Manche Fans diskutierten nur noch über die Höhe der Niederlage – und wurden am Montagabend positiv überrascht. Mit einer engagierten Leistung begegnete der VfL Bochum dem Hamburger SV lange Zeit auf Augenhöhe und war zu Beginn der zweiten Halbzeit sogar die bessere Mannschaft. Bis zur eigenen Führung nach 65 Minuten durch Simon Zoller überzeugten die Hausherren mit kompakter Defensivarbeit, doch dann brachen alle Dämme. Ein Sonntagsschuss der Hamburger brachte die Gäste nur drei Minuten später zurück ins Spiel, und der VfL verlor plötzlich die Ordnung. Der HSV hatte nun leichtes Spiel, die Partie vollends zu drehen und mit 1:3 für sich zu entscheiden.
Ein ordentliches Spiel…
Die Enttäuschung beim VfL war anschließend auch deshalb so groß, weil die Leistung eigentlich recht ordentlich war. Ein bisschen erinnerte dieses Spiel an einen Abend vor knapp drei Monaten, als nicht der HSV, sondern der große FC Bayern in Bochum gastierte. Auch dieser Begegnung war ein blutleerer Auftritt vorausgegangen, die Stimmung am vermeintlichen Tiefpunkt. Doch im eigenen, vollen Stadion zeigte die Mannschaft plötzlich ein anderes Gesicht, Leidenschaft und Siegeswillen. „Wenn wir jedes Mal eine solche Leistung abrufen würden, dann stünden wir nicht da unten“, hat nicht nur Simon Zoller den eigenwilligen Charakter der Mannschaft erkannt.
Auch mit der Hereinnahme des späteren Torschützen hat Trainer Thomas Reis ein glückliches Händchen bewiesen, ebenso mit Tom Weilandt. Sie ersetzten Chung Yong Lee und Danny Blum, die in Bielefeld durchweg enttäuschten. Offensiv lief es dieses Mal besser, auch wenn echte Spielkultur noch nicht zu erkennen war. Reis hatte auf einen sogenannten Tannenbaum, also auf ein 4-3-2-1-System, umgestellt. In der Abwehrkette erhielt überraschend Maxim Leitsch den Vorzug vor Patrick Fabian. Der Youngster war lange verletzt, spielte zuletzt vor 17 Monaten und machte am Montagabend einen guten Job – bis er vor dem 1:2 unglücklich ausrutschte.
Nicht nur Leitsch stemmte sich bis dahin aber mit aller Macht gegen die nächste Niederlage. „Vielleicht können wir trotzdem Mut aus diesem Spiel schöpfen“, gab sich Teamkollege Zoller hinterher zuversichtlich, wohlwissend, dass nur Punkte zählen. „Wir stehen auf dem Relegationsplatz. Ich glaube, dass vielen hier klar ist, wie ernst die Lage ist.“ Dass Zoller nur von „vielen“, aber nicht von „allen“ sprach, kann, muss aber kein Zufall sein. Sein Übungsleiter ist dahingehend schon optimistischer. „Ich bin mir sicher, dass die Jungs jetzt verstanden haben, worum es geht“, sagte Reis in der Pressekonferenz.
…muss bestätigt werden
Was ihn zu dieser Erkenntnis kommen lässt, konnte er aber auch auf Nachfrage nicht schlüssig erklären. Schließlich hat es gute Ansätze in dieser Saison immer wieder gegeben – doch spätestens nach ein paar Wochen folgte der Rückfall in alte Muster. Wie passend also, dass am kommenden Sonntag ein echter Charaktertest bevorsteht. Dann nämlich tritt der VfL nicht vor großer Kulisse gegen einen Aufstiegsfavoriten an. Stattdessen gastiert der Revierklub beim SV Wehen Wiesbaden, einem direkten Tabellennachbarn mit dem geringsten Zuschauerschnitt der Liga. „Das wird kein Endspiel“, sagt Thomas Reis, „aber sicher ein Schlüsselspiel.“
(Foto: Imago / Revierfoto)