Sommertransfers

Neuland Bundesliga: VfL setzt auf Entwicklung statt Erfahrung

Die Zahlen sind eindeutig. In diesem Sommer war Bundesliga-Erfahrung bei den Neuzugängen des VfL Bochum offensichtlich ein eher ungeordnetes Kriterium. Nur Felix Passlack hat schon 35 Partien im Fußball-Oberhaus bestritten. Die anderen hingegen – Moritz Kwarteng, Lukas Daschner und Niclas Thiede – betreten Neuland. Matus Bero und Noah Loosli ebenso, allerdings haben die beiden auch noch nicht in Deutschland gespielt. Bero bringt es immerhin auf 137 Einsätze in der niederländischen Eredivisie, Loosli auf 101 Spiele in der schweizerischen Super League.

Bundesliga-Erfahrung

Eine veränderte Transferstrategie beim VfL Bochum lässt sich trotzdem nicht leugnen. Die Verantwortlichen setzen nach dem erneuten Klassenerhalt auf Entwicklungspotenzial, weniger auf Erfahrung. Das war in den ersten beiden Jahren nach dem Aufstieg definitiv anders. Im Sommer 2022 brachten Kevin Stöger, Philipp Förster und Dominique Heintz nennenswerte Bundesliga-Erfahrung mit. Saidy Janko sowie Lys Mousset waren zuvor in europäischen Topligen aktiv, der eine in Spanien, der andere in England. Ivan Ordets kam bereits in der Champions League zum Einsatz. Auch für die Winter-Neuzugänge Keven Schlotterbeck und Pierre Kunde war die Bundesliga kein unbeschriebenes Blatt.

Im Jahr davor war das Beuteschema sogar noch eindeutiger. Sieben von acht Neuzugängen sind schon vor ihrer Zeit beim VfL Bochum in der Bundesliga aufgelaufen – unter anderem die Leihspieler Elvis Rexhbecaj und Konstantinos Stafylidis, aber auch Takuma Asano und Michael Esser, die immer noch an der Castroper Straße unter Vertrag stehen. Der große Unterscheid allerdings: Aus dem Aufstiegskader waren nur fünf Spieler mit der neuen Spielklasse vertraut. Das ist nun anders und erklärt auch den Strategiewechsel. Zehn Spieler kommen mittlerweile auf mehr als 50 Bundesliga-Einsätze, drei davon – Kevin Stöger, Simon Zoller und Gerrit Holtmann – sogar auf über 100.

Vorbilder für die Neuzugänge

Dass mangelnde Bundesliga-Erfahrung zum Zeitpunkt der Verpflichtung kein Nachteil sein muss, dafür gibt es beim VfL Bochum gleich mehrere Beispiele. Das prominenteste: Philipp Hofmann. Der Angreifer spielte bis zu einem Wechsel im vergangenen Sommer höchstens zweitklassig, schaffte im Alter von 29 Jahren aber dennoch problemlos den Sprung ins Oberhaus. Manuel Riemann und Anthony Losilla waren bei ihrem Erstliga-Debüt sogar noch deutlich älter – Riemann 32, Losilla bereits 35. Gleichwohl: Sie waren zuvor jahrelang Stammkräfte und Leistungsträger in der zweiten Liga. Das trifft auf Moritz Kwarteng und Lukas Daschner, die in diesem Sommer nach Bochum gewechselt, nur bedingt zu.

Leistungsträger waren sie zuletzt zweifellos – Kwarteng beim 1. FC Magdeburg und Daschner beim FC St. Pauli. Aber: Beide haben bislang nur eine komplette Zweitliga-Saison absolviert. Kwarteng war zuvor vor allem in der Regionalliga unterwegs, Daschner am Millerntor zunächst kein Stammspieler. Sie werden ihre Leistungen also direkt in einer höheren Liga bestätigen müssen. Der Vorteil für den VfL: Bis auf Passlack fehlt keinem der sechs Neuen die Spielpraxis. Alle anderen waren in der vergangenen Saison Stammspieler in ihrem jeweiligen Klub. Auch das ist neu. Insbesondere im Sommer 2022 fehlte vielen Neuzugängen die Wettkampfpraxis, teilweise sogar der Trainingsrhythmus.

Stammkräfte sind geblieben

Im Vergleich zu den beiden vergangenen Jahren gibt es einen weiteren Unterschied: Von den Leistungsträgern hat praktisch keiner den VfL verlassen, der Bedarf an neuen Stammkräften ist also geringer. Lediglich Keven Schlotterbeck und Konstantinos Stafylidis zählten zum erweiterten Stammpersonal, Saidy Janko und Dominique Heintz trumpften nur im Saisonendspurt kurz auf. 2022 verlor der VfL bekanntlich die halbe Startformation, 2021 immerhin Spielgestalter Robert Zulj. Das gibt den Bundesliga-Neulingen womöglich etwas Zeit, sich in der neuen Spielklasse zurechtzufinden.


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(Foto: Marc Niemeyer)