Abschiedsspiel

„Ein Vorbild für alle“: Losilla und das große Klassentreffen

Ein entspannter Stadionbesuch ist für die Anhänger des VfL Bochum angesichts der sportlichen Lage im Grunde unmöglich. Insofern war es für die mehr als 16.000 Zuschauer an diesem Samstagnachmittag ein ungewohntes Gefühl, gedankenfrei zur Castroper Straße zu fahren und ein Fußballspiel zu genießen, in dem der VfL ganz sicher nicht als Verlierer vom Platz gehen wird. Der Gewinner stand nämlich schon vorher fest: Anthony Losilla, die größte VfL-Legende der Neuzeit, erhielt nach elf Jahren und 364 Pflichtspielen im Bochumer Trikot sein verdientes Abschiedsspiel. Der 39-Jährige ist erst der zweite Spieler des Revierklubs, dem diese besondere Ehre zuteil wurde; Dariusz Wosz war anno 2007 der erste. Dass jemals ein dritter hinzukommen wird, ist angesichts der zunehmenden Personalfluktuation im Profifußball eher unwahrscheinlich.

Das war allen Gästen an diesem Tag bewusst. „Seine Treue zum VfL ist einzigartig. Es gibt nicht mehr viele Spieler dieser Art“, sagt Peter Neururer, der Losillas erster von unzähligen Trainern beim VfL war und beim offiziellen Abschied als Coach des Teams ‚Totos Friends‘ fungierte. Mit 9:5 besiegten die ‚Toto Allstars‘ die Neururer-Truppe, doch das ist nur eine Randbemerkung wert. Losilla wirkte in beiden Mannschaften je eine Halbzeit mit und hatte sichtlich Spaß, mit zahlreichen Weggefährten aus Bochum und Frankreich ein letztes Mal zu kicken. Kurz vor Schluss wurde sogar Losillas 12-jähriger Sohn Giulian eingewechselt, der unter großem Applaus nach Vorlage seines Vaters ein Tor erzielte. Anschließend drehte der Publikumsliebling noch eine Ehrenrunde durchs Ruhrstadion und wurde von Fans wie Wegbegleitern gleichermaßen gefeiert.

Viele Publikumslieblinge

Personen, die ein schlechtes Wort über den heutigen Co-Trainer der Bochumer Profimannschaft verlieren, sucht man seit Jahren vergebens. Auch deshalb hatte das Abschiedsspiel den Charakter eines großen Klassentreffens, bei dem möglichst jeder, der mal mit Losilla zusammengespielt hat, dabei sein wollte. Aus der Aufstiegsmannschaft von 2021 hatten sich unter anderem Robert Tesche, Manuel Riemann, Cristian Gamboa und Simon Zoller noch einmal das VfL-Trikot übergestreift, Riemann gar als Feldspieler. Früh in der Partie erzielte er ein Traumtor aus gut 50 Metern. Losilla traf für beide Teams je einmal. Auch illustre Namen wie Felix Bastians oder Simon Terodde trugen sich in die Torschützenliste ein. Aus der aktuellen Bochumer Mannschaft kickte einzig Gerrit Holtmann mit, wobei er nicht der einzige noch aktive Fußballprofi war.

Einige Zuschauer scherzten zwischendurch, dass die ‚Toto Allstars‘ der aktuellen VfL-Truppe problemlos Konkurrenz machen könnten mit Spielern wie Bernardo, Tim Oermann, Danilo Soares oder Dominique Heintz, die allesamt noch auf hohem Niveau aktiv sind, unterstützt von Bochumer Urgesteinen wie Patrick Fabian und Michael Esser. Ihre Namen weckten Erinnerungen an bessere Zeiten, an eine zumindest phasenweise heile VfL-Welt. Den zweitlautesten Applaus des Tages erhielt der eigens aus Augsburg eingereiste Keven Schlotterbeck, der verletzungsbedingt allerdings nicht mitwirken konnte. Er nahm auf der Bank bei Trainer Thomas Reis Platz, der als einziger auch mit zahlreichen Pfiffen bedacht wurde. Ansonsten blieb gar kein Raum für Groll und schlechte Stimmung, das hätte auch nicht zum fast immer gut gelaunten Anthony Losilla gepasst.

Legendensäule enthüllt

Bevor es zur großen Party in die VIP-Lounge ging, bedankte er sich auf dem Zaun vor der Osttribüne für die Unterstützung der Fans und kämpfte dabei mit den Tränen: „Von Anfang an habe ich eure Unterstützung gespürt. Ihr habt mich immer gepusht. Es war und ist eine Ehre, die blau-weißen Farben tragen zu dürfen.“ Dem VfL bleibt er bekanntlich erhalten, als Fußballer fehlt er allerdings schon jetzt. „Er war immer positiv gestimmt, ist in jeder Trainingseinheit vorangegangen und war ein Vorbild für alle“, berichtet der langjährige Bochumer Co-Trainer Frank Heinemann, Losillas Vorgänger. „Toto hat die Kabine auch in schwierigen Zeiten zusammengehalten. Er hat einen großen Anteil daran, dass der VfL vier Jahre in der Bundesliga gespielt hat. Ich bin mir sicher, dass er viele Impulse geben wird, dass es wieder bergauf geht.“

Da ist sich auch Thomas Eisfeld sicher, der mit Losilla mehrere Jahre beim VfL zusammengespielt hat und am Samstag als Zuschauer dabei war: „Toto konnte ein Spiel wie kein anderer lesen und war ein sehr loyaler Teamplayer. Er hat jedem Neuzugang die VfL-DNA vermittelt. Er ist zwar Franzose, aber längst ein Bochumer Junge geworden.“ Eisfeld glaubt: „Toto wird auch als Trainer seinen Weg gehen.“ Das sieht Ex-Teamkollege und Kumpel Cristian Gamboa, mit dem Losilla im Mai gemeinsam aufgehört hat, ganz genauso: „Als Spieler war er top, aber als Mensch noch besser. Toto ist eine Legende.“ Ab sofort sogar in verewigter Form. Noch während des Abschiedsspiels enthüllte der VfL – als Überraschung für Losilla – eine Legendensäule zwischen Stadion und Geschäftsstelle. Dort steht er nun in einer Reihe mit ‚Ata‘ Lameck und anderen VfL-Größen.


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(Foto: Imago / RHR-Foto)