bereits auf der linken Seite der Viererkette aufgegangen. Hinzu kam: Sommerneugang Felix Passlack überzeugte auf der rechte Abwehrseite bislang gar nicht, Cristian Gamboa nur mit Abstrichen.

Gamboas Sperre genutzt

Aus der Theorie wurde in der kurzen Winterpause also ein konkreter Plan. Oermann durfte sich im Testspiel gegen den niederländischen Zweitligisten aus Groningen als Rechtsverteidiger beweisen, Letsch war mit der Darbietung zufrieden. Als Bochums Cheftrainer nur zwei Wochen später einen Vertreter für den gesperrten Gamboa suchte, fiel die Wahl auf das Bochumer Eigengewächs. Mut, der belohnt wurde. Denn Oermann erledigte seinen Job gegen Stuttgarts Chris Führich, einen der Shootingstars dieser Saison, mit Bravour – und blieb im Team. Obwohl Gamboa für das Derby in Dortmund wieder bereitstand, blieb Oermann in der Startelf. Sein Gegenspieler: Jadon Sancho. „Für den Start waren das sicher nicht die einfachsten Aufgaben“, bilanziert Letsch und lobt seinen Schützling: „Tim hat die Sperre von Cristian Gamboa genutzt.“

In Bochum geboren

Vor allem Fußballromantiker dürften sich an der Entwicklung von Oermann erfreuen. Der Defensivspezialist kam in Bochum zur Welt, trägt seit seinem neunten Lebensjahr das Trikot des VfL und ist nun mit einem Profivertrag bis 2026 ausgestattet. „Es freut uns, wenn ein Eigengewächs eine solche Entwicklung nimmt“, sagt Letsch. Damit ist Oermann auf den Spuren von Maxim Leitsch und Armel Bella Kotchap unterwegs, die auch in der eigenen Talentschmiede groß und bei den Profis des VfL erwachsen geworden sind. Wobei Oermann einen kleinen Umweg nahm. In der Rückrunde der vergangenen Saison spielte der Youngster auf Leihbasis für den österreichischen Erstligisten Wolfsberger AC. „Tim kam mit Selbstbewusstsein und Spielpraxis auf hohem Niveau zurück. Dieses halbe Jahr hat ihm extrem gutgetan“, betont Letsch.

Doch keine Leihe

Doch zurück in Bochum, war Oermann wieder nur Reservist. Ende August platzte eine Leihe zum Drittligisten Rot-Weiss Essen. „Mit insgesamt sechs Innenverteidigern war es eine schwierige Konstellation für ihn“, weiß Trainer Letsch, der den Jungprofi zu Saisonbeginn oft gar nicht für den Kader berücksichtigen konnte. „Tim hat aber immer Gas gegeben und sich in der Phase, in der es Ausfälle und Engpässe gab, in die Mannschaft gespielt.“ Meistens jedoch als Joker. Auch deshalb bekräftigten die Verantwortlichen noch im Dezember, ihren zweitjüngsten Spieler erneut verleihen zu wollen. Doch dann kam alles ganz anders. Viermal in Folge gehörte Tim Oermann nun zur Bochumer Startelf – und darf sich am Wochenende erneut auf höchstem Niveau beweisen. Dann wird er es nämlich mit Leroy Sane oder Jamal Musiala zu tun bekommen.


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(Foto: Marc Niemeyer)