Sportliche Leitung

Neues Transfer-Team: Experiment und Expertise

Treffsicherheit zählt offensichtlich zur Kernkompetenz von Markus Brunnschneider. Der Mann, der künftig die passenden Spieler für den VfL Bochum finden soll, war einst Deutscher Meister im Luftgewehrschießen. Der Oberbayer hing seine Fußballschuhe bereits in der E-Jugend an den Nagel und widmete sich einer eher ungewöhnlichen Sportart. Wobei er die Liebe zum Fußball nicht verlor. Der 35-Jährige, der bislang lediglich Branchenkennern ein Begriff war, legte in jungen Jahren bereits eine beachtliche Karriere hin. Er war Spielanalyst in der Nachwuchsabteilung von Bayern München und arbeitete in leitender Funktion als Scout für Darmstadt 98 und zuletzt für Holstein Kiel. Parallel war er am Internationalen Fußball Institut in München als Experte für Taktikanalysen und Kaderplanung tätig und schrieb Gegneranalysen für Medien im süddeutschen Raum. Beim VfL Bochum übernimmt er nun den Direktorenposten für „Scouting, Recruitment & Data“.

Kaenzig alleiniger Geschäftsführer

Brunnschneider ist damit im weitesten Sinne der Nachfolger von Sport-Geschäftsführer Dirk Dufner und auch von Kadermanager Johannes Waigand, die im September und Oktober beurlaubt wurden. Die neue Struktur ist mit der vorherigen allerdings kaum noch zu vergleichen. Die größte Veränderung: Das Präsidium hat auf die Bestellung eines zweiten Geschäftsführers neben Ilja Kaenzig verzichtet. Das verwundert insofern, weil Kaenzig bereits zwischen Oktober 2024 und April 2025 alleiniger Geschäftsführer des VfL war und in dieser Zeit regelrecht mit Aufgaben überfrachtet wurde. Kaenzig musste sich nicht nur um den kaufmännischen Bereich kümmern, für den er einst eingestellt wurde, sondern auch um den sportlichen. Wobei Kaenzig mitnichten neue Spieler aussuchen soll; er wird vorbereitete Transfers lediglich absegnen müssen.

Die Suche liegt fortan in den Händen von Brunnschneider, der eng mit der Scoutingabteilung, mit Jonas Schlevogt als Direktor für „Recht & Personal“ sowie mit Simon Zoller zusammenarbeiten soll, der den verklausulierten Titel als „Performance Lizenz“ trägt und offensichtlich noch keinen Direktorenstatus genießt. Der Ex-Profi und Publikumsliebling soll einen engen Draht zur Mannschaft sowie zum Trainer- und Betreuerstab pflegen. Wahrscheinlich wird er auch repräsentative und kommunikative Aufgaben übernehmen. Die Verantwortung für die Frauen-Abteilung liegt mehr denn je bei Annike Krahn, für den Nachwuchs bei Pablo Thiam. Brunnschneider ist also das einzig neue Gesicht, was sicher auch finanzielle Gründe hat. Dufner und Waigand müssen schließlich weiterhin bezahlt werden – und ein Bewerbungsschreiben für andere Klubs war ihre Kaderplanung in Bochum sicher nicht.

Die soll mit Brunnschneider wieder besser werden. In der Branche gilt er als Fußball-Nerd im positiven Sinne, als strebsam und gewissenhaft. Der Wechsel zum VfL ist der nächste Karriereschritt. Ein reiner Datenspezialist ist der studierte Sportwissenschaftler zwar nicht, moderne Unterstützungsmethoden nutzt er trotzdem gern und passt damit ins Anforderungsprofil. Der VfL denkt über eine Zusammenarbeit mit „Plaier“ nach, einem Analyse-Tool, das zahlreiche Daten verarbeitet und mit Künstlicher Intelligenz arbeitet. Darauf legt insbesondere das neue Präsidium um Andreas Luthe und Till Grönemeyer großen Wert. Diese Vorgänge zeigen, dass sie mehr sein wollen als bloße Beobachter. Sie verstehen sich als Ideengeber und Mitentscheider, wodurch die Grenzen zwischen operativer Ebene und Kontrollinstanz teilweise verschwimmen.

Amt des Sportchefs abgeschafft

Ihre Idee, den Sportverantwortlichen im Grunde abzuschaffen und durch ein Team mit Fachexpertise zu ersetzen, ist hierzulande zwar ein Experiment, im Ausland aber nichts Ungewöhnliches mehr. Auch in England, Italien oder Frankreich gibt es diese Struktur bereits in einigen Klubs. Sie soll Alleingänge verhindern und Fehleinschätzungen minimieren, indem mehr Personen an einer Entscheidung beteiligt sind. Das gelingt allerdings nur, wenn das Team harmoniert und die Kommunikationswege stimmen. Von außen ist das Modell bislang noch schwer zu durchschauen – was auch Spieler, ihre Berater oder Verantwortliche von anderen Klubs irritieren könnte. Wer ist nun ihr Ansprechpartner? Brunnschneider, Zoller oder gar ein anderer? Apropos Berater: Dass der VfL auf Brunnschneider gekommen ist, war gewiss kein Zufall. Er wird von einer Agentur mit Sitz am Husemannplatz betreut. Und einen Verein für Luftgewehrschießen gibt es in Bochum übrigens auch.


Ihr wollt das VfL-Magazin einmalig oder dauerhaft unterstützen? Nutzt dafür gerne die unkomplizierte Zahlungsoption via PayPal. Danke, dass ihr Berichterstattung dieser Art auch in Zukunft möglich macht.



(Foto: Marc Niemeyer)